Religiöse
Wortführer sind davon überzeugt, dass
eine Gesellschaft ohne religiöse Werte einem
sittlichen Werteverfall ausgeliefert sei. Es gibt
Leute mit anderer Meinung.
Weil
ich im Umfeld außerhalb meiner Familie, der
Vereines und meines Freundeskreis durchaus die
Meinungen, dass die Welt eben nicht durch
die Schönheit
Gottes
gerettet oder sogar zusammmen gehalten werde,
erlebe, möchte ich mal der
Vollständigkeit halber gerne etwas
wiedergeben, das so manche Menschen ebenso gerne
lesen möchten. So mag der folgende Text ein
bisschen die Zeitung für Leser
sein.
Allerdings
werde ich mir die Freiheit eines Kommentares
nehmen. Ich werde mir die Freiheit, die ich mir
auch unter beruflichen Kollegen gestatte, nehmen,
um dies als längst fälligen Leserbrief
auf mündliche Eingaben zur Religion und Ethik
heran zu ziehen: In einer Hinsicht lebt wohl das
klassische StarTrek noch immer, im
Glauben an den Fortschritt Pantheismus -
Polytheismus - Monotheismus - Atheismus. Und
dann vielleicht wieder zurück in ersteres ?
Wir werden sehen.
Ethische
Überzeugungen haben vielfältige Quellen.
Ein gesundes Solidaritätsgefühl für
unsere Mitmenschen braucht keine religiösen
Wurzeln,
meint beispielsweise Robert Misik, dessen Beitrag
ich auf der Quantara.de
gefunden habe und jetzt als Leserbrief heran
ziehe:
*
Wenn
also der Mensch Gott aus seiner Mitte verbannt,
nehme die Kultur und damit die Zivilisation
Schaden, erklärte der Kölner Katholenchef
Joachim Meisner unlängst. Damit formuliert er
freilich nur, was der gläubige Mainstream
denkt: Wenn der Mensch keinen Gott über sich
fühlt, macht er sich zum Maß aller
Dinge. Dann herrscht immer mehr die
Willkür, verfällt der Mensch, wie
es bei Joseph Ratzinger heißt.
Es
ist ein Gemeinplatz, dass dort, wo Gott nicht
existiert, alles erlaubt sei, und gewiss gab es in
der Geschichte Ungläubige, die sich in
verrückter Egomanie als Herren über Leben
und Tod fühlten und sich dazu berechtigt
wähnten, Hunderttausende oder Millionen in den
Tod zu schicken. Aber ebenso gab es etliche
Gläubige, die derlei taten, weil sie glaubten,
ihr Gott würde Mord und Totschlag von ihnen
erwarten.
Man
braucht keinen Gott, um Massenmord zu begehen. Aber
wenn man sich einbildet, dass Gott dies von einem
wünscht, fällt das Massakrieren
leichter.
Vom
Schöpfer konditioniert
Dennoch
hält sich die fixe Idee, dass gläubige
Leute eher ein moralisches Leben führen.
Viele religiöse Menschen finden es
schwer vorstellbar, wie jemand ohne Religion gut
sein kann; mehr noch, sie können nicht
glauben, dass er überhaupt gut sein wollen
könnte, schreibt Richard Dawkins in
seinem Buch Der Gotteswahn, um mit dem
ihm eigenen Spott hinzuzufügen: Davon
ist es kurioserweise nicht weit zum Hass auf die,
die ihren Glauben nicht teilen.
Manche
dieser Welt glauben, dass sich Menschen nur
moralisch verhalten, weil sie auf Gottes Lohn
hoffen oder seinen Zorn fürchten. Aber, fragt
Dawkins hierzu, heißt das, wenn es Gott
nicht gäbe, würden sie rauben,
vergewaltigen, morden? Wenn diese Leute das
wirklich meinen, sollte man ihnen aus dem Weg
gehen.
Vielleicht
sind sie auch der Ansicht, sie könnten eine
moralische Person bleiben, ohne dass Gott sein Auge
auf sie hat. Dann aber ahnen sie bereits, dass es
keinen Zusammenhang zwischen Moral und Glaube gibt
- oder allenfalls einen komplizierten und
widersprüchlichen.
