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G E R D s

E L E V E N T Y

I S L A M

Scharia und islamisches Recht

Hier werden nur die Grundlagen und dessen Interpretationen behandelt. Weiterführendes Wissen kann aus dem vorhin erwähnten „Handbuch Islam“ gewonnen werden.
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Was ist „islamisches Recht“ ?

Scharia bedeutet Platz rund um einen Brunnenschacht, von dem aus man an das Wasser gelangen kann. Wasser als „Lebensquelle“ verstanden.
Scharia ermöglicht einem Muslim das Leben im Islam. Es ist die Art zu leben, welche Gott für die Muslime wünscht
(bzw. anbietet - wenn man an Sein Indikativ glaubt).

Fiqh ist das „tatsächliche“ islamische Recht und heißt „etwas lernen, kennenlernen und dann begreifen“. Fiqh ist ein Teil der Scharia, welche umfassender ist.

Womit ist Scharia vergleichbar ? (Interpretation)

Einerseits mit dem Talmud, soferne zu den Aussagen und Regel der Rechtsschulen auch Gelehrtenmeinungen und Diskussionen von Gelehrten entsprechender Stufe (Rechtsgelehrsamkeit Faqih, Ijtihad) angeführt werden. Andererseits mit einer „Seelenpflicht“, in welcher von innen her in mir das Bedürfnis nach der gottgefälligen Lebensquelle und -weise erwächst, zu einer Muse wird und sich daraus eine „innere Verpflichtung“ zur (so Gott will) Erlangung und dann zur Erhaltung des Seelenheiles entwickelt.

Zweiteres halten wir für die schönere Form des Islams. Es bedeutet Seelenfrieden durch das Leben, wie es Gott gefällt, bzw. wie es Gott „vorzeichnet“ (anbietet). Seelenheil durch Gottergebenheit:

Die Seele ist ein Buch, deine Taten sind das Geschriebene.
Schreib auf deine Seele nur eine schöne Inschrift !
Schreib nur das völlig Gute in dein Buch, Schwester,
Denn die Feder ist in deiner eigenen Hand.

 

Abstufungen im Recht

Fard: absolut Verpflichtenes - darunter die fünf Säulen des Islams - Verpflichtendes, dem Glauben nach.
Wajib: Verpflichtendes, der Tat nach. Bei vielen Rechtsschulen fallen diese beiden Bereiche zusammen.

Interpretation: (so Gott will) Ausführung der Handlung führt zum (inneren und äußeren) Frieden (Gottes Wohlgefallen, "Erfolg bei Gott") und erhält die Nähe des Menschen zu Gott.
Unterlassung führt zum Unfrieden und Anfälligkeit für Stress u.dgl. Damit entfernt sich der Mensch von sich aus von Gott.

Mandub/mustahabb - Wünschenswertes
Interpretation: (so Gott will) Ausführung der Handlung führt weiter zum (inneren und äußeren) Frieden (Gottes Wohlgefallen, "Erfolg bei Gott") und fördert die Nähe des Menschen zu Gott.

Mubah - Wertfreies

Makruh - Abzulehndes, Verpöntes
Interpretation: (so Gott will) Unterlassung der Handlung erhält den (inneren und äußeren) Frieden (Gottes Wohlgefallen, "Erfolg bei Gott") und die Nähe des Menschen zu Gott.

Haram - Verbotenes
Interpretation: (so Gott will) Unterlassung der Handlung erhält den (inneren und äußeren) Frieden (Gottes Wohlgefallen, "Erfolg bei Gott") und die Nähe des Menschen zu Gott.
Ausführung führt zum Unfrieden und Anfälligkeit für Stress u.dgl. Damit entfernt sich der Mensch von sich aus von Gott.

Dabei wird unterschieden nach
"was im kleineren Maß verboten ist" - (soll Gott will) Vergebung und Erleichterung durch Reue und durch Pflichthandlungen
"was im größeren Maß verboten ist" - wie zuvor, und Sühnehandlung (Kaffara) zur Läuterung
"Kabira" (große Sünde) - wie zuvor, und auch Wiedergutmachung der Handlungsfolgen, zumindest dies aufrichtig versuchen, sowie Vermeidung von Wiederholung.

