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G E R D ' s

E L E V E N T Y

L E I C H T G R Ü N

Die Politik als Problem ihrer selbst

(von Johannes)

Warum ich Politiker nicht mag ?
Weil sie mir persönlich unsympathisch sind.

Mal abgesehen von flachen Scherzen, halte ich tatsächlich weniger die einzelnen Beteiligten, als vielmehr die zu Grunde liegenden Strukturen und Vorgänge für das Problem.
Mit anderen Worten: Das Problem der Politik liegt in der Politik als solcher beziehungsweise in den sie betreibenden Personen.

Verschiedene NGOs haben verlautbart, Politik sei zu wichtig, um sie den Politikern zu überlassen; das Standard-Gegenargument ist natürlich, dass Politiker der einzige Berufsstand sei, dem man weniger Können in seinem Fachgebiet zutraue als allen anderen. Es gehe ja auch jeder mit Krankheiten zum Arzt und nicht zum Friseur. Dieses Argument ist schön, aber es hinkt ganz gewaltig. Ich persönlich gehe nämlich durchaus nicht mit einer Krankheit zu irgendeinem Arzt/Ärztin - beispielsweise gehe ich grundsätzlich nicht mit Augenproblemen zum Zahnarzt oder mit Zahnschmerzen zu einem Facharzt Magen-Darm-Erkrankungen oder dergleichen mehr.

Abgesehen von diesem Vergleich, auf den ich noch einmal zurückkommen werde, haben Ärzte ein langes, kompliziertes Studium und viele Prüfungen durchlaufen. Das ist bei Politikern nicht ebenso automatisch der Fall. Sicherlich, viele haben Jus, Politikwissenschaft oder sonstiges studiert (Michael Häupl beispielsweise dissertierte über Froschlurche. Was ihn mir persönlich sympathischer macht, aber eben nichts über seine Fähigkeiten in der Politik aussagt), aber eine Art staatlich gelenkter Vorbereitung auf die entsprechenden Ämter gibt es in dieser Form nicht.

Oh ja, es gibt eine Ausbildung, innerhalb der Parteien. Aber was ist denn eine Partei anderes als eine Gruppe von Individuen, die beschließen, dass dieses und jenes das Beste sei - unterstellen wir jetzt mal: sie denken, dass es tatsächlich das Beste für alle sei -, und die das dann umsetzen möchte? Genau hier beginnt aber bereits das Kernproblem sichtbar zu werden. Die Partei hat ein - nehmen wir an: hehres - Ziel vor Augen, dass sie momentan nicht erreichen kann. Bis jetzt unterscheidet sie sich in nichts von einer NGO. Dann erlangt sie Stimmen und kommt ins Parlament - immer noch sind ihre Mitglieder freiwillig mitmachende Personen, die durch nichts mehr qualifiziert sind als Mitglieder einer NGO. Als nächstes beginnt der lange Kampf um ausreichend Macht, damit die - wie gesagt: unterstellen wir mal tatsächlich edlen! - Ziele erreicht werden können.

Damit setzt ein Prozess ein, bei dem die entsprechenden Parteimitglieder immer mehr auf das Gewinnen von Stimmen ausgerichtet werden. Dies ist tatsächlich unumgänglich, denn wie sonst sollte eine Partei Stimmen gewinnen, wenn nicht, indem sie ganz genau das auch versucht? Tatsächlich tun es alle Konkurrenten ja auch; es ist also systeminhärent notwendig und unumgänglich. Gelingt es der Partei dann, tatsächlich an der Macht zu partizipieren, treffen diese Mitglieder auf die interessante Situation, verschiedenen Interessensvertretungen, Mitarbeitern, die schon sehr lange in den entsprechenden Ministerien beschäftigt sind, sowie anderen Politikern anderer Länder ausgesetzt zu werden. Zumeist entscheiden sie sich an dieser Stelle, sogenannte Realpolitik zu machen.

Mit anderen Worten: Leute, die einer arrivierten Partei angehören, werden dazu ausgebildet, die Politik dieser speziellen Partei zu machen beziehungsweise Stimmen zu gewinnen - wie diese Partei eben glaubt, Stimmen gewinnen zu können. Sie lernen, mit anderen Worten, im System ihrer Partei zu funktionieren; sobald sie in ein Amt kommen, müssen sie lernen, wie sie im System des Staates im System der Partei funktionieren können.

