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M E I N . L A N D . I S T . G R Ü N Seine Bewohner |
Mein Land ist grün, wenn ein Besucher darüber hin fliegt. Baumkronen, dicht an dicht stehend, bilden einen lichtdurchfluteten, hellgrün-goldenen Bereich, der aus lauter funkelnden Blättern zu bestehen scheint, wie das bei einem Dschungel üblich ist. Immer wieder ragt ein besonders hoher Baum aus dem Urwald, manchmal finden sich sogar kleine, offene Stellen mit Wasser und Gras, so genannte Bais. In diesem Blätterdach tummeln sich vielfältige Lebewesen, die man jedoch meist eher hört als sieht, sogar die farbenprächtigsten Vögel. Die eigentliche Welt jedoch liegt unter diesem Teppich aus Licht und Fröhlichkeit. Darunter, immer noch in schwindelnder Höhe, wird es bedeutend finsterer, bis schließlich kaum noch Licht auf den Boden dringt. Hier ist es erheblich stiller, drückend feucht und auch tagsüber nie hell. Es ist ein Gewirr verschiedenster Pflanzen aller Art und Größe. Auf, in und zwischen diesen Pflanzen lebt die Tierwelt, eine besonders reiche und prächtige Tierwelt, die ein Besucher jedoch kaum zu Gesicht bekommt, denn sie pflegt sich im undurchdringlichen Gewirr der verschiedenen Pflanzen zu verstecken und nur leise und heimlich durch das Unterholz zu huschen oder zu schleichen oder zu klettern. Dennoch sind sie da, fast überall lebt irgend etwas, es lässt sich nur nicht gerne dabei zuschauen. Eine Unzahl Insekten und anderer Gliedertiere treibt sich hier herum, ebenso wie sehr viele, Reptilien, Vögel und Amphibien. Auch Fische gibt es in Teichen und Flüssen ziemlich viele. Aber alle achten darauf, möglichst nicht aufzufallen - die giftigen Tiere ausgenommen. In diesem dichten, lebendigen und düsteren Urwald lebt mein (Johannes) Volk. Es ist nicht als menschlich zu bezeichnen, wenn auch von menschlicher Intelligenz. Es sind fast menschengroße Kröten. Sie sind
meist am Boden oder in relativ geringer Höhe an den
Bäumen zu finden, sofern sie denn überhaupt
gefunden werden können. Normalerweise ziehen sie es
vor, nicht gesehen zu werden. Sie haben eine blassgrünlich-bräunliche Färbung in verschiedensten Fleckenmustern und Farbnuancen, sodass keine zwei Kröten wirklich gleich aussehen. Der Bauch ist cremefarben. Sie sind gute Kletterer, wenn auch nicht gerade agil, dafür jedoch umso ausdauernder, sodass sie ohne Schwierigkeiten auch die höchsten Baumkronen erklimmen können. Aufgrund der großen Helligkeit und Regsamkeit der dortigen Wesen tun sie dies jedoch eher selten. Ihr Leben erhalten sie mit dem, was der Urwald ihnen bietet. So gut sie darin sind, ungesehen zu bleiben, so unübertroffen sind sie auch darin, Essbares zu finden, selbst dann, wenn das Essbare gar nicht gefunden werden will. Innerhalb der Grenzen ihres Urwaldes existiert kein Wesen, dass ihnen tatsächlich gefährlich werden könnte, denn sie sind stark und haben eine giftige Haut, gegen deren Gift nur sie selbst immun sind. Geboren werden diese Kröten wie die meisten Amphibien aus einem Ei. Nur sehr selten kommt dieses Ereignis vor, denn der Dschungel zeichnet sich dadurch aus, dass er ein Lebensraum ist, der stets bis an die äußersten Grenzen des Möglichen mit Leben gefüllt ist. Die Kröten wissen genau, wie viele von ihnen im Urwald zugleich leben können, deshalb wird diese Zahl nie überschritten. Daher kommt es, dass neue Kröten nur geboren werden dürfen, wenn eine alte Kröte stirbt. Naturgemäß ist so etwas ein bedeutendes Ereignis. Nachdem eine Einigung erfolgt ist, wer die Eltern sein sollen, wird ein einziges Ei im Schutzbereich gelegt. Dieser Schutzbereich ist der innerste Bereich des gesamten Dschungels. Er ist fast komplett finster und die Atmosphäre ist so dicht und warm, dass außer den Kröten selbst niemand hier existieren kann. Selbst von den anderen Dschungelbewohnern können hier kaum welche überleben. Dieser Schutzbereich hat, wie auch der Urwald selbst, keine klare, definierte Grenze. Die Atmosphäre wird immer freundlicher, je weiter weg man sich befindet. In diesen Bereich ziehen sich die Kröten bei Gefahr zurück, denn trotz ihrer Kraft kämpfen sie nicht. Die Kröte schlüpft nach einem im Ei verbrachten Kaulquappenstadium als fertiges Tier aus. Zunächst bekommt sie einen Mentor zugewiesen, einen alten, erfahrenen Artgenossen, der das junge Lebewesen erst mal in die Gefahren und Wunder des Dschungels einweiht, aber auch in die Gebräuche der Kröten untereinander. Meist treffen sich die Kröten nicht, denn sie schätzen ein Leben im Versteck, in Ruhe und Kontemplation. Von Zeit zu Zeit ergibt sich ein Treffen, und es ist auch durchaus nicht auszuschließen, dass sich einige von ihnen jahrelang zu einer Gruppe zusammenschließen, dies ist jedoch immer freiwillig. Niemand wäre beleidigt, wenn ein anderes Gruppenmitglied einfach nicht mehr kommt. Es gibt eine ausgefeilte, nuancenreiche