Erkenntnis
als Antrieb für soziales
Handeln
Der
Altruismus ist eine gute Sache, aber moralisches
Handeln erfordert ihn nicht zwingend. Für ein
gerechtes Gemeinwesen ist es möglicherweise
sogar ein stabileres Fundament, wenn die Moral
keine Selbstlosigkeit nötig hat.
Wir
Menschen sind soziale Wesen und wissen, dass wir in
der Interaktion mit anderen unser Leben meistern
müssen. Daraus allein folgt das Postulat:
Was du nicht willst, dass man dir tut, das
füg auch keinem anderen zu! Eine sozial
gerechte Gesellschaft ist für uns alle gut.
Ich habe auch einen Nutzen davon, wenn nicht allzu
viele meiner Mitmenschen im Elend leben.
In
einer Gesellschaft, in der sich alle nur um sich,
nicht aber um das Geschick ihrer Mitmenschen
kümmern, wäre es schnell für alle
ungemütlich, auch die
Glücklichsten müssten in den
gated communities leben, in die sich in manchen
Ländern bereits heute die Reichen
zurückziehen müssen, um sicher zu
sein.
Schon
der aufgeklärte Eigennutz, schrieb
der große Denker Bertrand Russell, müsse
zur Abschaffung der Sklaverei führen. Denn
in einem Staat mit zahlreichen Sklaven
seien dauernd Sklavenaufstände zu
befürchten.
Religion
und Aggression
All
das schließt nicht aus, dass ich
Mitgefühl mit der Bedrückung meines
Nächsten habe. Kurzum: Moral gehört zur
Conditio humana. Gott ist dafür nicht
notwendig. Eher im Gegenteil. Denn die Religion ist
ein gutes Mittel, solche moralischen Empfindungen
auszuschalten. Geschichte und Gegenwart bieten
genügend Beispiele dafür, dass normale
Individuen in anderen nicht den Mitmenschen,
sondern den Feind sahen, sobald sie von ihm durch
religiösen Eifer getrennt waren.
Natürlich
braucht man nicht unbedingt Religion, um Kriege vom
Zaum zu brechen und andere Länder zu
überfallen und zu besetzen.
Aber
die Religion nützt sehr, Aggression zu wecken
und zu erhalten. Sie ist ein gutes Mittel, den
Unterdrückten zu einem moralisch
minderwertigen Subjekt zu machen, das froh sein
kann, wenn ihm die Zivilisation, der wahre Glauben
oder was auch immer gebracht wird. Und Religion ist
ein gutes Mittel, um dem Unterdrücker die
Gewissheit zu geben, sein Handeln sei von Gott
gerechtfertigt. Zudem wird Unrecht, das sich
religiös begründen lässt, eher
akzeptiert.
Martin
Luther, Oscar Romero und Radko
Mladic
Wir
wissen, dass es viele Ungläubige gab, die sich
an den Menschenrechten vergingen, aber auch sehr
viele Gläubige. Und es gab viele
Gläubige, die gegen Unrecht aufstanden, aber
auch viele Ungläubige.
Martin
Luther King trat für die Nachkommen der
Sklaven ein; sein Namenspatron Martin Luther hetzte
gegen die Juden und segnete die Obrigkeit, die
während der Bauernaufstände die
mörderischen Rotten der
Freiheitskämpfer erschlagen ließ.
Franjo
Tudjman, der kroatische Staatspräsident, war
ein gläubiger Katholik, General Radko Mladic,
der Führer der serbischen Armee, ein
orthodoxer Christ. Beide waren große
Anhänger der ethnischen
Säuberung und des genozidalen
Massenmords, der ohne die Versessenheit auf
ethno-religiöse Identitäten gar nicht
hätte funktionieren können. Denn nur
anhand der Kriterien katholisch,
orthodox und muslimisch
waren die Südslawen überhaupt
auseinanderzuhalten.
Oskar
Romero, der Erzbischof von San Salvador, stellte
sich vor dreißig Jahren in El Salvador mutig
auf die Seite des unterdrückten Volkes und
wurde deshalb von faschistischen Todesschwadronen
erschossen, deren Anführer gläubige
Christen wie er waren.
