von
Dr. Johannes Klietmann
Es
ist ein hochinteressantes Phänomen in der
Natur, dass Symbiose oft gerade bei
Nährstoffarmut besonders beachtliche
Ausmaße annehmen kann. Aber bevor wir direkt
in medias res gehen, sollte ich (Johannes)
vielleicht noch erklären, worüber wir
hier überhaupt reden. Immerhin bedeutet
"Symbiose" lediglich "Zusammenleben", und da gibt
es - wie wir alle aus leid- und freudvoller
Erfahrung wissen, die verschiedensten
Möglichkeiten. Und die Wissenschaft hat
natürlich für jede davon einen
schönen, fremdartig klingenden
Namen.
Im
bekanntesten Fall dient eine Symbiose dem
beiderseitigen Vorteil. Ein schönes Beispiel
sind der afrikanische Honigzeiger - ein kleiner
Vogel - und der Honigdachs. Der Vogel findet
Bienenstöcke, kann sie aber nicht öffnen.
Der Dachs kann den Bienenstock öffnen, ist
aber nicht in der Lage, ein großes Gebiet
abzusuchen. Daher zeigt der Vogel dem Dachs, wo es
Honig zu holen gibt. Der Dachs öffnet den
Bienenstock und beide bekommen Honig ab. Somit ist
es ein wunderschönes "Gemeinschaftswerk zweier
Egoisten", von denen jeder vom anderen profitieren
möchte. In der Fachsprache nennt sich so etwas
Mutualismus, also auf gegenseitigem Vorteil
beruhende Partnerschaft. Weitere Beispiele sind
Bäume, die mit chemischen Stoffen parasitische
Wespen herbeirufen, wenn sie von Raupen angegriffen
werden, oder die Ameisen eine Heimstatt bieten -
oft sogar Nahrung -, damit die Ameisen den Baum
gegen dessen Fressfeinde verteidigen. Ein letztes
Beispiel noch: Es gibt im Meer verschiedene
Krabben- oder Krebsarten, die sich mit Seeanemonen
zusammentun und diese herumschleppen. Die
Krustentiere werden von ihren giftigen Partnern
geschützt, während die Seeanemonen mit
Nahrung versorgt werden, an die sie wegen ihrer
Unfähigkeit, weitere Strecken
zurückzulegen, sonst niemals herangekommen
wären.
Die
zweite Art der Symbiose ist der Amensalismus, bei
dem die Präsenz einer Art die andere Art
stört oder verdrängt, während die
zweite Art keinerlei Auswirkungen auf die erste
hat. Ein Beispiel wären Wildschweine, die aus
einer Lacke eine Suhle machen und dabei das Habitat
von Urzeitkrebsen zerstören. Für die
Urzeitkrebse bedeutet das den Tod, die Wildschweine
bekommen gar nichts mit. Die nächste Variante
ist der Kommensalismus, das Gegenteil der
vorangegangenen Variante: Art A hat positive
Auswirkungen auf Art B, während Art A von Art
B nicht profitiert. Als mögliches Beispiel
gibt es Wasservögel, die in ihrem Gefieder die
Eier von Muscheln oder anderen Wasserorganismen von
einem Teich zum anderen befördern, ohne selbst
davon etwas mitzubekommen; oder Gnus, die Insekten
aufscheuchen, die dann ihrerseits von Vögeln
gefressen werden. Die, neben dem Mutualismus,
einzige allgemein bekannte Art des Zusammenlebens
ist der Parasitismus: Eine Art profitiert von der
anderen, schädigt diese aber dadurch. Als
Beispiel hierfür lassen sich sämtliche
lästigen Blutsauger im Insektenreich (und
Milbenreich) anführen. Ko- und Amensalismus
sind gewissermaßen "Zufall" und geschehen
unwissentlich. Da gibt es wieder erstaunliche
Parallelen zu unseren eigenen Beziehungen, denn
derartiges kann unter Menschen bei fehlender
Aufmerksamkeit vorkommen; dann existiert kein Bezug
zueinander, obwohl dieser er einseitig durchaus
gegeben sein kann. Bei der Beziehung stellt sich
die Frage, ob sich das Verhalten nach Information
ändert.
