von
Johannes
Dem,
was Gerd hier
geschrieben
hat, möchte ich (Johannes) noch ein paar
Überlegungen hinzufügen.
Erstens:
Ja, es stimmt, dass das frühere Versprechen,
arbeiten zu gehen um Geld zu verdienen und damit
ein gutes Leben finanzieren zu können,
längst nicht mehr gültig ist. Hinzu
kommt, dass eine gute (Aus-)Bildung auch nicht
länger Garant eines guten Einkommens ist, wie
zahllose Praktika zeigen. Ein Autor, dessen Namen
ich mir bedauerlicherweise nicht gemerkt habe,
meinte hierzu, es sei Aufgabe der derzeit jungen
Generation, zu lernen, wie man glücklich
verarmt. Denn das Verarmen ist ohnehin bereits im
Kommen.
Absurderweise
kann ausgerechnet ich von mir behaupten,
diesbezüglich regelrecht ein Trendsetter oder
Vorreiter zu sein (wobei ich die volle Bedeutung
des Wortes Vorreiterrolle erst
begriffen habe, seit ich Reitstunden nehme und
tatsächlich manchmal vorne geritten bin): Ich
habe einen Job, für den ich einfach ungeeignet
war, aufgegeben. Nicht, dass ich die geforderte
Leistung nicht hätte erbringen können;
meine Arbeitgeber hätten mich gerne behalten.
Aber ich bin nicht in der Lage, mit dem
ständigen Stress und den ständig
wechselnden Bedingungen dieser Arbeit umzugehen,
daher hätte ich nicht lange durchgehalten. Nun
habe ich einen neuen Beruf, der mir viel besser
liegt. Ich habe, bei deutlich weniger
Arbeitsstunden, eine Weile lang um ein gutes
Drittel weniger verdient und verdiene immer noch um
über ein Viertel weniger (netto), meine
Wohnung ist nicht einmal halb so groß wie die
vorherige - und ich würde um nichts in der
Welt wieder tauschen wollen.
Denn
ich bin mittlerweile der reichste Mensch der Welt,
da ich mehr habe als alle bekannten Superreichen
zusammengenommen: Ich
habe genug.
Genug
liegt allerdings vorrangig darin, dass ich ein
Leben führe, das mich emotional ausreichend
versorgt; ich brauche also nicht für Geld auf
Lebensglück zu verzichten und auch nicht auf
Lebensglück zu verzichten, weil ich zu wenig
Geld habe. Kurz zusammengefasst: Ja, es ist
möglich, mit weniger Geld ein
erfüllteres, besseres, glücklicheres
Leben zu führen, vorausgesetzt, dass
ausreichend Geld vorhanden ist.
Es
ist allerdings auch möglich, einen sehr
fordernden, schwierigen Vierzig-Stunden-Job zu
haben und dennoch zu wenig Geld zu verdienen. Ich
bin mir durchaus bewusst, dass ich Glück hatte
und es keineswegs selbstverständlich ist, in
eine so positive Situation zu kommen.
Glücklicherweise kann ich mithelfen, dieses
Glück auch anderen zukommen zu lassen. Ich
denke, dass auch dieser Gedanke, nämlich das
Weitergeben selbst erlebten Glücks, eine
Motivation sein könnte, das Grundeinkommen
bewusst mitfinanzieren zu wollen. Und ja, ich
füttere lieber jemanden durch, der einfach nur
auf der Faulen Haut liegt, als ein
System des ständigen Kampfes alle gegen alle
zu fördern.
Und
nun zu der Frage, die ich immer wieder
verblüffend finde: Wer wird denn dann noch
arbeiten gehen? Was werden all die Leute
tun?
Wer
kennt den Begriff Taylorismus?
Vermutlich ist die Zahl derer, die den Begriff
kennen, deutlich geringer als diejenigen, welche
die damit bezeichnete Denkrichtung für
vollkommen richtig und, um eines der
schrecklichsten und unwahrsten Wörter im
politischen Diskurs hier kurz zu unverdienter Ehre
kommen zu lassen, alternativlos
halten.
Taylor
war ein Denker, der dachte, Menschen seien
grundsätzlich faul und arbeitsscheu. (Na,
kommt uns bekannt vor, oder?) Daher müsse man
a) Menschen zur Arbeit zwingen und b) diese Arbeit
in möglichst kleine, simple und
mechanische Teilarbeiten aufspalten,
damit sich die dummen und faulen Menschen weder
anstrengen müssen noch geistig herausgefordert
werden.