Glaube
und Unrechtsempfinden
Sieht
man sich die Geschichte der meisten
Freiheitsbewegungen an, waren es jedenfalls meist
die säkularen Kräfte, die sich mit dem
Unrecht der Welt nicht abfinden wollten,
während die Gläubigen in der Mehrzahl ihr
Heil im Gebet suchten - ganz abgesehen davon, dass
sich meist eine Bibelstelle fand, die die Eroberung
eines Landes, die Unterdrückung der Frauen
oder die Beibehaltung der Sklaverei legitimierte.
Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der
säkular oder Freidenker war, sich gegen das
Unrecht stellte, war extrem hoch, schreibt
Christopher Hitchens in Hinblick auf den Kampf
gegen die Sklaverei in Amerika. Die
Wahrscheinlichkeit, dass sich jemand aufgrund
seiner religiösen Überzeugungen gegen die
Sklaverei und Rassismus stellte, war ziemlich
klein. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass jemand
aufgrund seines Glaubens die Sklaverei und den
Rassismus verteidigte, war statistisch extrem hoch,
und das war auch der Grund dafür, dass der
Sieg über das Unrecht so lange auf sich warten
ließ.
Wir
alle, ob gläubig oder nicht, wissen, dass wir
uns gut fühlen, wenn wir etwas getan haben,
was vor unseren Kriterien einer moralischen
Lebensführung zu bestehen vermag, und dass wir
uns schlecht fühlen, wenn wir etwas getan
haben, was unseren moralischen Vorstellungen
widerspricht. Wir haben in einem solchen Fall
Gewissensbisse. Da brauchen wir keinen Gott
über uns.
Im
Gegenteil: Meist sind es der Welt zugewandte
Menschen, die Unrecht als besonders
unerträglich empfinden, während ein guter
Gläubiger oftmals die fixe Idee in seinem Kopf
hat, dass die rein äußerlichen
Unterschiede auf Erden keine Rolle spielen, da
alles Irdische ohnehin eitel sei.
Gottes
Videoüberwachung
Sklave
oder Bürger? Alles unwichtig. Ja mehr noch,
oftmals wurde unterstellt, der gute Sklave,
der sich in seine Sklavenrolle fügt
(Michel Onfray), tut ein gottgefälliges Werk,
weil er wie ein guter Diener seines Herrn auf dem
Platz bleibt, auf den ihn Gott auf Erden gestellt
hat - eine Demutshaltung, mit der er sich einen
Platz im Paradies verdient.
Ein
jeder bleibe in der Berufung, in der er berufen
wurde, heißt es in der Luther-Bibel (1.
Kor 7, 20), woher bezeichnenderweise auch das
deutsche Wort Beruf stammt. Jeder soll
bleiben, was er ist, denn er ist von Gott dorthin
berufen, und der Knecht mag zwar irdisch unfrei
sein, aber wenn er den Herrn bei sich weiß,
dann ist er ein Freigelassener des
Herrn (1. Kor 7, 22). Toller Ratschlag
!
Gewiss
sind die Heiligen Schriften der großen
monotheistischen Religionen auch so etwas wie das
Inhaltsverzeichnis der moralischen Imperative der
Menschheit. Das Tötungsverbot, die
Nächstenliebe, das Mitgefühl für den
Mitbürger oder die Aufrichtigkeit sind
für das Funktionieren eines jeden Gemeinwesens
zentrale Werte, sodass es nicht wundert, dass sie
praktisch in allen Moralkatalogen vorkommen, egal
ob religiös oder nicht.
*
Soweit
die Meinung von Robert Misik und vieler anderer
Zeitgenossen - selbst in katholischen
Hinterhofmonarchien Europas ...
Ich
denke, hier passiert eine verhängnisvolle
Verwechslung: Es wird das Wirken Gottes in der Welt
und im Menschen mit den Praktiken von
Glaubengemeinschaften, Gruppen oder auch mit jener
von Einzelpersonen, dessen Handeln sozusagen
im Namen Gottes erfolgt,
verwechselt.
