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Schon
vor zwei Jahren war ich von einem Wiener
Umgebungsplan, welcher im Büro eines
Nachbarreferates aufgehängt war,
fasziniert. Es war eine für mich
zunächst ungewohnte Sicht auf die
Landschaft, und zwar weniger wegen der
Darstellungart (weil seit meiner
Hauptschulzeit beschäftige ich mich
mit Landkarten) als vielmehr wegen dem
Ausschnitt der Landschaft.
Diese
Karte von bereits 2005 zeigt die
Twin City Region
Wien-Bratislava, und auch das Marchfeld,
sowie das Nordburgenland mit Eisenstadt
und dem Neusiedler See. Leider sind am
Cover (siehe Bild) noch die Landesgrenzen
dargestellt, aber am Plan selbst sind sie
zwar durch Strichlinien eingezeichnet,
aber nicht mehr so
hervorgehoben.
Dieser
Plan stellt für mich genau den
richtigen Blick dar, denn er zeigt etwas
Ungewohntes, aber doch Vorhandenes, vor
allem die Nähe einer Stadt, welche
ich noch nie besucht habe. Mit der Twin
City Line werden sie ab Frühjahr
wieder mit einer Schifffahrtslinie
verbunden sein.
Ich
sehe darin, wie einfach es sein kann, den
richtigen Blickwinkel darzustellen und
vielleicht dann auch zu bekommen. Wir
sehen zwei Nachbarsstädte wie
eigentlich oft in Europa: z.B. Kopenhagen
und Malmö, Helsinki und Tallin. Darin
sehen wir ja ein Stück Europa,
nämlich eine Nachbarschaft ohne
Grenzen, und wenn es
natürliche Grenzen sind,
können sie überbrückt
werden. In unserem Fall
verbindet
sogar die Mutter Natur mit einem Strome
die beiden Nachbarn. Dieser Strom, dem ein
weltberühmter Walzer gewidmet ist,
fließt nicht zum Atlantik, und das
ist auch noch neu in Europa !
Hier
sehen wir einen Beitrag Österreichs
für Europa: Ein Blick, wie er
eigentlich schon immer möglich war.
Neu ist dabei, das mal ohne Grenzen zu
empfinden. Ein mitteleuropäisches
Gegenstück zur Berliner
Mauer ist gefallen. Noch nicht in
unseren Herzen.
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Nachbarschaften
im Glauben
Als
Villacher aus einem anderen Dreiländereck
Mitteleuropas erlaube ich mir dieses Bild vom
richtigen Blickwinkel auch für den
interreligiösen Dialog heran zu ziehen.
Auch hier gibt es einen Beitrag Österreichs
für Europa, nämlich in der Anerkennung
der Muslime als gleichwertige Glaubensgemeinschaft
schon vor knapp hundert Jahren (1912).
Unser
Wiener Hauskreis konnte dies mal in der
evangelischen
Hochschulgemeinde
im neu renovierten Albert-Schweitzer
Haus
in Wien ausprobieren. Denn dort trafen sich, in
Österreich, zwei etwa gleich große
Minderheiten - nämlich Protestanten mit
Muslimen.
Es
handelte sich dabei um die MJÖ
(muslimische Jugend
Österreich)
mit hier in Österreich Geborenen, die dritte
Generation nach der Einwanderung. Bekannt ist die
MJÖ z.B. durch ihre
Fatima-Projekte als
Qualitätsoffensive junger Musliminnen, welche
u.a. von der Stadt Wien, dem BM für Gesundheit
Familie und Jugend, sowie von der Fachhochschule
des BFI Wien mitgetragen wurde.
Schon
an Hand dieses Projektes sehen wir die Rolle der
Frauen im Dialog, weil die wohl
überkonfessionell sehr ähnliche Problem-
und Fragestellungen haben. So waren alle Besucher
der MJÖ in der EHG, bis auf einen,
Frauen.
Eigentlich
hatte ich schon aus diesem Grund einen etwas
anderen Abend der Begegnung
vorgestellt. Denn die erste Hälfte bestand nur
aus einer Präsentation von Gegenbeweisen zu
Behauptungen, die niemand in der EHG formuliert
hatte. Dass sich die MJÖ und die in
Österreich geborenen Musliminnen über die
Vorurteile von Populisten und Müll-Zeitung
ärgern, ist zwar schon verständlich, aber
sie gingen damit nicht auf ihrem Kontext im Hier
und Jetzt ein.
Das
Wir sind nicht so ... braucht in der
EHG nicht bewiesen zu werden, weil niemand hier
diese Vorurteile hat. So wirkte die
Präsentation des MJÖ und ihrer so
großartigen Projekte und Reisen etwas
abgespult, überhaupt nicht auf uns,
sondern bestenfalls auf ein virtuelles Publikum der
eigenen Bilder, eingehend.
Sie
kritisieren Vorurteile und praktizieren doch das
gleiche ! Und trotzdem ist das interessant, weil es
eine andere Aussage bestätigt:
Der
Gläubige ist der Spiegel des
Gläubigen
(von Muhammad,
).
