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G E R D ' s

E L E V E N T Y

E R G R E I F E N . 1 0 / 1 1

Mein strahlender Morgenstern

Eine deutende Weiterverarbeitung von „Der Ackermann“ des Johannes von Tepl

Johannes von Tepl beklagt in seinem Werk „Der Ackermann“ (um 1400) den Tod seiner ersten Frau am 1.8.1400 im Kindbett. Er klagt damit den Tod (vor Gott) an und hält im Streitgespräch der mittelalterlichen Auffassung von der Nichtigkeit des Lebens (auf der Welt) die Schönheit des Menschen als Ebenbild und Werk Gottes, sowie das Recht des Menschen auf das Leben und die Schönheit des Lebens entgegen.

Einige meinen dazu, dass es hier um eine Stilübung und um ein fiktiver Verlust eines geliebten Menschen als Anlass für ein rhetorisches Experiment handle. Auch meine ersten Gedanken zu einer Sekundärliteratur zum „Der Ackermann (aus Böhmen)“ fühlten sich zunächst zur Muse und zu den generierten Sachzwängen unserer Zeit hingezogen, doch handelt es sich bei diesem Werk Johannes von Tepl wirklich um den Tod seiner ersten Frau.

Das Werk erzählt von keiner Fiktion, sondern wirklich von einer Frau.
Da sind für mich viele Übertragungen und Begriffe, welche sich in ihrer Darstellung durch eine edle Frau kleiden, wahrlich in sie hinein inkarniert. Umso mehr kann sich diese Klage gegen den Tod dann auf alle Liebenswerte im morgensternenhaften Ballkleid der edlen Frau beziehen - auch auf meine Eleventy, gleich ob in meiner Frau als originell Quirlige auf ihrer Welle des gelben Sternes, oder ob in den mir vertrauten Tanzenden als Überbrücker der Welten auf der Welle des weißen Windes ...

„Grimmiger Zerstörer aller Länder, schändlicher Verfolger aller Welt, grausamer Mörder aller Leute, Ihr Tod, Euch sei geflucht! Gott, Euer Schöpfer, hasse Euch, Unglück hause verheerend bei Euch, gänzlich entehrt seid immer! … Von mir und der Allgemeinheit sei über Euch wahrhaft Zeter geschrien mit gewundenen Händen!

Die „gewundenen Hände“ gibt Johannes von Tepl stellvertretend einem „Ackermann“, welcher mit der Feder und dem Federkiel sein Leid in die Furchen, bzw. in die Zeilen, auf dem Papier eingräbt - gleich wie die Befreiende, im ersten Teil meiner Erzählungen im Rahmen der „Cinque Terre“ unserer Vereinigung, in schwungvollen kalligraphischen Bewegungen ihre Geschichte in das Pergament eingeritzt hat und damit die dahinter liegenden Wesen aus ihrer Enge der Dunkelheit und Beklemmung heraus geführt und nun sichtbar gemacht hat.

So macht auch der Autor den Lesern seine Verstorbene sichtbar, und all jenes, was er mit ihr verbindet:

„Ja, Herr, ich war ihr Liebster, sie meine Aimée. Ihr habt sie hingerafft, meine süße Augenweide; sie ist fort, mein Schutzschild gegen Ungemach; weg ist meine nie irrende Wünschelrute. Hin ist hin! Da stehe ich armer Ackermann allein. Verschwunden ist mein heller Stern am Himmel, zur Ruhe gegangen ist meines Heils Sonne, auf geht sie niemals mehr. Nicht mehr auf geht mein strahlender Morgenstern, versunken ist sein Glanz, kein Leidvertreib habe ich mehr, die finstere Nacht ist allenthalben vor meinen Augen. Ich glaube nicht, es gäbe etwas, das mir jemals wieder wahre Freude bringen könnte, denn meines Freuden stolzes Bannerzeichen ist, ach, mir hingesunken.“

„Nach Schaden folgt Spotten; das empfinden wohl die Betrübten“ zeugt einerseits davon, dass die Betrübten ihr „Schicksal“ nicht einfach hinnehmen, sondern sich gegen das scheinbar Gegebene auflehnen, und es zeigt andererseits wie derjenige, durch den dem Betrübten Leid zugefügt worden ist, damit umgeht.