Um überhaupt so weit nach oben zu kommen, müssen sie bestimmte Voraussetzungen mitbringen, wie beispielsweise die Fähigkeit, sozial aufzusteigen, andere Leute für sich einzunehmen und ihren Willen durchzusetzen. Was sie niemals lernen mussten, war, überlegt und ohne vorgefasste Meinung ein Problem zu analysieren und die bestmögliche Lösung zu suchen, also wirkliche Realpolitik zu machen. Sie haben gelernt, im System der Personen, die Politik machen, zu agieren; vielleicht sind sie sogar ganz besonders gut darin, aber was sie niemals gelernt haben, ist, Politik zu machen, die nicht irgendeinem speziellen, vorgegebenen System folgt, sondern nur den Bedürfnissen der Menschen. Was schwer genug ist; ich gebe offen zu, dass ich daran vermutlich auch scheitern würde.

Aber wie oben dargestellt, haben wir es nun mit Leuten zu tun, deren gesamte Laufbahn notwendigerweise auf das Akkumulieren von Macht angelegt war, als auch auf das Funktionieren innerhalb des Machtakkumulators Partei. Sie sind also perfekt ausgebildete Parteipolitiker - nicht ausgebildete Staatspolitiker. Selbst wenn sie ihre edlen Ziele tatsächlich noch behalten haben, so sind sie doch nicht ausgebildet oder auch nur angehalten worden, diese umzusetzen, oder gar unterrichtet worden, wie diese Ziele umzusetzen sind. Daher treten sie meist als Problemlöser in Akutfällen auf - und ihre Lösungen sind nicht besser oder schlechter als die einer beliebigen Gruppe von Leuten vergleichbarer Intelligenz und persönlicher Einstellungen. (Tatsächlich wäre es das Experiment mal wert, Leute eine scheinbare Regierung bilden zu lassen und ihre Entscheidungen mit denen der realen Regierung vergleichen zu lassen.)

Wie gesagt - Parteien sind, wie ihre Mitglieder, dazu da, ihre Interessen durchzusetzen. Dass Leute, die nun also die Interessen ihrer Partei vertreten, auf einmal die Interessen des Staates vertreten sollen, ist ein grundlegender Webfehler im System. Daher ist ja auch Politik zu wichtig, um sie den Politikern zu überlassen. Boshaft gesagt - wenn wir die Sache getrost den Politikern überlassen könnten, wäre das nicht das perfekte Argument gegen die Demokratie? Sie wäre ja dann völlig unnötig. Tatsächlich entwickeln Systeme, in denen diese Meinung vorherrscht, eine gewisse Tendenz, Volksentscheidungen als Kindermund zu betrachten und eher als Fehler denn als tatsächliche Anweisung zu sehen (sie haben darin leider sogar oft genug Recht, aber das tut nichts zur Sache). Mit anderen Worten - die größte Errungenschaft der Demokratie ist es, die Politik eben nicht (ganz) den Politikern zu überlassen. Die Erfahrungen aus der Weltgeschichte zeigen, dass das eine sehr gute Idee war, denn, wie hoffentlich schlüssig dargelegt, sind gerade Politiker zwar geeignet, aber nicht ausgebildet dafür, Sachpolitik zu machen. Sie lernen zwar, Kompromisse einzugehen und Lösungen zu suchen, aber nur im (engen) Rahmen ihrer Parteiinteressen, so wie jeder Politiker immer Parteipolitiker bleiben muss. Selbst bei bester Gesinnung und tatsächlich ehrlichem Versuch, dem Staat zu dienen, wird die Partei vorherrschend bleiben. De facto hat unser Bundeskanzler ja kaum Macht - die eigentliche Macht hat er, weil er Parteichef der größten Partei ist. Die Macht im Parlament geht von den Parteien aus, nicht von den Ämtern des Staates. Also sind Parteipolitikern Staatspolitikern stets an Macht überlegen, sodass eine Partei-Staatspolitik herauskommt.

Und jetzt soll mir noch mal jemand sagen, wir sollten uns nicht in die Politik einmischen und mit dem Beispiel vom Arzt kommen.

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