Diese
Haltung findet sich heute noch häufig, gerade
bei Menschen, die selbst das beste Gegenbeispiel
sind, nämlich bei Leuten, die sehr viel, sehr
komplex und verantwortungsvoll (also: mit
hohen Konsequenzen ihres Handelns, nicht im
Sinne von verantwortungsbewusst oder
der Verantwortung gerecht werdend)
arbeiten, also Managern. Zum Glück jedoch
wurde inzwischen die Neurobiologie erfunden, eine
Wissenschaft, die es möglich macht,
längst Bekanntes und Offensichtliches
tatsächlich zu beweisen oder zu widerlegen,
indem das Gehirn bei der Arbeit beobachtet
wird.
Zu
den Ergebnissen zählt unter Anderem, dass
nicht faule, arbeitsscheue Menschen am besten zu
einfachen, monotonen Arbeiten gezwungen werden
müssen, sondern dass der Zwang zu einfachen,
monotonen Arbeiten Menschen faul und arbeitsscheu
machen kann. Oder anders gesagt: Wer Leute wie
Idioten behandelt, sorgt dafür, dass sie sich
früher oder später wie Idioten benehmen
werden. Wer sie wie wertvolle, intelligente und
kreative Mitstreiter behandelt, wird wertvolle,
intelligente und kreative Mitstreiter
bekommen.
Menschen
haben einen natürlichen Drang, etwas zu
tun.
Im
Gegensatz zu Reptilien, die in der Lage sind,
vollkommen reglos abzuwarten, bis sich irgendein
Bedürfnis meldet und sie zur Bewegung
motiviert, haben Säugetiere die
großartigen Fähigkeiten der Langeweile
und der Neugier entwickelt. Wenn alle
Bedürfnisse befriedigt sind, suchen sie sich
etwas zum Spielen, etwas, das sie untersuchen
können oder sonst eine
Tätigkeit.
Dies
hat der Mensch auf die Spitze getrieben: Das
menschliche Gehirn lernt gerne. Menschen mögen
es, Neues zu erfahren, sie mögen es, neue
Tätigkeiten zu erlernen und sie mögen es,
aktiv zu sein und etwas Wertvolles beitragen zu
können. Voraussetzung dafür ist
natürlich, dass Arbeit diesen
Kriterien entspricht und nicht aufgezwungen und
erlitten wird.
Mit
einem Wort: Ich kenne, mich selbst eingeschlossen,
bisher nur Menschen, die der Meinung sind, sie
selbst würden auch mit Grundeinkommen
weiterarbeiten. Vermutlich wäre ich mehr
wissenschaftlich tätig (unbezahlt, versteht
sich) und weniger in meinem Beruf, aber selbst das
könnte ich nicht vorhersagen. Die meisten
meinten interessanterweise, sie selbst würden
ja weiterarbeiten, aber sonst niemand.
Was
ist jedoch mit den Jugendlichen, die dann
womöglich nur zu Hause sitzen und am Computer
spielen wollen?
Tja,
da ist genau das wichtigste Wort schon gefallen:
Wollen. Zunächst ist anzumerken,
dass Computer, die für die heutigen Spiele
geeignet sind, sogenannte
High-End-Geräte sind, also sehr
gut und im teuren Bereich. Eine wirklich tolle
Grafikkarte kostet soviel wie ein kleines Auto. Das
heißt: Wer hier mithalten will, will einen
entsprechenden Computer haben, will also Geld
verdienen. Mehr, als das Grundeinkommen
einbringt.
Dann
werden die Leute motiviert sein, zu arbeiten; und
wenn sie erleben, dass die Arbeit ihnen weiteren
Wert gibt, ihre Fähigkeiten stärkt und
ihnen auch sonstige Annehmlichkeiten
ermöglicht, die reine Grundeinkommensbezieher
nicht haben, dann werden sie weiterhin arbeiten
wollen. Wie wir ja derzeit auch sehen: Die
allerwenigsten Menschen, die es sich
tatsächlich leisten können, sich zur Ruhe
zu setzen, weil sie mehr als genug Geld für
den Rest ihres Lebens angehäuft haben,
arbeiten mit großem Elan weiter, um noch mehr
Geld aufzuhäufen.
Fast
niemand legt sich zurück und sagt So,
ich habe genug, ich brauche nicht mehr zu
arbeiten. Warum erwarten wir von Leuten, die
ihre Arbeitswilligkeit unter Bedingungen aufrecht
erhalten, unter denen diejenigen, die sie als
faul betrachten, noch nicht einmal
einen Finger rühren würden, so
grundsätzlich Anderes?
Hinzu
kommt, was heute (endlich) als wichtig entdeckt
wird: Der Sinn, auf Neudeutsch Purpose.
Der Sinn, der Zweck, das Warum tue ich das
eigentlich? wird immer wichtiger.
