Andrea
Camilleri: "Der Faschismus ist das Schlechte, das
sich tief verwurzelt hat und nicht so leicht
auszureißen ist. Es passt sich an, wechselt
die Form. Wie mutationsfähige Viren, die
wiederkehren, auch wenn man gegen ihre
Ursprungsform ein Gegenmittel gefunden hat. Da muss
man wachsam bleiben."
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Der
neue Roman des sizilianischen Autors
beginnt mit einem Brief des
Königlichen Ministers des
Äußeren an den Rektor der
Bergbauschule in Vigàta auf
Sizilien.
Eine
wahre Begebenheit, die die tragische
Lächerlichkeit des Faschismus
offenbart.
Die
kleine süditalienische Stadt
Vigàta bekommt einen exotischen
Bewohner: den äthiopischen Prinzen
Grhane Solaissie, der an der dortigen
Bergbauschule ein Diplom zu erwerben
gedenkt. Das Regime unter dem "Duce"
Benito Mussolini ist auf dem
Höhepunkt seiner Macht und die
Zulassung eines Negers
in dieser Zeit nicht unproblematisch.
Dennoch genießt der Prinz das
Wohlwollen höchster Regierungskreise,
denn man verbindet mit ihm weitreichende
diplomatische Ziele:
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Bei
der Kolonialisierung Ost-Somalias durch Italien
gibt es erhebliche Grenzstreitigkeiten mit
Äthiopien. Indem man den Prinzen für das
Italien Mussolinis einnimmt, möchte man
Einfluss auf dessen Onkel, den äthiopischen
Kaiser, gewinnen und bei den Auseinandersetzungen
eine für Italien positive Lösung
erreichen. Konkret: Der Prinz soll einen Brief an
seinen Onkel schreiben, in dem er seine Bewunderung
für den italienischen Staat
ausdrückt.
Doch
den noch-nicht-geschrieben Brief benutzt der Prinz
dazu, seinen Auftraggebern immer neue
Vergünstigungen und Vorteile abzupressen. Und
dem stattzugeben sehen sich die Behörden mehr
und mehr gezwungen, denn der Prinz zieht in der
Stadt eine Spur der Verwüstung: unbezahlte
Bordellrechnungen, Ausschweifungen in
Krankenhäusern, homoerotische Affären
unter den Bergbauschülern, Eifersuchtszenen
auf Seiten beiderlei Geschlechts, Suizidversuche
aus Liebeskummer, Duelle in den besten Kreisen der
Gesellschaft, das Erscheinen des Leibhaftigen
Hingegen wartet der Duce vergeblich und vor
Wut schäumend auf ein Zeichen des
Prinzen.
Camilleris
Buch einer "authentischen Dummheit" ist voller
Humor und ein herrliches Spiel aus Realität
und Fiktion.
Ich
finde es auch sehr bezeichnend, dass dieses Buch
gerade zu einer Zeit erscheint, als es um einen
Prozess gegen Silvio Berlusconi nicht nur wegen
gewisser Ausschweifungen akut wird.
Ob
das von dem 85-jährigen Autor beabsichtigt
war, bleibt abzuwarten; ich lasse dies
vorläufig im Raum stehen.
Andrea
Camilleri, geboren 1925 in Porto Empedocle
(Sizilien) ist Drehbuchautor, Theater- und
Filmregisseur und Schriftsteller und lebt in
Rom.
Seine erfolgreichste Romanfigur ist der
sizilianische Commissario Montalbano, den er nach
dem spanischen Schriftsteller Manuel Vázquez
Montalbán benannte. Auflagen seiner Romane
von zwölf Millionen allein in Italien,
Verfilmungen und Übersetzungen in über 20
Sprachen machten Camilleri international bekannt.
Über vier Millionen seiner Bücher wurden
in deutscher Übersetzung verkauft.
Streng
vertraulich von Andrea Camilleri ist am 7. 2.
2011 im Verlag Nagel & Kimche erschienen,
umfasst 272 Seiten und ist unter der ISBN
978-3-312-00468-3 um EUR 20,50 im Buchhandel
erhältlich.
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