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G E R D ' s

E L E V E N T Y

. D . E . B .

Cloacina

von Johannes als Wort der Ausgabe

© Die sogenannten „Alten Römer“

 

Dieses Wort entstammt ausnahmsweise keiner kreativen und mehr oder weniger sinnfreien Wortneuschöpfung, sondern der lateinischen Sprache.

Die Bezeichnung war ursprünglich der Name eine etruskischen Gottheit, nämlich der Gottheit der Cloaca Maxima, also des großen Sammelkanals, der sämtliche Abwässer aus der Stadt beförderte. Später wurde diese Gottheit mit einer anderen verschmolzen, die sozusagen deren Aufgaben übernahm, nämlich Venus. Diese bekam daraufhin den bisherigen Namen als Beinamen verpasst und mutierte zur „Venus Cloacina“.

Mit anderen Worten: Ja, die Göttin der Liebe war auch die Göttin des Abwasserkanals. Auf anzügliche Witze wird hier explizit verzichtet.

 

Hochspannend jedoch finde ich, dass die Römer den Kanal für so wichtig hielten, dass sie ihm eine Gottheit zuordneten. Damit hatten sie durchaus nicht Unrecht - auch in unserer Zeit hat die Verbesserung der Hygiene mehr Leben gerettet als die Verbesserung der Medizin, ein nicht zu vernachlässigender Umstand. Wenn man bedenkt, auf welchem Erkenntnisstand sich die römische Medizin befand, war ein funktionierendes Abwassersystem natürlich noch erheblich bedeutender.

Wie sie ausgerechnet auf die Venus kamen, wird mir ewig ein Rätsel bleiben - und das ist vermutlich auch ganz gut so.

 

Was ich jedoch als hochgradig begrüßenswert erachte, ist der Umstand, dass auch „nebensächlichen“, „alltäglichen“ und nicht sehr „glamourösen“ Aspekten des Lebens Bedeutung beigemessen wurde und sie nicht einfach als „unangenehm, da will ich nicht anstreifen“ übergangen wurden. Die Zuordnung einer Gottheit (mit Venus sogar einer der bedeutenderen Gottheiten) zu dem Kanal ist für eine Abwasseranlage eine ziemliche Ehre. Wir können uns schon glücklich schätzen, wenn für eine Abwasseranlage zuständige Menschen nicht allein schon wegen ihrer Zuständigkeit für etwas Unangenehmes verachtet werden - anstatt zu respektieren, dass sie etwas Unangenehmes im Dienste der Allgemeinheit auf sich nehmen.

 

Insofern eine Frage - gäbe es Gottheiten, die wir für unseren Alltag gebrauchen könnten?

Nervosia, Göttin des Nervenzusammenbruchs (zuständig für Arbeit, Verkehr und Onlinebestellungen), böte sich an. Oder Simplifex, Gott der Vereinfachung (zuständig für Werbung und öffentliche Reden); oder wie wäre es einfach mal mit Alterius, Gott des Mitmenschen (völlig vergessene Gottheit ohne real existierende Aufgabengebiete).

 

Ganz im Ernst: Wir nehmen gerade „normale“, „kleine“ Dinge so lange und so oft für selbstverständlich, bis sie fehlen. Beispielsweise setzen sich viele auf einen Sessel, ohne ihn zu schätzen. Bis er einmal kaputt geht und fehlt, dann merken wir, was wir an ihm hatten. In diesem Sinne ist es durchaus gut, wenn wir auch einmal genauer auf Nebensächlichkeiten achten, dadurch stellen wir nämlich leicht fest, dass unser Leben erheblich voller ist (sowohl im Sinne von „erfüllt“ als auch im Sinne von „vollgestopft“), als wir meist denken.

 

Und wir sollten den verachteten, gemiedenen Dingen durchaus auch ihren Wert beimessen. Kanäle sind ihrer Natur nach kein erfreulicher Ort, aber sehr notwendig und hilfreich, ermöglichen sie es doch, andere Orte erfreulich zu halten. Was wir wahrnehmen, können wir schätzen, was wir schätzen, können wir erhalten wollen. Daher ist es Zeit, Dingen (und vor allem Menschen), die vielleicht nicht so großartige, aber dafür umso wichtigere Aufgaben haben, wieder mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegenzubringen.

 

*

Anm.d.Red:

Venus Cloacina erinnert mich an die Menstruation der Frau. Ich finde das schon gut so, dass die Liebe (auch die Göttin der Liebe) zwei Seiten hat.

Jene Cloacina mag nach herkömmlichen Verständnis auch unangenehm sein, ist aber notwendig um anderntags Erfreuliches zu ermöglichen (bzw. zu erhalten) ...

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