Diesen
Buchtipp habe ich nicht ausgewählt, um damit
erzieherisch den Zeigefinger zu heben, sondern
vielmehr, weil ich mich selbst in einigen Aspekten
ertappt fühle.
Aus
der Zusammenarbeit mit Werner Boote, mit dem sie
zusammen das Drehbuch für seinen Film "The
Green Lie" (ab März 2018 in den Kinos)
verfasste, in dem sie auch selbst mitwirkt,
entstand dieses aufrüttelnde
Buch.
.
|
|
Grüne
Lügen - je absurder sie sind,
desto bereitwilliger werden sie
geglaubt.
reenwashing,
also das Bemühen der Konzerne, ihr
schmutziges Kerngeschäft hinter
schönen Öko- und
Sozialversprechen zu verstecken, ist
erfolgreicher denn je. Aber jenseits der
grünen Scheinwelt schreitet die
Zerstörung rapide fort. Laut dem
Global Footprint Network lebt die
Weltbevölkerung derzeit so, als
hätte sie 1,6 Erden zur
Verfügung. Würden alle auf der
Welt so konsumieren, wie es Menschen in
reichen Ländern wie Deutschland tun,
bräuchte es 3,1 Erden, um den
"Bedarf" zu decken.
Der
Verbrauch pflanzlicher, mineralischer und
fossiler Rohstoffe hat sich zwischen 1980
und 2010 von 40 auf 80 Milliarden Tonnen
verdoppelt. Die Artenvielfalt nimmt ab,
Wälder schwinden, Böden
degradieren, Emissionen steigen und der
Hunger wächst. Alle wissen das.
Trotzdem hält Greenwashing jedweder
Aufklärung stand.
Je
gebildeter die Zielgruppe, je
schädlicher das Produkt ist und je
absurder das daran geknüpfte
Öko-Versprechen, je offensichtlicher
also die grüne Lüge ist, desto
eher wird sie geglaubt. Doch die Menschen
wehren sich weltweit gegen die
Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen.
Wie der peruanische Bauer Saúl
Luciano Lliuya, der den Energiekonzern RWE
vor einem deutschen Gericht
verklagt.
Mit
seinem typisch verschmitzten Lächeln
blickt George Clooney in die Kamera, in
der Hand eine Tasse Espresso. Doch der
Hollywoodstar trinkt keinen
gewöhnlichen Kaffee in einem
gewöhnlichen Hollywoodfilm - in fast
schon kultverdächtigen Werbespots
bewirbt er die Kaffeekapseln der Marke
Nespresso. Seit einigen Jahren sind sowohl
die Clooney-Werbefilme als auch die
Kaffeeprodukte äußerst beliebt
- die bunten Aluminiumkapseln mit
dazugehörigen Maschinen und
Accessoires sind in vielen westlichen
Industrieländern fester Bestandteil
morgendlicher Kaffeeroutinen
geworden.
Damit
haben die PR-Strategen von Nespresso laut
der Publizistin Kathrin Hartmann einen
Erfolg auf ganzer Linie produziert - nicht
nur, weil Clooney einer der derzeit
beliebtesten Filmstars ist, sondern auch
so etwas wie das Gewissen der Branche, das
immer wieder auf Missstände in der
Welt hinweist. Clooney verleihe den
umweltbedenklichen Kapseln des
Mutterkonzerns Nestlé so ein
vertrauenswürdiges
Gesicht.
Für
Hartmann ist dies nur ein Beispiel von
äußerst gelungenem Greenwashing
- also der öffentlichkeitswirksamen
Strategie von Unternehmen, ihre Produkte
und Aktivitäten als vermeintlich
nachhaltig, sozial engagiert oder
umweltfreundlich darzustellen:
"Und
so kommt es, dass ein
überflüssiges, überteuertes
Kaffeesystem, das eine Menge Müll
produziert, Ressourcen verschwendet und
Kleinbauern ausbeutet, nicht nur als
ökologisch unbedenklich gelten kann,
sondern sogar als Wohltat für Mensch,
Natur und Klima."
|
.
Die
Autorin klagt nicht nur Nestlé an, auch
viele andere Unternehmen, die sie mit
charakteristisch sarkastischer Schreibe
als, "Ökogranaten" bezeichnet, seien
Meister des Greenwashings. Darunter der
Mineralölkonzern BP, der es nach der Explosion
seiner Bohrplattform Deepwater Horizon im Jahr 2010
fast meisterlich geschafft habe, sich von den
verheerenden Folgen der Katastrophe für Umwelt
und Mensch reinzuwaschen.
