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G E R D ' s

E L E V E N T Y

T A Ì . 1 2 / 13

Sofortness

Wort der Ausgabe

© Peter Glaser, soweit mir (Johannes) bekannt ist.

 

Peter Glaser ist Schriftsteller und hat der Welt das seither recht beliebte Wort "Sofortness" geschenkt, mit dessen deutsch-englischer Formung er es vollbrachte, ein Lebensgefühl in ultimativer Kürze zu beschreiben.

Denn ganz genau das ist sie - ein Lebensgefühl. Das Gefühl, das auf einen Reiz eine Reaktion zu erfolgen habe, und zwar sofort. Jetzt. Nicht in einem Augenblick, sondern so jetzt wie nur irgend möglich. Im Internet geht das ja auch so halbwegs, zumindest in manchen Bereichen wie Chats. Leider beginnen wir, süchtig danach zu werden.

Wir schalten den Computer ein und beschweren uns nach einer Minute, dass die Maschine viel zu langsam ist. Eine Minute - das ist gar nichts. Ein Glas Wasser holen und trinken dauert deutlich länger. Aber da die Reaktion nicht unmittelbar erfolgt ist, gilt sie nicht als sofort genug. Dementsprechend beginnen wir als Gesellschaft, auf alles zu reagieren. Wir wollen etwas wissen? Wir gehen mit dem Smartphone ins Internet, dann wissen wir es sofort. Vermutlich mit einem Haufen Fehl- oder Halbinformation belastet, ohne Hintergrundwissen oder Ahnung. Aber wir wissen alles, was wir brauchen, denn wir wollen es ja sofort verwenden. Und dann sofort wieder vergessen.

Wir sehen jedoch nur die helle Seite der Sache. Die dunkle Seite ist, dass alles, was wir sofort haben wollen, von uns auch sofort bereitgestellt werden muss.
Mit anderen Worten: Wenn wir eine Bestellung sofort haben wollen, müssen wir sie auch sofort liefern oder herstellen. Damit entsteht ein eigenartiger Kreislauf: Wir werden, als Gesellschaft, immer ungeduldiger und halten den erhöhten Zeitdruck nicht mehr aus - begreifen aber nicht, dass unsere Unfähigkeit zu warten diesen Druck auslöst. Wie heißt es so schön? Kapitalismus ist die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Im Kommunismus ist es umgekehrt.

 

Der Punkt ist also, dass wir zwar alles sofort wollen, aber - notwendigerweise - es nicht ertragen, alles sofort machen zu müssen. Gab es nicht in letzter Zeit einen riesigen Haufen an Werken zum Thema Wiederentdeckung der Langsamkeit? Das ist in unserer schnelllebigen Zeit natürlich schon längst wieder vergessen worden, denke ich.

Natürlich ist es angenehm, etwas sofort zu bekommen. Die Fähigkeit, die andere Seite zu sehen, nehmen wir uns ja mit immer größerer Konsequenz: Ich sehe niemanden, der Websites im Internet herstellt und wartet, damit ich immerzu darauf zugreifen kann. Wenn ich etwas im Internet bestelle, sehe ich niemals jemanden, der mir etwas schickt. Ich kann leicht Druck ausüben, denn ich sehe ja nicht, dass es kein "worauf", sondern ein "auf wen" als Objekt benötigt. Zum Glück kann ich mich über den Druck auf mich selbst aufregen, da habe ich eine Möglichkeit, mich zu beruhigen.

Nun, wir wollen die Welt doch auch besser machen, das ist ein großes gemeinsames Merkmal all jener Gruppen, Grüppchen und Interessensgemeinschaften, deren liebstes Hobby es nach wie vor ist, sich darüber zu streiten, was eigentlich besser ist - und ob nicht das, was die andere Gruppe für das Beste hält, in Wirklichkeit das Schlimmste ist, was sich denken lässt, sodass die Vereinigung im Streit gegeneinander die einzige ist, die wir haben. Also, beginnen wir, den Druck rauszunehmen und die Welt besser zu machen. Aber sofort!

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