Sprache aus wortanalogen Klanggebilden, die unsereiner nicht hervorbringen könnte. Für Notzeiten, dringliche oder besonders wichtige Fragen gibt es noch ein zweites Mittel der Kommunikation, nämlich eine starke telepathische Verbindung untereinander. Binnen weniger Augenblicke kann sich das gesamte Kollektiv zusammenschließen, wobei beinahe ein einziges Bewusstsein entsteht und die Einzelindividuen weit in den Hintergrund zurücktreten. Dennoch macht es ihnen keinerlei Probleme, sich hinterher wieder aus dieser Verbindung herauszulösen. Diese Verbindung wäre jedoch gefährlich für junge, noch nicht gefestigte Kröten. Daher wird diese zum ersten Mal an dieses Kollektiv angeschlossen, wenn sie ihren Mentor nicht mehr braucht und erwachsen ist. Über Wasser können sie reisen, indem sie schwimmen oder kleine Boote verwenden, aber meist bleiben sie in ihrem Urwald, denn sie sind Teil ihrer Welt und nur darin wirklich sicher, auch wenn sie durchaus nicht hilflos sind, wenn sie außerhalb des Waldes angetroffen werden. Mit Kälte oder Trockenheit haben sie jedoch Schwierigkeiten. Das ist natürlich alles nicht eben geeignet für gute Beziehungen nach außen, also haben sie eine Ersatzmöglichkeit gefunden: Sie können auch individuell mit einer bestimmten Papageiart telepathischen Kontakt aufnehmen. Diese Papageien sind besonders groß, kräftig, farbenprächtig und klug. Sie verstehen es, verschiedenste Sprachen zu sprechen, sind in der Lage, erstaunliche Strecken auch unter widrigsten Bedingungen zurückzulegen und halten verblüffend lange ohne Nahrung oder Wasser durch. So weit sie fliegen können, soweit reicht auch die telepathische Kontrolle durch die Kröten. Das Verhältnis dieser beiden Wesen ist wie das von Hund und Herr. Die Papageien können zwar sprechen, sind aber nicht intelligent genug, um eigene Entscheidungen über etwaige gemeinsame Angelegenheiten zu treffen, daher dienen sie nur als Boten und Dolmetscher. Es gibt keine politischen Ämter unter den Kröten, sondern wichtige Dinge werden gemeinsam beschlossen und eine Kröte, die geeignet ist und sich bereit erklärt, bekommt den Auftrag, die Gespräche zu führen. Eine Zucht der Papageien gibt es nicht, sondern diese pflanzen sich selbst unbeeinflusst fort und werden, wenn sie geeignet sind, gezähmt. Für ihre Dienste erhalten sie auch Belohnungen. Über direkten telepathischen Kontakt ist die Kommunikation mit anderen Völkern nicht möglich, denn der Zusammenschluss ist sehr intensiv und würde die anderen Völker psychisch überfordern. Irgendwann einmal sterben auch die Kröten, obgleich sie extrem alt werden können. Unfälle oder dergleichen kommen praktisch nicht vor, sogar die physische Alterung ist ein Prozess der Veränderung, nicht des Abbaus. Aber nach einem sehr, sehr langen und oft auch sehr erfüllten Leben haben die Kröten genug gelebt. Ihre Seele ist sozusagen voll, es reicht, was sie haben. Dann entschließen sie sich, dass es jetzt nicht mehr weitergehen müsse. Sie sterben aus freiem Entschluss. Ihr Geist verteilt sich gleichmäßig über die gesamte Schar der Kröten, die somit jeden Tod registrieren. Der Körper wird unbeachtet den anderen Urwaldwesen überlassen, er zählt nicht, bringt solcherart jedoch neues Leben hervor.
Genaueres zur Sprache Die
Kröten haben auf Grund ihres langen, ewig scheinenden
Lebens eine umständliche Sprache, da sie es sich
leisten können, einmal eine Woche lang über ein
und dasselbe Thema miteinander zu sprechen. Die Sprache
geht auf vier Grundsilben zurück,
gut, schlecht, neutral
und egal. Die
emotionalen Konnotationen werden bewusst mitgeteilt, da mein
Volk alles gerne rational abhandelt, auch die eigenen
Gefühle. Außerdem
verwenden die Kröten sehr gern Synonyme. Sich selbst bezeichnen sie als Volk" oder aber als die Leblichen". Es ist klar, dass so eine Sprache langes Überlegen erfordert, denn es muss das passende Synonym verwendet werden, die Silben darin überprüft werden, um die zutreffende Konnotation auszudrücken, und dann soll es auch noch einen Sinn ergeben. Aber es haben ja alle Zeit. Die
Kröten glauben an einen Gott, den sie den Einzig Einen
nennen, eine Wort, das aus viermal der Silbe für
gut besteht, wobei das Wort "Vier" seinerseits
aus dieser Silbe entstanden ist. Die
Philosophie bzw. das Denken der Kröten, also ihre
Haupt- und Lieblingsbeschäftigung, begann mit dem bei
ihnen berühmten Baum-Satz:
Die Fünf Häuser Jedes
Haus ist kein Gebäude, das wäre im
Urwald weder nützlich noch nötig. Es handelt sich
quasi um geistige Häuser, denen die einzelnen
Kröten angehören, so etwas wie Schulen. Das
älteste oder erste Haus befasst sich mit dem
Nächstliegenden. Das zweite
Haus ist die Schule dessen, der fragt. Das dritte
Haus ist die Schule dessen, was wird. Das vierte
Haus ist die Schule dessen, was sein sollte. Das
jüngste oder fünfte Haus ist die Schule der
Konzepte. |