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G E R D s

E L E V E N T Y

M I T T E N D R I N

Vom Erstehen der Mitte

Einmal ist keinmal, zweimal ist ein Trend … und einhundertzwanzigmal heißt, dass irgendetwas im Busch ist, wovon wir keine Ahnung haben … (frei aus Joe Haldemanns „Der Schwindel um Hemingway“)

Denn auch diesmal wird das Wort der Ausgabe zum Titel der Ausgabe, und auf den erwähnten Schwindel greife ich (Gerd) noch zurück.

 

Jetzt ein anderer Text, diesmal aus der Heiligen Schrift: Das Evangelium speit die Lauen aus, nur die heißen Herzens sind, finden Einlass.

Dies erzählt mir von Situationen, worin ich mich für etwas entscheiden muss. Meistens handelt es sich dabei um zwei Möglichkeiten, z.B. um ein Ja oder Nein, bzw. hier um Heiß oder Kalt. Ein Dazwischen ist quasi inexistent, oder zumindest nicht erwünscht.

Das haben wir im vergangenen Jahrhundert in Europa erlebt - geteilt zwischen abendländischem Westen und sozialistischem Osten. Letzteres entspricht nicht einmal dem östlichen slawischen Charakter, aber Europa war geteilt und wurde nach dem Zusammenbruch des realen Sozialismus immer „westlicher“, und wo dies jetzt an seine Grenzen stoßen muss, existiert Krieg mit (vom Westen gern gesehener) Beteiligung mitteleuropäischer Nationen.

Dies lässt mich als österreichischer Mitteleuropäer nicht kalt - und doch habe ich Sorge, dass, wenn ich heißen Herzens gegen diese globale Verwestlichung auftrete, mein Betragen oder meine Worte manchen meiner Mitmenschen Anlass zur Sünde geben. Zum Beispiel wie sie dann mein hitziges Agieren als „Darüberfahren“ empfinden und abwehrend reagieren, oder sich Fronten bilden und verhärten, usw. Selbst dass der globale Westen quasi anderen Kulturen keinen Raum oder diesen bloß (wie schon in der vorigen Ausgabe erwähnt) zur Unterhaltung der Touristen zulässt, mindert meine Sorge, Anlass zur Sünde zu geben, nicht.

Wie komme ich an ? Würde durch meine Hitzigkeit, ohne auf das konkrete Gegenüber einzugehen, der Diskurs zum Schlagabtausch degenerieren ? Suchte ich nicht nach weiteren Möglichkeiten von „heiß“ oder „kalt“, „pro“ oder „kontra“, regierungstreu oder populistisch, könnte ich es gleich bleiben lassen … Würde vielleicht weniger sozialen Schaden anrichten … Themen zum Streiten gibt es ja genug: Covid, Klimakrise, Atomkraftwerke, genmanipulierte Lebensmittel, Reich gegen Arm, Ukraine, Israel und weitere Kriege mit ihren Folgen … Zudem treten Krisen mittlerweile nicht mehr vereinzelt auf.

 

Nun mag es ja Situationen geben, worin ein „Dies oder Das“ berechtigt und darin eine Entscheidung vonnöten ist.
Aber nicht in jeder Situation geht es um ein „Dies oder Das“, vor allem dann, wenn diese beiden (aus einer anderen Sichtweise) Extreme sind.

Um überhaupt eine Möglichkeit oder Ausprägung als ein Extrem wahrzunehmen, braucht es eben eine andere Sichtweise, welche in bestimmten Situationen oder Lebensbereiche durchaus ihre Berechtigung hat.
Während (mich) jene des „Dies oder Das“ oder „aut Caeser, aut nihil !“ an eine Gerade, an ein „straightes“ Vorgehen erinnert, bietet mir die andere Sichtweise einen Raum der Übergänge, worin das Ausgleichende und das Gleichgewicht einen eigenen Charakter erhält.

Gewissermaßen (auch hier) auf den Punkt gebracht, handelt es sich da um die Mitte als eigenen Charakter, wodurch Extreme als Solche überhaupt erst wahrgenommen werden können. Neben dem Identifizieren von Extremen gestattet mir die Mitte zum einen meine Heimat als gegenwärtigen Ausgangspunkt, und zum anderen Gerechtigkeit als Gleichgewicht in sozialen Verhältnissen untereinander. So muss etwa die soziale Beziehungskunst diese Mitte voraussetzen.

 

Durch meine „innere Geburt“ der Mitte als eigener Charakter - angesichts des mich umgebenden und mitunter rechthaberischem „Dies oder Das“ - gewinne ich meine Heimat und meinen Ausgangspunkt. Daraus gewinne ich Richtungen im Räumlichen, wie links und rechts, die Himmelsrichtungen, vorne und zurück, sowie oben und unten, welche durch den Gleichgewichtssinn erfahrbar werden.

Ich gewinne auch meine Gegenwart und daraus Richtungen im Zeitlichen, wie Vergangenheit und Zukunft, sowie des weiteren Affinitäten zum Örtlichen: aus der Vergangenheit komme ich (also liegt sie hinter mir), in die Zukunft gehe ich (sie liegt also vor mir), in der Gegenwart (be-) finde ich mich, bin ich, und diese durchschreite ich.

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