Was
ist kognitive Dissonanz ?
Wenn
Konsumenten beispielsweise in Umfragen behaupten,
sie würden nur biologisch kaufen, alleine vor
dem Supermarkt-Regal aber dann doch nach der
möglichst billigen Ware greifen.
(Man kennt dieses Verhalten von
Wähler-Umfragen).
Wie
man möglichst billig, dafür in
großen Massen produzieren kann - und was das
für eine Auswirkung auf die Bauern, die Umwelt
und letztlich auf den Marktpreis hat -
dieser Frage geht die umfassende, in sorgsamen
Bildern inszenierte Doku von Robert Schabus
nach.
Anlässlich
unseres Themenblocks Heimat-Erde gibt es zur
Abwechslung daher einmal einen Filmtipp.
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Seit
1995 haben alleine in Österreich
55.000 Milchviehbetriebe
zugesperrt.
Es
geht um ein Milliardengeschäft. Da
denkt keiner an den kleinen Bauern im
Dorf.
Die
bäuerliche Wirklichkeit abseits von
landwirtschaftlicher Idylle,
Wachstumswahn, TTIP - wird in "Bauer
unser" eingehend und ungeschönt
beleuchtet.
Die
"idealisierte Darstellung in der Werbung,
wo es nur glückliche Tiere, kernige
Bauern und Bio auf allen Ebenen gibt",
dieses vorindustrielle Werbebild
entspricht in vielen Fällen nicht der
Wirklichkeit.
Die
Dokumentation "Bauer unser" zeigt auf, wie
Wirtschaftspolitik und Gesellschaft immer
öfter vor der Industrie kapitulieren.
Aber es gibt auch Momente der
Hoffnung.
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"Wachse
oder weiche" war über Jahrzehnte der
Leitspruch der österreichischen
Landwirtschaft.
1970 ernährte ein Bauer in Österreich 12
Menschen. 2016 kommen auf jeden Landwirten 80
Menschen. In Deutschland sind es 145.
Tausende
Bauern haben heute ihren Beruf aufgegeben oder
wirtschaften im Nebenerwerb. Die Verbliebenen sind
gewachsen, haben sich spezialisiert, ihre
Produktion intensiviert, investiert. Ob die
Milchkuh, die Legehenne oder der Maststier - sie
sind nur ein Teil der Herstellungskette, die heute
genauso optimiert und mit Kennzahlen vermessen wird
wie der Rest der Produktionskette bis hin zur
Verpackung und Auslieferung.
Doch
selbstbestimmte Bauern sind selten geworden. Ein
einst stolzer Stand steckt in einem System aus
Zwängen, Abhängigkeiten und Propaganda,
dem auch die offizielle EU-Politik
zuarbeitet.
Effizient
ist unser Agrarsystem nicht gerade: 40 Prozent der
derzeit weltweit in der Landwirtschaft produzierten
Kalorien werden verschwendet oder gehen irgendwo
auf dem Weg zwischen Produzenten und Konsumenten
verloren. Laut der Ernährungs- und
Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen
(FAO) ließen sich derzeit global 12
Milliarden Menschen ernähren - ohne radikale
Umstellungen. Einfach nur durch eine nachhaltigere
Verteilung und Nutzung der
Nahrungsmittel.
Der
Dokumentarfilm zeigt gleichermaßen
ungeschönt wie unaufgeregt wie es auf
Österreichs Bauernhöfen
zugeht.
So
gibt es jene Bauern, die sich dem Zwang zur
Profitmaximierung durch die Vergrößerung
ihres Betriebes und der Konzentration auf nur ein
"Produkt" - beispielsweise das Schwein - beugen.
Nicht selten entsteht dadurch Überproduktion
und Preis-Dumping. Das Unglück der Bauern, das
sich etwa in Frankreich durch eine enorme
Selbstmordrate ausdrückt, aber auch
alternative Bewirtschaftungsformen - kompakt
zusammengefasst und intelligent
argumentiert.
Produzent
ist Helmut Grasser sorgte mit seiner Dokumentation
"we feed the world" schon für Aufsehen;
er setzt mit seiner Allegro Filmgesellschaft und
"Bauer unser" den kritischen Blick auf die
Landwirtschaft fort.
Zwei
Jahre Arbeit stecken in "Bauer unser", inklusive
Recherche, Dreharbeiten und Schnitt. Schabus war
mit seinem Team in ganz Österreich, in
Brüssel und Straßburg unterwegs, um die
ungeschminkte Wahrheit zu erfahren. Zu Wort kommen
Politiker, Industrielle und Landwirte.
Zitate
aus dem Film:
o
"70 Prozent von unserem Einkommen kommt aus
öffentlichen Geldern. Und dann sollst du nicht
frustriert sein."
o
"In Zukunft kann man nur mehr über die Menge
überleben. Der Zwang zu wachsen, erfasst jetzt
auch die letzten Bauern."
o
"Die Landwirtschaft ist am Markt angekommen. Das
ist da und dort schmerzhaft."
o
"Jeder Bauer ist für den Handel beliebig
austauschbar. Es findet sich schnell jemand, der
noch billiger produziert."
o
"Seit Jahrzehnten hat sich die Politik dem freien
Markt ausgeliefert. Die Preise werden also nicht in
Österreich festgelegt."
o
"Österreichische Schinken sind eigentlich
Brasilianer, weil das Futter großteils aus
Soja aus Brasilien besteht."
