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G E R D ' s

E L E V E N T Y

W I E . G E H T ' S ?

Thomas Buchtipp

Diesen Buchtipp habe ich nicht ausgewählt, um damit erzieherisch den Zeigefinger zu heben, sondern vielmehr, weil ich mich selbst in einigen Aspekten ertappt fühle.

Aus der Zusammenarbeit mit Werner Boote, mit dem sie zusammen das Drehbuch für seinen Film "The Green Lie" (ab März 2018 in den Kinos) verfasste, in dem sie auch selbst mitwirkt, entstand dieses aufrüttelnde Buch.
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Grüne Lügen - je absurder sie sind, desto bereitwilliger werden sie geglaubt.

reenwashing, also das Bemühen der Konzerne, ihr schmutziges Kerngeschäft hinter schönen Öko- und Sozialversprechen zu verstecken, ist erfolgreicher denn je. Aber jenseits der grünen Scheinwelt schreitet die Zerstörung rapide fort. Laut dem Global Footprint Network lebt die Weltbevölkerung derzeit so, als hätte sie 1,6 Erden zur Verfügung. Würden alle auf der Welt so konsumieren, wie es Menschen in reichen Ländern wie Deutschland tun, bräuchte es 3,1 Erden, um den "Bedarf" zu decken.

Der Verbrauch pflanzlicher, mineralischer und fossiler Rohstoffe hat sich zwischen 1980 und 2010 von 40 auf 80 Milliarden Tonnen verdoppelt. Die Artenvielfalt nimmt ab, Wälder schwinden, Böden degradieren, Emissionen steigen und der Hunger wächst. Alle wissen das. Trotzdem hält Greenwashing jedweder Aufklärung stand.

Je gebildeter die Zielgruppe, je schädlicher das Produkt ist und je absurder das daran geknüpfte Öko-Versprechen, je offensichtlicher also die grüne Lüge ist, desto eher wird sie geglaubt. Doch die Menschen wehren sich weltweit gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen. Wie der peruanische Bauer Saúl Luciano Lliuya, der den Energiekonzern RWE vor einem deutschen Gericht verklagt.

 

Mit seinem typisch verschmitzten Lächeln blickt George Clooney in die Kamera, in der Hand eine Tasse Espresso. Doch der Hollywoodstar trinkt keinen gewöhnlichen Kaffee in einem gewöhnlichen Hollywoodfilm - in fast schon kultverdächtigen Werbespots bewirbt er die Kaffeekapseln der Marke Nespresso. Seit einigen Jahren sind sowohl die Clooney-Werbefilme als auch die Kaffeeprodukte äußerst beliebt - die bunten Aluminiumkapseln mit dazugehörigen Maschinen und Accessoires sind in vielen westlichen Industrieländern fester Bestandteil morgendlicher Kaffeeroutinen geworden.

Damit haben die PR-Strategen von Nespresso laut der Publizistin Kathrin Hartmann einen Erfolg auf ganzer Linie produziert - nicht nur, weil Clooney einer der derzeit beliebtesten Filmstars ist, sondern auch so etwas wie das Gewissen der Branche, das immer wieder auf Missstände in der Welt hinweist. Clooney verleihe den umweltbedenklichen Kapseln des Mutterkonzerns Nestlé so ein vertrauenswürdiges Gesicht.

Für Hartmann ist dies nur ein Beispiel von äußerst gelungenem Greenwashing - also der öffentlichkeitswirksamen Strategie von Unternehmen, ihre Produkte und Aktivitäten als vermeintlich nachhaltig, sozial engagiert oder umweltfreundlich darzustellen:

"Und so kommt es, dass ein überflüssiges, überteuertes Kaffeesystem, das eine Menge Müll produziert, Ressourcen verschwendet und Kleinbauern ausbeutet, nicht nur als ökologisch unbedenklich gelten kann, sondern sogar als Wohltat für Mensch, Natur und Klima."

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Die Autorin klagt nicht nur Nestlé an, auch viele andere Unternehmen, die sie mit charakteristisch sarkastischer Schreibe als, "Ökogranaten" bezeichnet, seien Meister des Greenwashings. Darunter der Mineralölkonzern BP, der es nach der Explosion seiner Bohrplattform Deepwater Horizon im Jahr 2010 fast meisterlich geschafft habe, sich von den verheerenden Folgen der Katastrophe für Umwelt und Mensch reinzuwaschen.