Typischerweise
sind unter schwierigen Lebensbedingungen weniger
Arten, aber jeweils mehr Individuen dieser Arten
anzutreffen.
Allerdings
sind Beziehungen oft tatsächlich weniger
uneigennützig, als tatsächlich
angenommen. Ein Forscher sagte mal, er würde
sein Leben "für zwei Brüder oder acht
Cousins opfern". Dieses Verhalten nennt sich "kin
selection", also Selektion von jemandem, der
zumindest Teile meiner Gene weitergibt. Im Grunde
helfe ich jemandem, damit er mich
gewissermaßen "mitnimmt"; es ist
gewissermaßen die Suche nach
Verbündeten.
Es
gibt natürlich massenhaft alltägliche,
lebensnotwendige Symbiosen: Säugetiere
können nämlich im Allgemeinen keine
Zellulose verdauen, brauchen also eine Darmflora
aus Bakterien, die ihnen dabei helfen. Es ist
unmöglich, alles allein zu schaffen - kommt
einem doch auch bekannt vor, nicht wahr?
Blattschneiderameisen haben sogar eine besonders
komplizierte Symbiose geschafft: Sie ernten jede
Menge Pflanzen und transportieren die Blätter
in ihr Nest. Dort werden die Blätter aber
keinesfalls gefressen, sondern ein Pilz auf ihnen
gezüchtet. Dieser Pilz wird dann - nein, er
wird nicht gefressen, sondern nur seine
Fruchtkörper.
Wenn
ein bestimmtes Verhalten das Überleben
bestimmt, dann wird es über die Jahrhunderte
auch seine Spuren im Aufbau des Körpers
hinterlassen, da besonders gut angepasste
Individuen eher überleben können. Eines
der unbekannteren Beispiele hierfür ist das
der "Spermienkonkurrenz". Der Hintergedanke ist,
dass bei häufig wechselnden Partnern eines
Weibchens derjenige die besten Chancen hat, seine
Gene weiterzugeben, der die meisten Spermien ins
Rennen schickt. Aus dem
Größenverhältnis der Hoden zum
Körpergewicht lassen sich somit
Rückschlüsse auf die Spermienkonkurrenz
ziehen. Gorillas haben zum Beispiel
verblüffend kleine Hoden für ihre
Körpergröße - weil sie eben keine
Konkurrenz fürchten müssen. Schimpansen
dagegen haben erheblich größere Hoden in
Relation zur Körpergröße. Und der
Mensch? Nun, aus dem Vergleich ergibt sich, dass er
für grundsätzliche Monogamie mit
gelegentlichem Seitensprung ausgestattet zu sein
scheint - was tief blicken lässt.
Symbiose
ist oft ein Tauschhandel, wie bereits festgestellt.
Schutz wird gegen Nahrung geboten - wie er
Ameisenbaum und seine Insektenwächter, der
Krebs und seine Seeanemone. Natürlich ist in
der Natur keine entsprechende Abmachung getroffen
worden. Der Mensch hat daher den Vorteil, die
Abmachungen entsprechend den Gegebenheiten zu
verändern.
Es
gibt allgemeinere und spezielle Partnerschaften.
Putzerfische oder Madenhackervögel haben
verschiedenste "Klienten"; sie fressen Parasiten
von verschiedenen Fischen oder Säugetieren,
die sich allesamt an die "Regeln" ihrer Helfer
halten. Krokodile erlauben sogar, dass sich die
kleinen Vögel in ihrem Maul bedienen. Für
diese bietet das natürlich jede Menge Nahrung.