Die
industrialisierte Landwirtschaft des globalen
Nordens kombiniert mit falschen
Fördermodellen, Überproduktion,
Exportsubventionen und Freihandelsverträgen
zerstört die afrikanische Landwirtschaft
genauso. Diese Politik ist somit auch
mitverantwortlich für Migrationsbewegungen
über das Mittelmeer nach Europa. Die
Verantwortung dafür liegt ganz offensichtlich
bei uns im globalen Norden.
Die
Erzeuger von konventioneller Milch erhalten in
diesem Jahr rund 30 Prozent weniger als noch vor
zwei Jahren. Im österreichischen Durchschnitt
bekommen diese von den Molkereien nur noch rund 28
Cent für einen Liter - viele Milchbauern
können da nicht mehr mit und müssen
aufgeben.
Der
Bauer von heute führt einen straff
organisierten, hocheffizienten, spezialisierten
Industriebetrieb und muss mit Weltmarktpreisen
konkurrieren. Die Alternative dazu sind kleine
Landwirte, die mit viel körperlichem Einsatz
und Ab-Hof Verkauf versuchen zu überleben.
Bauern und Bäuerinnen die ihr Fleisch,
Gemüse, Milch auf lokalen Märkten
verkaufen.
Im
Film kommen beide Betriebsformen zu Wort -
besonders glücklich scheinen sie alle nicht.
Ob der Kärntner Industriebetrieb mit 1.300
Mastschweinen, der mit dem Fleischpreis kämpft
und den Kredit für den Stall zurückzahlen
muss oder der niederösterreichische
Kleinbetrieb mit Hofschlachtung, der auf
große fremdfinanzierte Investitionen
verzichtet hat - beide kämpfen sie ums
Überleben. Der internationale Freihandel mit
Lebensmitteln findet immer jemanden, der noch
billiger produzieren kann.
Die
arbeitsteilige Landwirtschaft importiert für
die Tiermast große Mengen Soja aus Brasilien,
für dessen Anbau riesige Regenwaldflächen
gerodet werden. Früher wurden die Tiere mit
heimischem Getreide gemästet. Soja ist
deswegen beliebt, da die Tiere damit - kurz gesagt
- schneller wachsen und damit schneller
schlachtreif sind, als bei Fütterung mit
Getreide aus unseren Breiten.
Da
große Handelsketten vom Produzenten genormte
Produkte in großen Mengen erwarten, haben
kleine Betriebe für diese keine Bedeutung als
Lieferant oder Produzent. Kleine und
mittelständische Betriebe tauchen daher nur
selten mit ihren Produkten in den großen
Einzelhandelsgeschäften auf. Um diese
großen Einheiten allerdings produzieren zu
können, müssten die Betriebe massiv in
Anbaufläche, Maschinen und Personal
investieren. Ohne Bankkredite geht sich das nicht
aus.
Dieselben
Handelsketten, die nur von den industriell
produzierenden Betrieben kaufen, machen allerdings
Werbung mit sprechenden, süßen
Ferkelchen und erwecken den Eindruck der Bauer
streichelt jedes seiner fünf Schweine mehrmals
täglich bevor er sich mit einem Grashalm im
Mund und einem Huhn auf dem Schoß
gemütlich den Sonnenuntergang auf seiner Alm
ansieht. Welch zynische Ironie, wenn man es sich
genau überlegt.
Der
heutige Landwirt hat durch die Vorgaben des
Einzelhandels den großen Zwang zu wachsen.
Von 1970 bis heute hat sich die durchschnittliche
Größe eines Betriebes verdoppelt. 1995
hatte ein durchschnittlicher Landwirt 32 Hektar -
2013 war der Wert bereits bei 43 Hektar. Momentan
ist es relativ schwierig Land zu pachten berichtet
Fritz Grojer aus Kärnten. Er bewarb sich um 20
Hektar Ackerfläche und es gab 41 Mitbewerber.
Er sah allerdings von einem Gebot ab, da es sich
für ihn finanziell nicht ausgeht.
Die
Bauern hier in Europa können nicht mehr von
ihren Produkten leben und unsere Gesellschaft
verliert mit der kleinstrukturierten Landwirtschaft
viel mehr als nur die Bauern selber. Artenvielfalt,
Arbeitsplätze am Land, das soziale Netz im
ländlichen Raum, Selbstversorgung - das sind
alles Dinge, die nicht am freien Markt gehandelt
werden können und damit auch keinen Preis
haben.
Niemand
ist glücklich in diesem System der Ausbeutung
in alle Richtungen.
Fast. Die wenigen Profiteure sind international
agierende Konzerne, die Industrie, die großen
Einfluss auf die politischen
Entscheidungsträger nimmt.
Aber
Robert Schabus zeigt in "Bauer unser" auch
Alternativen.
Statt immer mehr zu produzieren, setzen manche
Landwirte auf Regionalisierung und
Bioproduktion.
Eine
der beeindruckendsten Erkenntnisse der
Dokumentation:
Die
in Kalorien messbar effizienteste Art der
Lebensmittelproduktion ist der Gartenbau.
Neben
der dadurch erwirtschaftbaren Menge an
Lebensmitteln ermöglicht dieser auch am besten
eine Verteilung auf die Menschen, die ihrer
bedürfen,
nur liegt dies nicht im Interesse der oben bereits
erwähnten wenigen Profiteure der aktuellen
Situation.
"Bauer
unser" ist eine Bestandsaufnahme eines
unbefriedigenden Zustandes, für Bauern ebenso
wie für Konsumenten, der aber auch
Alternativen aufzeigt.
Seit
11. November ist die Dokumentation
in Spielfilmlänge in ausgewählten
österreichischen Kinos zu sehen.
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