Ein anderes Beispiel für erfolgreiches Greenwashing sei die Textilindustrie, die sich dafür feiern lasse, dass sie neuerdings Bekleidung aus recyceltem Ozeanplastikmüll auf den Markt bringe. Zum einen verschleiern die Konzerne damit laut Hartmann die Tatsache, dass ihnen die natürlichen Rohstoffe ausgehen. Zum anderen lenkten sie mit gezielter Grünfärberei davon ab, dass die Branche mit ihrer Massenherstellung selbst einen Teil der Meeresverschmutzung zu verantworten habe:

"Die beste Ozeanjeans ist also die, die gar nicht erst hergestellt wird. Diese banale Erkenntnis taugt kaum für spektakuläre Weltrettungserzählungen, wie Unternehmen sie benötigen."

Schuldig machen sich für Hartmann aber nicht nur Großkonzerne und ganze Industriezweige, sondern auch kleine Start-ups, die Probleme hinter ihrem oft gut gemeinten Sozialunternehmertum verdeckten.

Die Autorin kritisiert zudem politische Institutionen auf globaler und nationaler Ebene, die sich zu "Handlangern" der Unternehmen machten. Und auch einige Umweltschutzorganisationen kommen in ihrem Buch gar nicht gut weg. Der WWF beispielsweise beteilige sich am Übertünchen systematischen Raubbaus an der Natur, so Hartmann, indem er dabei helfe, problematische Siegel für problematische Rohstoffe zu vergeben.

 

Den Konsumenten wird immer wieder vorgegaukelt, dass man die Welt retten kann. Man muss nur ökologische, faire Produkte kaufen, nachhaltige Produktionen fördern.
Das Buch ist ein ernüchternder Streifzug durch die Wirtschaftswelt von heute. Obwohl Nachhaltigkeit und Sustainability angepriesen werden, steht letztlich die Gewinnmaximierung an oberster Stelle.
Darum hat auch Mutter Erde von dem grünen Fortschritt noch nichts mit bekommen.

Sind all die schönen Erfolgsmeldungen bloße Erfindungen? Denn werbewirksam wird uns alles, was erwiesenermaßen umweltschädlich ist, als nachhaltig und klimaschonend verkauft: Flugreisen, Pelzmäntel, Gentechnik, Kohlekraft, sogar Formel-I- Autorennen. So erklärt etwa Kathrin Hartmann, dass es halt kein nachhaltiges Palmöl gibt, weil es nur dort wächst, wo vorher Regenwald war.

Allerdings macht andererseits der linke Intellektuelle Noam Chomsky, US-Professor für Linguistik, doch wieder ein bisschen Hoffnung:
„Es gibt gute Ansätze - akzeptieren Sie diese, aber lehnen Sie die Propaganda ab.“

 

Viele der von Hartmann berichteten Fälle dürften informierten Lesern zwar bekannt sein. Aber genau hier setzt eine starke These Hartmanns an:
Viele - vor allem gut gebildete - Verbraucher wüssten zwar um die globalen Missstände, richteten sich aber lieber mit den grünen Lügen ein:

"Greenwashing funktioniert auch deshalb so gut, weil Angehörige westlicher Konsumgesellschaften gerne hören, dass alles so weitergehen kann wie bisher, ja, dass ihr überbordender Lebensstil selbst es sein könnte, der dafür sorgt, die Welt besser zu machen."

Dieser Irrglaube an den sogenannten "ethischen Konsum" und angeblich nachhaltige Technologie führt, der Autorin zufolge, auch dazu, dass sich unsere Gesellschaften weiter spalten - in diejenigen, die zwar ein hohes Umweltbewusstsein, aber gleichzeitig sehr oft auch einen hohen Ressourcenverbrauch hätten, und diejenigen, die sich den vermeintlich grünen Lebensstil nicht leisten könnten. Das kritisiert die Autorin scharf:

"Denn erstens wird aus einzelnen Einkaufsentscheidungen zwischen verschiedenen vermeintlich grünen Massenprodukten kein kollektives Ganzes, sondern höchstens ein privates gutes Gewissen. Zweitens tötet es jede Solidarität, wenn der Einzelne in einen moralischen Wettbewerb gegen den Nächsten geschickt wird, in dem der ‚gute‘ auf den ‚bösen‘ Verbraucher zur eigenen moralischen Erhebung mit dem Finger zeigt."

Wenig überraschend plädiert die Autorin in ihrem Buch dafür, den Kapitalismus als Ganzes zu bekämpfen, der die grünen Lügen systematisch hervorbringe.

 

Kathrin Hartmanns „Die grüne Lüge“ ist am 12.02.2018 im Karl Blessing Verlag erschienen, umfasst 240 Seiten und ist unter der ISBN 978-3-89667-609-2 um EUR 15,50 im Buchhandel erhältlich.

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