Zuallererst
muss einem bewusst werden, dass es sich bei Gott um
einen autonomen
Willen
handelt. Gott kann durchaus unabhängig von
Eindrücken, die manche von ihm haben, sowie
unabhängig von Gewohntem handeln. Gott handelt
meist anders, als jenes Bild, das viele von ihm
haben, entspricht. Gott kann durchaus als
der
Andere
auftreten; und oft wird gerade dadurch die
praktizierte Religion wieder entgiftet.
Ganz
schön wird das Wirken Gottes durch Seine 99
wunderbaren Namen, wie es unsere Glaubensnachbarn
aufzählen, beschrieben. Manchmal wird es
notwendig Gott von seiner praktizierten
Religion zu unterscheiden - und dies tun dann auch
manche, welche einem Gewohnt-Gläubigen etwas
fremd oder befremdlich vorkommen. Kommt jedoch die
Botschaft der Unterscheidung an, wird das
Wesentliche wiederentdeckt, und gesundet die
Religion wieder, handelt es sich um einen
Gepriesenen
Fremden.
Manchmal
scheint da sogar eine neue Religion zu entstehen,
oder sich von der Hauptströmung gar eine neue
abzuspalten. Dies war jedoch ursprünglich gar
nicht beabsichtigt, aber wenn die Menschen für
ihre Entwicklung so etwas brauchen, wird ihnen das
keineswegs genommen werden. Denn nicht umsonst
heißt es: Es gibt keinen Zwang im
Glauben.
Gott
wird in Seinen 99 schönsten Namen auch als
der
Friede
bezeichnet. Dies jedoch nicht als Eigenschaft
...
*
Wie
aber kommt es zur Entstehung der Verwechslung
zwischen Gottes Wirken und dem Handeln in
seinem Namen ? Wo doch so offensichtlich ist,
dass da ganz wer anderer als Gott handelt, auch
wenn dies in seinem Namen geschieht. Der Name des
Herren soll zwar nicht missbraucht werden, sagt
schon das Zweite Gebot - und doch passiert das
immer wieder.
Überrascht
? Aber dies macht nicht Gott, sondern andere,
nämlich jene, ohne die auszukommen mal unserer
Kultur zuträglicher wäre.
Den
Grund für derartige Verwechslungen suche ich
bei jenem, über den bislang überhaupt
nicht gesprochen wurde. Weder im Artikel vom Robert
Misik, noch in den unterschiedlich anderen
Meinungen von Nachbarn oder Kollegen war vom Satan,
dem Teufel, die Rede.
Es
handelt sich aber nicht bloß um den platten
bösen Teufel, sondern um den
Ankläger am Hofe Gottes. Es gibt
nämlich nichts außerhalb der Allmacht
Gottes, sogar der Teufel wird von ihm
zugelassen.
Gerade
diese Anklägerrolle des Satans ist der Grund,
warum Menschen Gott aus ihrer Mitte
verbannen. Denn der Satan klagt nicht nur den
Menschen vor Gott an - er antwortet darauf mit
Jesus Christus und mit all den Propheten und
Erneuerern, mit denen Seine Religionen wieder
gesunden -, sondern er klagt auch Gott vor dem
Menschen an.
Die
beliebteste Anklage ist das Wie kann Gott das
zulassen ?, und da ist z.B. Evamarias
Warum es keine Superhelden gibt im
Kurswechsel (in das Wesentliche), das
wir letztes Jahr mit großem Erfolg gelesen
haben, eine stimmige Antwort für mich. Jene
Anklage, welche zur fatalen Verwechslung und zur
Ansicht, dass wir besser ohne
videoüberwachenden Gott leben
können, führen, wird meist gar nicht als
Solche wahrgenommen. Darin werden nämlich die
Taten mancher Menschen, die in seinem
Namen erfolgten, angeklagt, und dies auch
wieder in zweifacher Weise. Nämlich Gott vor
dem Menschen, und den Menschen vor Gott (Missbrauch
Seines Namens).
Gottes
Antwort kennen wir. Im Annehmen seiner Antwort (die
ja den Teufelkreis durchbricht) werden auch wir
befähigt gesunde Antworten auf die Anklagen
Satans zu geben. Im Verhältnis zu Gott und im
Verhältnis untereinander.
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