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G E R D ' s

E L E V E N T Y

H A N D L U N G S R E I S E N . 2 0 0 8

Johannes Wort des Monats: Gummibegriff

(© unbekannt)

Das Copyright beziehungsweise den Urheber kann ich nicht angeben, obzwar ich das Wort aus einem ganz bestimmten Buch genommen habe. Es geht in diesem Buch um Piraten (es ist ein ernsthaftes Sachbuch). Am Anfang werden verschiedene Varianten genannt, dann folgt der - als solcher bezeichnete - Gummibegriff „Freibeuter“, was von beinahe staatlichen Paramilitärs bis zu gesetzlosen Seeräubern alles umfasst.

Genau dieses Wort stach mir in die Augen - Gummibegriff. Ein Begriff, der äußerst dehnbar ist und kaum zu zerstören. Und ach, unsere gesamte Sprache ist voll davon. Beispielsweise der Begriff Projekt. Darunter kann ich alles oder zumindest jede Unternehmung verstehen, vom Fällen eines Baumes bis zur Umgestaltung des Staates.

Das Hinterlistige ist natürlich, dass wir nur „Projekt“ hören und nicht wissen, was das konkret heißt. Zudem hat das Wort immer so einen schönen Beiklang, warum, weiß ich auch nicht, vielleicht, weil wir glauben, es hieße etwas Gutes.

Oder Verantwortung ! Ein schönes Wort, hat es doch mit antworten zu tun und soll wahrscheinlich ausdrücken, dass der / die Verantwortliche über das Verantwortete Rede und Antwort stehen muss.

Haargenau das bedeutet es auch konkret, selbst dann, wenn alle Beteiligten es anders verstehen. Wenn in den Nachrichten eine Person, die wichtig oder lästig genug ist, darin vorzukommen, sagt, sie werde die Verantwortung tragen - interessante Redewendung, denn wie trägt man Antworten ? -, so ist dies eine offensichtlich leichte Last, denn sie hat den Vorteil, nicht konkret zu sein.

Sie drückt oder stört nicht, solange alles gut geht. Trägt ein anderer Mensch die Verantwortung, ist mit diesem Wort eigentlich „Schuld“ gemeint. Faszinierenderweise übernehmen diejenigen, welche die Verantwortung tragen, diese, wenn es darauf ankommt - oft erst dann, wenn nicht mehr zu leugnen ist, dass sie die Verantwortung schon die ganze Zeit getragen haben. Sie ist also die einzige Last, die erst zur Last wird, wenn man sie übernimmt, nachdem (!) man sie getragen hat.

Und dann - wird geantwortet. Auf viele, oft bohrende, Fragen wird geantwortet mit noch mehr - oft leeren - Worten.

Ende der Geschichte, denn von Verantwortung war die Rede, nicht von Konsequenzen, obgleich man das immer irgendwie mitschwingen zu hören glaubt, wenn jemand vom Übernehmen und Tragen der Verantwortung spricht.

Der Gummibegriff schlechthin jedoch ist gut. Ich meine, es ist „Gut“. Gut kann alles und das Gegenteil bedeuten - ein guter Politiker muss kein guter Mensch sein, oder schlimmer noch, selbst wenn er es ist, kann er von der anderen Seite als ungut bezeichnet werden. Würde eine Liste all dessen, was „gut“ ist, weltweit erfasst, bliebe hinterher gar keine wie auch immer geartete Moral zurück, denn kaum etwas wird nicht irgendwo als gut bezeichnet. Das geht so weit, dass „Gutmensch“ schon ein Schimpfwort sein soll bzw. von manchen auch schon als solches verwendet wird (die sich selbst natürlich als die eigentlich Guten sehen). Von sechs Milliarden (und mehr) Menschen gibt es daher sechs Milliarden (und mehr) verschiedene Verständnisse, die alle „gut“ heißen - natürlich in verschiedenen Sprachen.

Tja, so scheint es, dass wir uns daran gewöhnen müssen, alltägliche, bereits altbekannte Wörter in jedem Gespräch neu zu definieren.
Viel Vergnügen bei den langen, langen Verhandlungen, die daraus entstehen müssten !

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