Grundsätzlich gilt dabei: Alles, was nicht verboten ist, ist erlaubt. Was aber selbst verboten ist oder mit Verbotenem verknüpft oder darauf gegründet ist, wird von Gott nicht angenommen.
Dieser Bereich ist aber auch darum wichtig, weil er mit vielen Missvertständnissen - gerade im Volksverständnis - verbunden ist. Viele Unwissende neigen nämlich leicht dazu, alles was "makruh", oder sogar eher erlaubte Handlungen, die im Volksglauben verabscheut werden, ebenfalls für verboten zu klären. Dies führt zu üblen Folgen, die auch der Glaubensgemeinschaft (Umma) schaden.

 

Erste Grundlage: Die Offenbarung

Der Muslim bestätigt als Glaubenssatz, dass der Koran Wort für Wort direkte Offenbarung und Wort Gottes ist,
dass er wortwörtlich vom Engel Gabriel, von Gott dem Allmächtigen mit dem Wort des Koran kommend, dem Propheten und Gesandten Muhammad geoffenbart worden ist.
 

Der Koran ist das einzige und unverfälschte Original der Offenbarung im klassischen Arabisch. Nur diese sprachliche Form kann den Anspruch erheben Koran zu sein.

Grund (Interpretation):
Es sind nicht nur die Originalworte, sondern auch die originale Sprachmusik und Reimprosa-Form.

Das Koran ist nämlich auch ein Kunstwerk. Das „Buch“ entspricht einer Partitur, um das Original wiederzugeben. Darum ist bei Gebeten die Koranrezitation und auch die Stimme des Imams so wichtig. Man spricht da im Gebet Gott mit Seinen eigenen Worten an. Durch die Rezitation in der richtigen Form und Sprachmusik wiederaufersteht die originale Offenbarung aus dem toten Buchstaben seiner Partitur und wird wieder lebendig in jenen Seelen, die das annehmen.

J.W.Goethe etwa schreibt diesbezüglich von „Mahomeds Gesang“.

Der Koran leitet sich von einer „himmlischen Urschrift“ ab, auch im Sinne von „So steht es geschrieben“.
Ob das einen Zusammenhang mit der Akasha-Chronik laut Rudolf Steiner darstellt, müsste noch erforscht werden. Näheres siehe im

Annemarie Schimmels Schrift
"Das Buch der Welt" - Wirklichkeit und Metapher im Islam

ISBN 3-932004-28-0 / Ergon Verlag in Deutschland


Das Berühren des Korans erfordert rituelle Reinheit.
Die bei uns so im Buchhandel oder auch von Muslimen an Nicht-Muslime vertriebenen "Koran"-Exemplaren handelt es sich meist um Koran-Kommentare oder "sinngemäße Übersetzungen", bei welchem sich die Frage nach der Reinheit nicht so stellt wie beim Original (soferne weniger als die Hälfte des Werkes aus dem Originaltext besteht). Jedenfalls erfordert jedoch das Berühren des Originaltextes (in arabischer Schrift) rituelle Reinheit.

 

Zweite Grundlage: Die Sunna

Die Sunna entspricht dem Leben des Propheten und seiner Gefährten und dessen Nachfolger.
Die Sunna sind auch Aussagen und Ansichten des Propheten in verschiedenen Situationen.
Sie stellt quasi die Praxis, wie die Offenbarung gelebt wird, dar. Das „gute Beispiel“.

Die Erzählungen darüber sind überliefert, und diese Überlieferungen werden Hadithe genannt. Die einzelnen Hadithe werden unterschiedlich in ihrer Stärke bewertet.

 

Dritte Grundlage: Das Wissen

„Mach einen Schild aus Wissen, denn es gibt nichts, was dich besser schützt vor Leid und Kummer.
Der Mensch, der einen solchen Wissensschild besitzt, der wird nicht leiden unter Schicksalsschlägen !“

Nasir-i Chusrau

Es ist Pflicht jedes Muslims Wissen anzunehmen, im Sinne von Lernen als Grundpflicht.

Das setzt Gelehrte voraus. Sie sind vor Gott verantwortlich, dass das Wissen ohne Verfälschung weitergegeben wird, denn die Pflicht des Wissenden, den Unwissenden zu unterrichten ist (noch) größer als die Pflicht der Unwissenden den Wissenden aufzusuchen, um von ihren Unterricht zu bekommen.