Wenn
Unternehmen erklären können, warum sie
wichtig sind, wofür sie arbeiten, was sie
ihren Angestellten bieten und die Arbeit
entsprechend gestalten, dann kann sich für
jede nicht automatisierte Tätigkeit auch
jemand finden, der diesen Job machen will und auch
gut machen wird. Kurz und gut: Menschen werden
durchaus arbeiten, weil sie arbeiten, oder
eigentlich: Sinnvolles tun und beitragen
wollen.
Und
was ist mit denjenigen, die das nicht tun werden,
entweder, weil sie es nicht wollen oder nicht
können?
Dasselbe
wie jetzt: sie werden es nicht tun. Das Problem der
Zukunft ist eher, dass Menschen am Arbeitsmarkt
nicht mehr benötigt werden, nicht, dass zu
wenige Menschen arbeiten wollen. Daher, so hart das
klingen mag, werden wir auf die wenigen
tatsächlich Arbeitsunwilligen problemlos
verzichten können. Wir können ja schon
auf sehr viele Arbeitswillige verzichten. Für
diejenigen, die keine Arbeit haben, bringt laut
einem skandinavischen Experiment das Grundeinkommen
nicht höhere Chancen, einen Job zu finden,
sondern bessere psychische (und damit auch
physische) Gesundheit und mehr Wohlbefinden. Mehr
Wohlbefinden für dasselbe Geld klingt doch
allein schon als gutes Argument, oder?
Und,
noch bedeutender: Diese Leute können sich
betätigen.
Ich
weiß aus Erfahrung, und das wurde mir auch
von anderer Seite bestätigt, dass
Arbeitslos-Sein und Arbeitssuche weit mehr Energie
kosten als einer Arbeit nachzugehen. Ständige
Existenzangst verbraucht viel mehr Energie als ein
anstrengender Vierzig-Stunden-Job, sehr viel mehr.
Die frei gewordene Energie kann verwendet werden,
damit sich Menschen künstlerisch
betätigen, in der Unterhaltungsbranche aktiv
werden, Wissenschaft betreiben (ich kenne ziemlich
viele Hobbywissenschaftler, die nach
ihrem Studium einen völlig anderen Brotberuf
suchen mussten und nebenbei unbezahlt Wissenschaft
betreiben), sich unentgeltlich engagieren oder
einfach nur für andere Menschen da sein
können.
Letzteres
ist nicht mit allem Gold dieser Welt aufzuwiegen,
denn a) wiegt Da-Sein gar nichts und b)
ist Gold an und für sich bloß ein
weiches, chemisch inertes Metall mit guten
Stromleitungseigenschaften; Wert wird ihm
bloß zugeschrieben. Für mein
Wohlbefinden ist ein gutes Gespräch sehr viel
wichtiger als ein Goldbarren. Außer
natürlich, es mangelt mir an Grundversorgung,
dann ist der Goldbarren ein nützliches
Tauschmittel.
Zu
guter Letzt möchte ich noch einmal
erwähnen, dass es gerade unter den nur
am Computer hockenden Leuten sehr viele gibt,
die sich aus Interesse Programmierkenntnisse
aneignen und völlig unentgeltlich Spiele
entwickeln, Programme verbessern (Stichwort: Open
Source) oder einander bei Fragen unterstützen.
Wie gesagt: Der Mensch hat den natürlichen
Drang, aktiv zu werden. Sofern es keine
organisierten Programme gibt, ihnen diesen Drang
abzugewöhnen (die derzeit Schule
oder Arbeitsplätze; genannt
werden), werden Menschen aktiv werden und
arbeiten.
Natürlich
muss hier zu Recht erwähnt werden, dass es
motivierende und angenehme Schul- sowie
Arbeitsplätze gibt, glücklicherweise, und
dass langsam das Bewusstsein um sich zu greifen
beginnt, dass Menschen gar nicht faul sind, sondern
die richtigen Bedingungen brauchen, um arbeiten
wollen zu können. (Wie der schöne Spruch
sagt: Die können sollen, müssen wollen
dürfen!) Ich plädiere für
artgerechte Menschenhaltung, nach wie vor. Und dazu
gehört auch ausreichend Muße und
Stabilität im Sinne von Sicherheit.
Zum
Abschluss noch ein sehr schöner Spruch, den
ich irgendwo gelesen habe: Ein Hobby ist etwas, was
man niemals tun würde, wenn man dafür
Geld bekommen würde.
(Was übrigens auch neurobiologisch
bestätigt wurde: Belohnung für etwas zu
bekommen, das aus Spaß getan wird, reduziert
die Motivation.)
Daher:
Menschen werden mit Grundeinkommen genauso
weiterhin tätig sein und auch arbeiten wollen
wie bisher, vermutlich sogar motivierter, kreativer
und engagierter, da entspannter und von
Existenzangst befreit.
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