Ein
anderes Beispiel für erfolgreiches
Greenwashing sei die Textilindustrie, die sich
dafür feiern lasse, dass sie neuerdings
Bekleidung aus recyceltem Ozeanplastikmüll auf
den Markt bringe. Zum einen verschleiern die
Konzerne damit laut Hartmann die Tatsache, dass
ihnen die natürlichen Rohstoffe ausgehen. Zum
anderen lenkten sie mit gezielter
Grünfärberei davon ab, dass die Branche
mit ihrer Massenherstellung selbst einen Teil der
Meeresverschmutzung zu verantworten
habe:
"Die
beste Ozeanjeans ist also die, die gar nicht erst
hergestellt wird. Diese banale Erkenntnis taugt
kaum für spektakuläre
Weltrettungserzählungen, wie Unternehmen sie
benötigen."
Schuldig
machen sich für Hartmann aber nicht nur
Großkonzerne und ganze Industriezweige,
sondern auch kleine Start-ups, die Probleme hinter
ihrem oft gut gemeinten Sozialunternehmertum
verdeckten.
Die
Autorin kritisiert zudem politische Institutionen
auf globaler und nationaler Ebene, die sich zu
"Handlangern" der Unternehmen machten. Und auch
einige Umweltschutzorganisationen kommen in ihrem
Buch gar nicht gut weg. Der WWF beispielsweise
beteilige sich am Übertünchen
systematischen Raubbaus an der Natur, so Hartmann,
indem er dabei helfe, problematische Siegel
für problematische Rohstoffe zu
vergeben.
Den
Konsumenten wird immer wieder vorgegaukelt, dass
man die Welt retten kann. Man muss nur
ökologische, faire Produkte kaufen,
nachhaltige Produktionen fördern.
Das Buch ist ein ernüchternder Streifzug durch
die Wirtschaftswelt von heute. Obwohl
Nachhaltigkeit und Sustainability angepriesen
werden, steht letztlich die Gewinnmaximierung an
oberster Stelle.
Darum hat auch Mutter Erde von dem grünen
Fortschritt noch nichts mit bekommen.
Sind
all die schönen Erfolgsmeldungen bloße
Erfindungen? Denn werbewirksam wird uns alles, was
erwiesenermaßen umweltschädlich ist, als
nachhaltig und klimaschonend verkauft: Flugreisen,
Pelzmäntel, Gentechnik, Kohlekraft, sogar
Formel-I- Autorennen. So erklärt etwa Kathrin
Hartmann, dass es halt kein nachhaltiges
Palmöl gibt, weil es nur dort wächst, wo
vorher Regenwald war.
Allerdings
macht andererseits der linke Intellektuelle Noam
Chomsky, US-Professor für Linguistik, doch
wieder ein bisschen Hoffnung:
Es gibt gute Ansätze - akzeptieren Sie
diese, aber lehnen Sie die Propaganda ab.
Viele
der von Hartmann berichteten Fälle
dürften informierten Lesern zwar bekannt sein.
Aber genau hier setzt eine starke These Hartmanns
an:
Viele - vor allem gut gebildete - Verbraucher
wüssten zwar um die globalen Missstände,
richteten sich aber lieber mit den grünen
Lügen ein:
"Greenwashing
funktioniert auch deshalb so gut, weil
Angehörige westlicher Konsumgesellschaften
gerne hören, dass alles so weitergehen kann
wie bisher, ja, dass ihr überbordender
Lebensstil selbst es sein könnte, der
dafür sorgt, die Welt besser zu
machen."
Dieser
Irrglaube an den sogenannten "ethischen Konsum" und
angeblich nachhaltige Technologie führt, der
Autorin zufolge, auch dazu, dass sich unsere
Gesellschaften weiter spalten - in diejenigen, die
zwar ein hohes Umweltbewusstsein, aber gleichzeitig
sehr oft auch einen hohen Ressourcenverbrauch
hätten, und diejenigen, die sich den
vermeintlich grünen Lebensstil nicht leisten
könnten. Das kritisiert die Autorin
scharf:
"Denn
erstens wird aus einzelnen Einkaufsentscheidungen
zwischen verschiedenen vermeintlich grünen
Massenprodukten kein kollektives Ganzes, sondern
höchstens ein privates gutes Gewissen.
Zweitens tötet es jede Solidarität, wenn
der Einzelne in einen moralischen Wettbewerb gegen
den Nächsten geschickt wird, in dem der
gute auf den bösen
Verbraucher zur eigenen moralischen Erhebung mit
dem Finger zeigt."
Wenig
überraschend plädiert die Autorin in
ihrem Buch dafür, den Kapitalismus als Ganzes
zu bekämpfen, der die grünen Lügen
systematisch hervorbringe.
Kathrin
Hartmanns Die grüne Lüge
ist am 12.02.2018 im Karl Blessing Verlag
erschienen, umfasst 240 Seiten und ist unter der
ISBN 978-3-89667-609-2 um EUR 15,50 im Buchhandel
erhältlich.
|