(Interpretation): Dies wurde spätestens ab "9/11" ziemlich relevant.
Grund für „Fundamentalismen“ ist zumeist die Unwissenheit. Es regieren oft auch Unwissende, und dies machen sich die Clans und Herrschaftshäuser aus dem eigenem Kulturkreis zunutze.
Der Islam ist die meist missbrauchte Religion der Welt, nicht zuletzt wegen der Unwissenheit und Armut, bzw. Mangel an Gelegenheit Wissen zu erwerben.

Ein islamischer Sozialstaat müsste demnach die freie und kostenlose Zugänglichkeit zu diesem Wissen bereit stellen.

Die „Werkzeuge“, womit Erkenntnisse oder Schlussfolgerungen in der Scharia eigentlich gewonnen werden, sind nämlich ziemlich umfangreich.

 

Der Anfang macht das Wissen (ilm), hier geht es um:

Was einem Muslim hilft, sich so zu verhalten, wie es Gott durch die Scharia bestimmt hat
Was einem Muslim davor bewahrt, Fehler zu begehen, die dem Glauben schaden
Was einem Muslim in die Lage versetzt, in dieser Welt, an ihrem Platz, wo sie nun gerade leben.

Es ist außerdem nicht das Recht eines Unwissenden (Jahil), sich nach der eigenen Nase zu richten, sondern er muss sich immer an solche Menschen wenden, die das meiste Wissen haben und ihm im Islam unterrichten können.

 

Dann kommt der Schritt vom Wissen zur Wissenschaft.

Die beiden Quellen Koran und Sunna sind eben Quellen. Sie müssen von Gelehrten gefasst und in jedem Fall erst durch die islamischen Wissenschaften betrachtet werden (Theologiebedarf in eigentlich jeder Religion !), um heraus zu finden, was wortwörtlich, was übertragen, was allgemein und was eingeschränkt gilt. Hier eine kurze Aufstellung - es handelt sich da nur um Überschriften - von Wissenschaften, dessen Beherrschung die Voraussetzung zum Gelehrten darstellen: 

I) Die voraussetzenden Wissenschaften
Lexikographie, Etymologie, Formenlehre / Syntaxlehre, Rhetorik (dem Inhalt und der Formulierung nach), Tropik

II) Grundlagenwissenschaften, darunter

Koran-Wissenschaften
W. von der Lesung und Rezitation des Korans, W. von der Schreibung des Korans / W. vom Inhalt und Auslegung des Korans

Grundlagen der Hadith-Wissenschaften
W. vom Erkennen des Hadith (Erkennen der Rede und Taten des Propheten ), W. von der Bewertung des Hadith, W. von der Kette, W. von den Überlieferern (auch zu dessen Person)

III) Grundlagen der Rechtswissenschaften
Grundquellen Koran (Verse, die für das islamische Recht Bedeutung haben) und Sunna (rechtskräftige Hadithe)
Abgeleitete Quellen: Übereinstimmung aller Rechtsgelehrten, sowie Analogieschluss auf Basis der oben erwähnten Grundquellen
Weitere Methoden / ergänzende Quellen: "das Fürguthalten" (heute umstritten), "die (vom Gemeinwohl) bestimmten Interessen", überlieferte Lehrmeinungen von Prophetengefährten, Fortgeltungsprinzip (Festhalten an einem sicher bezugten Tatbestand, bis sich ein exakter Gegenbeweis findet), "Abweisung der Mittel" (was zum Verbotenem führt ist ebenfalls verboten).

 

Drei Stufen des Wissens:

1. Rechtsgelehrte
2. die zwischen Rechtsgutachten und -meinungen von Gelehrten zu wählen im Stande sind
3. jene, die den Gelehrten folgen müssen

Unter Muslimen manchmal umstritten, aber durchaus bedeutsam, ist das "Seelen-Wissen", d.h. ein Wissen aus dem Erleben des Glaubens und des (geführten) Pfades von Sufis.
Der
Sufismus wird bei uns als die islamische Mystik bezeichnet. Eine Voraussetzung dazu ist allerdings das Leben der Scharia, welche - im Vergleich zum Pfad eines Sufi - eine breite Straße darstellt.
Der Sufismus kann also als Vertiefung des Glaubenslebens verstanden werden.

Am Beispiel Kasachstan - angeführt beim Weltkulturerbe Mausoleum des Hodscha Ahmed Yasawi - wird der Sufismus zur Art der Verkündigung und Mission des Islams, vor allem bei einfachen Leuten.

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