Warum
ich Politiker nicht mag ?
Weil sie mir persönlich unsympathisch sind.
Mal
abgesehen von flachen Scherzen, halte ich
tatsächlich weniger die einzelnen Beteiligten,
als vielmehr die zu Grunde liegenden Strukturen und
Vorgänge für das Problem.
Mit anderen Worten: Das Problem der Politik liegt
in der Politik als solcher beziehungsweise in den
sie betreibenden Personen.
Verschiedene
NGOs haben verlautbart, Politik sei zu wichtig, um
sie den Politikern zu überlassen; das
Standard-Gegenargument ist natürlich, dass
Politiker der einzige Berufsstand sei, dem man
weniger Können in seinem Fachgebiet zutraue
als allen anderen. Es gehe ja auch jeder mit
Krankheiten zum Arzt und nicht zum Friseur. Dieses
Argument ist schön, aber es hinkt ganz
gewaltig. Ich persönlich gehe nämlich
durchaus nicht mit einer Krankheit zu
irgendeinem
Arzt/Ärztin - beispielsweise gehe ich
grundsätzlich nicht mit Augenproblemen zum
Zahnarzt oder mit Zahnschmerzen zu einem Facharzt
Magen-Darm-Erkrankungen oder dergleichen
mehr.
Abgesehen
von diesem Vergleich, auf den ich noch einmal
zurückkommen werde, haben Ärzte ein
langes, kompliziertes Studium und viele
Prüfungen durchlaufen. Das ist bei Politikern
nicht ebenso automatisch der Fall. Sicherlich,
viele haben Jus, Politikwissenschaft oder sonstiges
studiert (Michael Häupl beispielsweise
dissertierte über Froschlurche. Was ihn mir
persönlich sympathischer macht, aber eben
nichts über seine Fähigkeiten in der
Politik aussagt), aber eine Art staatlich gelenkter
Vorbereitung auf die entsprechenden Ämter gibt
es in dieser Form nicht.
Oh
ja, es gibt eine Ausbildung, innerhalb der
Parteien. Aber was ist denn eine Partei anderes als
eine Gruppe von Individuen, die beschließen,
dass dieses und jenes das Beste sei - unterstellen
wir jetzt mal: sie denken, dass es tatsächlich
das Beste für alle sei -, und die das dann
umsetzen möchte? Genau hier beginnt aber
bereits das Kernproblem sichtbar zu werden. Die
Partei hat ein - nehmen wir an: hehres - Ziel vor
Augen, dass sie momentan nicht erreichen kann. Bis
jetzt unterscheidet sie sich in nichts von einer
NGO. Dann erlangt sie Stimmen und kommt ins
Parlament - immer noch sind ihre Mitglieder
freiwillig mitmachende Personen, die durch nichts
mehr qualifiziert sind als Mitglieder einer NGO.
Als nächstes beginnt der lange
Kampf um ausreichend
Macht,
damit die - wie gesagt: unterstellen wir mal
tatsächlich edlen! - Ziele erreicht werden
können.
Damit
setzt ein Prozess ein, bei dem die entsprechenden
Parteimitglieder immer mehr auf das Gewinnen von
Stimmen ausgerichtet werden. Dies ist
tatsächlich unumgänglich, denn wie sonst
sollte eine Partei Stimmen gewinnen, wenn nicht,
indem sie ganz genau das auch versucht?
Tatsächlich tun es alle Konkurrenten ja auch;
es ist also systeminhärent notwendig und
unumgänglich. Gelingt es der Partei dann,
tatsächlich an der Macht zu partizipieren,
treffen diese Mitglieder auf die interessante
Situation, verschiedenen Interessensvertretungen,
Mitarbeitern, die schon sehr lange in den
entsprechenden Ministerien beschäftigt sind,
sowie anderen Politikern anderer Länder
ausgesetzt zu werden. Zumeist entscheiden sie sich
an dieser Stelle, sogenannte Realpolitik zu
machen.
Mit
anderen Worten: Leute, die einer arrivierten Partei
angehören, werden dazu ausgebildet, die
Politik dieser speziellen Partei zu machen
beziehungsweise Stimmen zu gewinnen - wie diese
Partei eben glaubt, Stimmen gewinnen zu
können. Sie lernen, mit anderen Worten, im
System ihrer Partei zu funktionieren; sobald sie in
ein Amt kommen, müssen sie lernen, wie sie im
System des Staates im System der Partei
funktionieren können.