Manchmal jedoch sind zwei Partner derartig
aufeinander abgestimmt, dass sie ohneeinander nicht
mehr existieren können. So konnte ein
bestimmter Baum beinahe nicht gerettet werden -
seine Samen konnten nur keimen, wenn er den
Verdauungstrakt der Dronte, eines mittlerweile
ausgerotteten Taubenvogels, passiert hatte (zum
Glück für den Baum funktioniert es auch
mit Truthähnen). Sehr oft sind Blüten
oder Früchte speziell darauf eingerichtet, von
bestimmten Tieren befruchtet zu werden bzw. die
Samen verteilen zu lassen. Manche Tiere - oder auch
Pflanzen - üben sich in der hohen Kunst der
Mimikry, was bedeutet, dass sie wie
gefährliche Wesen aussehen, obwohl sie es
nicht sind. Auch in der Tierwelt gibt es also den
Bluff oder die Täuschung - oder gemeinere
Tricks. Der Coca-Strauch enthält das nach ihm
benannte Kokain als Insektengift. Eine Raupe jedoch
ist in der Lage, die Blätter trotzdem zu
fressen. Sie scheidet das Gift im Kot wieder aus,
den sie als Kügelchen mit sich
herumträgt. Wird sie von Ameisen angegriffen,
bietet sie ihnen das Kügelchen zum
Hineinbeißen an. Das Ergebnis? Ameisen, die
komplett high sind und damit
jagdunfähig.
Während
wir es gewohnt sind, das Leben als Konkurrenzkampf
zu sehen, als ein aktives oder passives
Gegeneinander, so ist dies oft nur dort
möglich, wo es zwar von etwas weniger gibt,
als alle brauchen würden, aber doch zumindest
kein Mangel an allem herrscht. Um dieser Konkurrenz
auszuweichen, dürfte übrigens die
Vielfalt in der Natur entstanden sein - je
unterschiedlichere Ressourcen genutzt werden, desto
geringer die Konkurrenz, desto mehr können von
denselben Ressourcen leben. In Gegenden absoluten
Mangels können oft nur noch miteinander Tiere
und Pflanzen überleben, sodass sich genau dort
besonders intensive Symbiosen bilden. Erst, wenn
sie auch allein leben können, ist exzessive
Konkurrenz überhaupt möglich. Eine der
ewigen Fragen ist natürlich, wie sich solche
Symbiosen herausbilden konnten. Ein schönes
Beispiel ist ein winziger Frosch, der im Bau einer
Tarantel lebt und deren Eier von Schädlingen
freihält. Die Spinne frisst ihn nicht, obwohl
er ansonsten genau in ihr Beuteschema passen
würde. Wie konnte dies beginnen? Wie konnte
die Blattlaus-Zucht der heimischen Ameisen oder
auch die Pilzzucht der Blattschneiderameisen
anfangen?
Nun,
manchmal kann so etwas tatsächlich erstaunlich
schnell gehen. In einem Eck von Japan hat es sich
eingebürgert, dass Delfine und Menschen
gemeinsam auf die Jagd nach Fischen gehen. Die
Delfine sind nicht dressiert oder gar gezähmt,
sie sind es nur gewohnt, mit den Menschen als
freiwillige und gleichberechtigte Partner
zusammenzuarbeiten. Teilweise geht es recht rasch -
üblicherweise wird ein Tier, zumindest ein
Säugetier, jemanden, der es füttert oder
neben dem es geschlafen hat, fortan als Freund
betrachten. So kann eine Symbiose, zumindest eine
auf Verhalten beruhende, sich vielleicht
tatsächlich erstaunlich rasch
herausbilden.
Interessanterweise
leben Organismen eher dort gemeinsam, wo sie allein
nicht leben können. Gerade unter schlechten
Bedingungen bilden sich oft spektakuläre oder
ungewöhnliche Gemeinschaften. Beispiele
hierfür sind Flechten - Organismen, die aus
einem Pilz und Algen bestehen. Der Pilz ist in der
Lage, Wasser und Nährstoffe zu Nährstoffe
zu gewinnen, die Alge kann damit Photosynthese
betreiben. Keiner der beiden Partner wäre in
der Lage, allein zu überleben; gemeinsam sind
sie in der Lage, einen Organismus zu bilden, der an
selbst an besonders lebensfeindlichen Orten
existieren kann, wo andere Pflanzen oder Pilze
nicht existieren könnten. Hierzu gibt es einen
interessanten Trend unter Menschen: Arme tendieren
eher dazu, einander zu helfen und ihren Besitz zu
teilen als Reiche
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