Der Leidende wird nicht ernst genommen: „Dem weisen Mann soll Liebe nicht allzu lieb, Leid nicht allzu leid bei Gewinn und Verlust sein. Daran hältst Du Dich nicht. … Deine beschränkte Vernunft, Dein gestörter Sinn, Dein hohles Herz wollen aus Leuten mehr machen, als sie sein können.“ - Der Leidende und seinesgleichen werden verachtet, hier der Mensch als Solches: „Du magst aus einem Menschenkind machen, was Du willst, es kann doch nicht mehr sein, als ich Dir sagen werde, mit Erlaubnis aller reinen Frauen. Ein Menschenkind wird in Sünde empfangen, mit unreinem, unsäglichem Unflat im Mutterleib genährt, nackt geboren und ist ein beschmierter Bienenstock, ein schmutziges Triebwesen, ein Kotfass, eine verdorbene Speise ...“

Es ist mir wie mein Erleben von Unrecht, ausgehend nicht nur vom Leid durch einen Schicksals-Schlag, sondern auch durch jene Verhöhnung, worin dem Leidenden nichts zugetraut wird. Er wird da abgeschrieben (wie hier beim Tod), oder er wird manipuliert wie von den Mächtigen und deren Lakaien 610 Jahre später. Letztlich wird „das Fußvolk“ nicht ernst genommen - sei es durch die Ratlosigkeit der Politiker, oder durch die Ignoranz derer, welche sich hinter den Politikern verstecken, um nicht in Erscheinung zu treten.

 

Denn uns ist nach der Trauer um den verloren gegangenen Morgenstern der Blick frei für weitere Betrachtungen und Einsichten. Heute (nur heute und nicht schon auch um 1400 ?) ist es ein Kampf von Groß gegen Klein, worin sich die Großen auf Kosten der Kleinen bereichern oder sich sonstwie ein schönes Leben machen wollen. Darauf angesprochen reagieren sie doch wie der Tod beim „Der Ackermann“.

Zunächst wird der Blick durch die Wolke der Unterhaltungs-Industrie, darunter freilich auch die „neuen Medien“ und Internet, verschleiert. Noch nie hat es soviele Sketches im Fernsehen gegeben, worin in Wirklichkeit nichts mehr ernst genommen, geschweige denn respektiert, wird. Wenn das nicht hilft, kommen Überwachungsstaat oder gleich das Militär (wie z.B. in der Türkei, wo bis heute keine Religionsfreiheit existiert und eine eigene Aufsichtsbehörde das religiöse Leben überwacht und bis nach Deutschland hereinwirkt).

 

"Kurzum. Ohne Schmeichelei:
der ganzen Welt Erhalt, Garantie
und Zukunft sind die edlen Frauen."

Doch zeigt uns „Der Ackermann“ einen Weg, wie wir mit erlittenem Unrecht umgehen können:

Dem Leidenden ist zum einen wirklich Unrecht zugefügt worden, und das spüren auch viele Menschen heute durch „ein ungutes Gefühl“, das ihnen im Großen und Ganzen sagt, dass vieles nicht stimmt und sie für dumm verkauft werden wollen. So hat z.B. nach der jüngsten Finanzkrise der Steuerzahler nicht nur den Verlust der landeseigenen Banken zu tragen, sondern auch jenen Verlust, welcher dadurch entstanden ist, dass der Staat großzügig für die Verluste der ganzen Bankenbranche einsteht (wie sichalich meine Kärntner Freunde schon erfahren haben). Statt die Gläubiger (die ja eigentlich das Risiko tragen sollten) bei den Rettungsaktionen zur Kasse zu bitten, sind die Staaten, und damit letztlich deren Bürger wie wir, eingesprungen, um die Schulden - ob gewollt oder nicht - zu übernehmen. Als Folge davon sind die Staatsschulden in viele Industriestaaten in den letzten drei rapide gestiegen. Diese Schulden sollen nun durch Sparprogramme abgebaut werden. Der Staat und die Politik privilegieren somit - statt den Bürger als Gleiche zu behandeln - eindeutig jene, die schon reichlich über Finanzmittel verfügen.