Um
überhaupt so weit nach oben zu kommen,
müssen sie bestimmte Voraussetzungen
mitbringen, wie beispielsweise die Fähigkeit,
sozial aufzusteigen, andere Leute für sich
einzunehmen und ihren Willen durchzusetzen. Was sie
niemals lernen mussten, war, überlegt und ohne
vorgefasste Meinung ein Problem zu analysieren und
die bestmögliche Lösung zu suchen, also
wirkliche Realpolitik zu machen. Sie haben gelernt,
im System der Personen, die Politik machen, zu
agieren; vielleicht sind sie sogar ganz besonders
gut darin, aber was sie niemals gelernt haben, ist,
Politik zu machen, die nicht irgendeinem
speziellen, vorgegebenen System folgt, sondern nur
den Bedürfnissen der Menschen. Was schwer
genug ist; ich gebe offen zu, dass ich daran
vermutlich auch scheitern würde.
Aber
wie oben dargestellt, haben wir es nun mit Leuten
zu tun, deren gesamte Laufbahn notwendigerweise auf
das Akkumulieren von Macht angelegt war, als auch
auf das Funktionieren innerhalb des
Machtakkumulators Partei. Sie sind also perfekt
ausgebildete Parteipolitiker - nicht ausgebildete
Staatspolitiker. Selbst wenn sie ihre edlen Ziele
tatsächlich noch behalten haben, so sind sie
doch nicht ausgebildet oder auch nur angehalten
worden, diese umzusetzen, oder gar unterrichtet
worden, wie diese Ziele umzusetzen sind. Daher
treten sie meist als Problemlöser in
Akutfällen auf - und ihre Lösungen sind
nicht besser oder schlechter als die einer
beliebigen Gruppe von Leuten vergleichbarer
Intelligenz und persönlicher Einstellungen.
(Tatsächlich wäre es das Experiment mal
wert, Leute eine scheinbare Regierung bilden zu
lassen und ihre Entscheidungen mit denen der realen
Regierung vergleichen zu lassen.)
Wie
gesagt - Parteien sind, wie ihre Mitglieder, dazu
da, ihre Interessen durchzusetzen. Dass Leute, die
nun also die Interessen ihrer Partei vertreten, auf
einmal die Interessen des Staates vertreten sollen,
ist ein grundlegender Webfehler im System. Daher
ist ja auch Politik zu wichtig, um sie den
Politikern zu überlassen. Boshaft gesagt -
wenn wir die Sache getrost den Politikern
überlassen könnten, wäre das nicht
das perfekte Argument gegen die Demokratie? Sie
wäre ja dann völlig unnötig.
Tatsächlich entwickeln Systeme, in denen diese
Meinung vorherrscht, eine gewisse Tendenz,
Volksentscheidungen als Kindermund zu betrachten
und eher als Fehler denn als tatsächliche
Anweisung zu sehen (sie haben darin leider sogar
oft genug Recht, aber das tut nichts zur Sache).
Mit anderen Worten - die größte
Errungenschaft der Demokratie ist es, die Politik
eben nicht (ganz) den Politikern zu
überlassen. Die Erfahrungen aus der
Weltgeschichte zeigen, dass das eine sehr gute Idee
war, denn, wie hoffentlich schlüssig
dargelegt, sind gerade Politiker zwar geeignet,
aber nicht ausgebildet dafür, Sachpolitik zu
machen. Sie lernen zwar, Kompromisse einzugehen und
Lösungen zu suchen, aber nur im (engen) Rahmen
ihrer Parteiinteressen, so wie jeder Politiker
immer Parteipolitiker bleiben muss. Selbst bei
bester Gesinnung und tatsächlich ehrlichem
Versuch, dem Staat zu dienen, wird die Partei
vorherrschend bleiben. De facto hat unser
Bundeskanzler ja kaum Macht - die eigentliche Macht
hat er, weil er Parteichef der größten
Partei ist. Die Macht im Parlament geht von den
Parteien aus, nicht von den Ämtern des
Staates. Also sind Parteipolitikern
Staatspolitikern stets an Macht überlegen,
sodass eine Partei-Staatspolitik
herauskommt.
Und
jetzt soll mir noch mal jemand sagen, wir sollten
uns nicht in die Politik einmischen und mit dem
Beispiel vom Arzt kommen.
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