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G E R D s

E L E V E N T Y

M I T T E N D R I N

Vom Reich der Mitte

Ist einmal (in meinen Anschauungen) „die Mitte drin“, dann vermag ich mich auch selbst in einer Mitte darinnen zu wähnen. Ein Mittendrin Sein verlangt eben nach einem entsprechenden Verständnis.

Mit meiner Heimat ausgestattet, gesellen sich zu meinem Standpunkt zwei Umräume, welche mir (m)einen Fort-Schritt gestatten:

 

Zum einen (m)eine „Mittel-Erde“. Ich finde es schon interessant, dass, neben Individuen, auch Kulturen und Zivilisationen ihren Lebensraum auf Erden jeweils als (ihre) Mitte der Welt erleben.
Ihre Nachbarn empfinden sie im räumlichen Verhältnis zu ihnen selbst als entlang der Himmelsrichtungen, oder als (weiter) oben oder unten, liegend - wobei auch hier Affinitäten, wie jene des [Hohen] Nordens mit Oben, des Wärmeren [Südens] mit Unten, des Ostens mit Links, und des Westens mit Rechts, vorzufinden sind.

Jener Lebensraum meiner „Mittel-Erde“ erwächst im Empfinden zu meinem „Reich der Mitte“. Dieses Reich umfasst meinen engeren Umraum, welcher begrenzt ist. Mir existiert ein „Innen“ und „Außen“.
Der Raum meines Gartens im Bilde entspricht einer musikalischen
Quint, worin der Zaun die webende Grenze darstellt.

Zum anderen (m)ein weiterer Umraum außerhalb der eben erwähnten Grenze des Gartens oder der Quint-Ausdehnung, innerhalb welcher sich mitunter eine Essenz finden lässt. Dieser weitere Umraum wird meist als der Umkreis erlebt, worin meine Mitmenschen, bzw. die Nachbar-Kulturen leben.

Damit relativiert sich meine Meinung, wo sich die Mitte der Welt befindet, zur jene meiner Mitte der Welt. Sehr schön kommt dies durch den Null-Meridian zum Ausdruck, welcher interessanterweise nicht in Mitteleuropa, sondern von uns aus gesehen im Westen liegt.

Auch heute noch gilt die Anschauung der britischen Seemacht, dass die Hauptstadt ihres Mutterlandes, dem Längengrad nach, in der Mitte unserer Welt liegt, zur ihrer Linken die östliche Häfte, und zu ihrer Rechten die westliche Hälfte.

Selbst die Zeitzonen und die Datumsgrenze bauen auf die Sicht Großbritanniens auf. Trotzdem sie wahrlich keine Weltmacht mehr ist, scheinen wir im britischen Zeitalter zu leben. Bezieht sich das Kapitel über das Vereinigte Königreich in Thomas Buchtipp über die Macht der Geografie etwa darauf ?

Trotz ihrer Verallgemeinerung teilt uns die britische Sichtweise etwas Wesentliches mit, nämlich, dass meine Mitte als ein Nullpunkt empfunden werden kann. Hier beginnt schön zeitgemäß der Zahlenraum, und hier beginnen die Richtungen nach Ost (zu meiner Linken), West (zu meiner Rechten), Nord (hinten oben), Süd (vorne unten).

Kehre ich zu unserem Volke zurück, findet sich unsere Heimat in Mitteleuropa. Dementsprechend betrachten hier - bzw. in unserer Sprachfamilie - entwickelte Theorien, Gedanken und Anschauungen, unsere Kultur als eine Mitte Europas, im Verhältnis zum altlantischen Westeuropa als (ehemalige) Übersee-Kolonialmächte mit ihren Seewegen, sowie zum kontinentalen Osteuropa mit ihren Landwegen (wobei Russland und im Fernen Osten China auch heute noch als „Überland-“Kolonialmächte betrachtbar sind).

Dennoch stellt sich mir die Frage, ob - wenn auch die Örtlichkeit, wo sich der Nabel der Welt befindet, relativ ist - ein besonderes Empfinden der, bzw. Verhältnis zur Mitte als Solche(s), ein Beitrag unseres Kulturkreises für die Welt sein könnte.

 

Jedenfalls gibt (mir) das Reich der Mitte dem Dazwischen seinen Raum (zurück) und ermöglicht auf diese Weise (m)eine Aufwertung des Dazwischen (Liegenden), bzw. lockt (mich), den Zwischen-Räumen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Manche Menschen lesen zum Beispiel „zwischen den Zeilen“ oder vernehmen die Musik „zwischen den Tönen“. So wären Intervalle und Rhythmus ohne Zwischen-Räume nicht denkbar, eine Melodie erwächst ihnen nicht aus einer Reihenfolge von Tönen, und das Musikstück besteht ihnen auch nicht bloß aus aneinandergereihten Motiven. In den Längen und Pausen (dazwischen) vermag sich Wesentliches zu erwachsen und ereignen.

Ein weiterer Schritt, nachdem ich (erst mal) meine Mitte gefunden habe, wäre etwa, das Reich der Mitte auf die Zwischen-Räume zu beziehen. Ich denke den jeweiligen Zwischen-Raum als (s)ein Reich der Mitte. Daraus erwächst mir z.B. des Waldes Raum als Raum zwischen den Bäumen, und beim einzelnen Laubbaum seine Krone als Raum zwischen den einzelnen Zweigen. In beiden Räumen ereignet sich das Leben in Fauna und Flora - und ich könnte mich darin aufhalten.

 

Ist dies nicht einer Mitte wert ?

„Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Hl. Schrift, Matthäus 18, Vers 20)

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