Dies
umsomehr, weil ich in diesem Zusammenhang auch
gelesen habe, dass einem jenes am anderen Menschen
stört, was man an sich selbst gerne ausblendet
und verdrängt.
Nach
den Selbstgesprächen blitzte in der zweiten
Hälfte des Abends doch etwas von der Religion
der MJÖ durch. Immerhin treten da gute
Vorsätze zu Tage. So wird zwischen Religion
und der Tradition unterschieden, und was das
Kopftuch angeht - solche Debatten dürften in
Europa momentan wohl unvermeidlich sein - haben die
Frauen die Freiheit zu entscheiden, weil dies, wenn
es nicht selbst gewollt wird, nicht vom Gott (dem
Erhabenen) angenommen werden würde. Denn es
gibt keinen Zwang im Glauben.
Ob
die MJÖ ihre Ideale (welche sich
interessanterweise mit meinen Reflexionen
über den
Islam
decken) auch lebt, konnte auch in der zweiten
Hälfte des Abends noch nicht nachempfunden
werden.
Ausblenden
der (Um-)Welt
Obwohl
sich die MJÖ überhaupt nicht für uns
(dem Gastgeber) oder für ihre Entsprechung bei
uns Evangelischen interessiert, konnten wir
immerhin ein paar Fragen stellen.
Die Antworten darauf waren einfach zu
schön, um wahr zu sein:
Gelehrte,
die Wissen verfälscht weitergeben - wie etwa
in Kairo - gibt es nicht, denn die Anwesenden mit
ägyptischen Wurzeln hier kennen keinen
solchen.
Auch
kennen sie niemanden, der vom Islam ausgetreten
ist, also gibt es so etwas auch nicht !
Was
soll ich dazu sagen ? Ich hatte bislang und auch
heute noch keinen einzigen Muslim in meinem
Bekannten- oder Freundeskreis.
Existieren die Muslime also gar nicht ? Der Islam -
nur eine schöne Vorstellung ?!
Glücklicherweise
hatten wir am nächsten Tag unser
Hauskreistreffen, denn die Gottergebenheit
ist
(für mich) zu schön, um nur eine
Vorstellung zu
sein.
In
unserem Kreis holten wir, zumindest mal für
uns selber, nach, was uns im Dialog
eigentlich gefehlt hat, und auf was die MJÖ
eigentlich selbst hätte kommen und
erwähnen können.
Als
erstes sind wir wieder auf den Blick zurück
gekommen. Wenn ich meinen Blick von der gewohnten
Mitte lasse und auf Reisen gehe, kommt etwas
anderes in mein Blickfeld - wie etwa am Plan der
TwinCity Region. Ich muss also von mir selber
lassen können, um auf etwas anderes, eben auf
meine Umgebung zu kommen. Im Plan ist keine Stadt
im Mittelpunkt und doch nicht
abgeschnitten.
Demnach
hat uns gewundert, warum der
offene Brief und Aufruf von religiösen
Führer der Muslime an jene des
Christentums
(in PDF)
von
Oktober 2007 - das ist also noch nicht lange her -
nicht erwähnt wurde und es keine Gelegenheit
gab darauf zu kommen.
In
unserem Treffen, das auch im Themenrahmen Dir
geschehe wie Du glaubst stattfand, meinten
wir, dass man nicht belehrend und missionarisch
auftreten sollte. Ein Mensch im Glauben darf sich
ja durch seinen Glauben im Gottvertrauen sicher
fühlen, doch sind auch Richtigkeiten
individuell. Das ist zum einen schön, weil das
eine konkrete Liebe ausdrückt und zum anderen
macht es einem auch seine Endlichkeit bewusst, denn
alles Wissen ist Stückwerk.
Daher
soll jeder die Erwählung der anderen in seiner
Art anerkennen.
Neben
dem Wissen über die eigene Religion
erwähnen wir auch die Wichtigkeit
Selbstverständlichkeiten zu reflektieren und
zu erklären. Dabei wird die gegenseitige
Klärung des Vokabulars und Begriffen der
jeweiligen Religion notwendig sein. Definitionen
des ein und desselben formalen Begriffes
können unterschiedlich sein. Kulturell
unterschiedliche Konzepte gilt es zu erforschen,
und ein Dialog besteht nicht aus zwei
Monologen.
Das
Zuhören und Ausreden lassen, sollte der
Standard in jedem Gespräch, und auch bei
Besprechungen sein.
Das Geben bedeutet Zuhören im Geben der
Aufmerksamkeit und das Nehmen ist das Sprechen und
Vortragen im (in Anspruch) Nehmen von Achtung,
Aufmerksamkeit und (temporärer)
Bedeutung.
Letztlich
stellt sich die Frage: Was will ich erreichen
?
Da
ist uns die friedliche Koexistenz (anstelle der
Uniformität) eingefallen.
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