Alleine der Blick auf die Ursachen sind und wird bewusst verschleiert, denn diese Ungleichbehandlung und dieses Unrecht, das von der Politik ausgegangen ist, war etwa bei der Wien-Wahl kein Thema und wird wohl bei der Nationalratswahl auch kein Thema sein. Will uns die Verschleierung einreden, dass Verbote für Moscheen und für Islamzentren unsere Mängel aus dem Sparprogramm beheben werden ? Freilich, die Populisten greifen das ungute Gefühl auf, aber auch sie nehmen, gleich wie der Tod im „Der Ackermann“, den ungerecht Behandelten nicht ernst. Sie wollen nur selber groß sein und herrschen. Alles ist schon mal dagewesen vor achtzig Jahren, dessen Zeit auch von einer Finanz- und dann Wirtschaftskrise gefärbt war.

Zum anderen lässt sich der Ackermann aus Böhmen vom Tod nicht beirren, sondern klagt ihn vor Gott an. Er sieht auf das Unrecht, er lässt den Schmerz seines Verlustes zu und setzt sich mit ihm auseinander, statt sich in Schönfärberei, Sketches, respektslosen Späßen oder in populistischen Verführungen zu verlieren. Er sieht hin, und so kommt er auch vor und zu Gott, dem Wesentlichen.
Das nämlich halte ich durchaus für möglich: Durch einfaches klares, unvoreingenommens und selbstdiszipliniertes Hinsehen und im Sich Befassen, nämlich Kritik im Wortsinn, „auf Gott zu kommen“. Nicht abgewendet ist sein Blick, und so wird ihm Gottes Urteil in diesem, seinem Streite offenbar. Er reist und gelangt zu größeren Zusammenhängen hin, ohne sich in seinem Leid oder im angebotenen Ersatz zu verstricken.

 

Im Gottes Urteil wird dem Hinhörenden und Zufühlenden Erkenntnis zuteil.

So etwa, dass es keine wirkliche Kraft und Macht außer durch, von und mit Gott, dem Hohen, dem Gewaltigen, gibt. Daraus erwächst mit der Zeit die Weisheit nur Gott alleine zu fürchten.

So etwa auch - wenn es dann um die Frage, wie Gott dieses Leid zulassen kann, geht -, dass die Haltung der Großen (gegen die Kleinen) oft auch in mir selbst steckt, und mein Blick darauf wieder verschleiert ist, nämlich die Auswirkungen nur quantitativ zu bewerten. Freilich habe ich die Mittel der Großen nicht, und daher sind etwaige Auswirkungen meiner Haltung vernachlässigbar.

Im „Der Ackermann“ siegt wohl der Tod, aber er wird daran erinnert, dass er seine Macht wiederum nur von Gott zu Lehen hat. Als Waffe der Haltung jener Großen wirkt er aber trotzdem qualitativ. Es wird Leben vermindert, es werden Rechte beschnitten und das Verlieren der „edlen Frau“, welche mir „die Welt“ erhält, ermöglicht und gefördert. Denn der strahlende Morgenstern ist im Kindbett gestorben, gerade, wo aus ihr etwas geboren wurde.

In jener Erkenntnis, welche sich zur Selbst-Erkenntnis erwachsen vermag, tritt der Leidende schließlich im ergreifenden Fürbittgebet vor Gott, worin er die verlorene Margaretha lässt und für sie bittet …

 

Und dem Johannes von Tepl ist die Liebe seiner zweiten Frau zuteil geworden.
Vielleicht so sehr, dass die Nachwelt sogar für unwahrscheinlich hält, dass dem „Ackerman“ persönliches Erleben zu Grunde liegt, weil seine urkundlich belegte (zweite) Ehefrau Clara ihn mit mehreren, 1415 bereits erwachsenen Kindern überlebt hat. Möglicherweise handle es sich um eine fingierte Person oder um eine nicht bekannte Jugendliebe.

 

Dem Einsichtigen ist erneut sein Morgenstern gegeben worden.

Er hat die edle Frau, nur eben in anderer Form, wiedergefunden.

Das ermuntert in weiteren Schritten im Sozialen von den Konzepten zur Umsetzung zu gelangen.
Nämlich dass alle Kraft und Macht nur bei Gott liegt, und wenn sich ein Mensch das heraus nimmt, dies als Vielgötterei verstanden wird.
Niemanden kommt die Herrschaft zu, außer alleine dem Herrn (Rabb), dem Gott.

Es tut not den konsequenten Monotheismus endlich im Sozialen zu verwirklichen, denn da leben wir noch wahrlich in der Vielgötterei und im praktischen Götzendienst, worin der Namen des Einen oft missbraucht wird.

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