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G E R D ' s

E L E V E N T Y

P di M . 4 5

Thomas Buchtipp

Zur Abwechslung habe ich mir diesmal ein ziemlich humorvolles Buch für meinen Tipp ausgesucht, wenn man bei der Lektüre auch nicht den notwendigen Ernst übersehen kann, mit dem der Autor an sein Thema herangeht.

Der Erscheinungstermin darf jedoch nicht so verstanden werden, dass dieses Buch ebenso dramatisch für die USA wären wie andere Ereignisse, die mit diesem Datum in Verbindung gebracht werden.

Es ist eine ambivalente Liebeserklärung an den Alltag in Amerika: Mit subtilem Humor erzählt der Stern-Reporter Michael Streck vom Leben in den Staaten als deutsche Familie in 24 Originalzeichnungen eingefangen von Kultcartoonist Til Mette.

Michael Streck, Stern-Autor und USA-Kenner, blickt zurück auf sieben amerikanische Jahre mit seiner Familie: auf die Wohnungssuche in New York und andere Abenteuer des Alltags. Auf Reisen zu berückend schönen Orten wie Big Sur oder Hawaii - und auf die Stromausfälle, die in Amerika so sicher sind wie das Amen in der Kirche. Auf Handwerker, die zu Stammgästen wurden. Auf Ameisen, Streifenhörnchen und sonstige Haustiere. Auf Grillnachmittage mit den Nachbarn, Wagenladungen voller Nachos und die Unmöglichkeit, in Amerika echt gute Schokolade zu bekommen. Auf Sex und Prüderie, Sicherheitskontrollen, politische Korrektheit und die merkwürdigsten Verbote. Und auf den absurden Versuch, den Führerschein zu machen.

Es folgen ein paar Leseproben, die einen kleinen Vorgeschmack bieten sollen, aber auch Höhepunkte des Buches darstellen:

Im Fernsehen funktioniert ständig alles in Amerika: die Telefone, die Computer, die Aufzüge, die U-Bahnen, die Geschirrspüler, Waschmaschinen und die Pistolen.
Das Fernsehen lügt.
In Wahrheit, außer im Fernsehen, funktioniert in Amerika verhältnismäßig wenig bis auf die Pistolen.

Wenn wir zuhause mit dem Handy telefonieren wollen, müssen wir bei gutem Wetter auf einen kleinen Hügel steigen, das Gerät in die Höhe halten und beten.

Überhaupt kann körperliche Annäherung oder die bloße Erwähnung bestimmter Körperteile heillosen Ärger zur Folge haben. Susan Patrons preisgekröntes Kinderbuch „The Higher Power of Lucky“ musste vor zwei Jahren aus Tausenden von Schulbüchereien verschwinden, weil in ihm das Gemächt eines Hundes am Rande erwähnt wird.

Solche Zensur empörte die ältere Tochter des Hauses zutiefst, „So what ? Die Eier eines Hundes ?“. Sie nahmen in der Schule gerade das amerikanische Rechtssystem durch, und darin vertiefte sie sich ausgiebig und beglückte uns beim Abendessen fortan mit schönen und zeitlosen Preziosen und Sottisen der US-Justiz.

„Wisst ihr, dass Mickey Mouse in Texas nicht für ein öffentliches Amt kandidieren darf ?“ Wussten wir nicht.
„Wisst ihr, dass man in Alaska kein Bier und keinen Schnaps an Elche verkaufen darf ?“ Wussten wir nicht.
„Wisst ihr, dass Frösche in Memphis für nächtliches Quaken verhaftet werden können ?“ Wussten wir nicht.

„Wisst ihr, dass in der Verfassung von New Mexico steht, dass Idioten hier nicht wählen dürfen ? Artikel sieben, Ehrenwort.“
Wussten wir nicht. Es ist bei näherer Betrachtung vielleicht das sinnvollste Gesetz im Land.

Jetzt klagen die Linken wie die Rechten, die Alten wie die Jungen, die Frauen wie die Männer, weil eine Gallone Treibstoff mehr als drei Dollar kostet. Eine Gallone entspricht knapp vier Litern, und Deutsche würden bei diesen Preisen in die Luft gehen vor Freude. Amerikander gehen in die Luft vor Wut. David klagte auch. Er hatte sich einen Wagen der Marke GMC gekauft, ein „Sports Utility Vehicle“ oder kurz SUV, und die größten von ihnen erinnern an kleinere Eigenheime in Deutschland. Die hervorstechendste Eigenschaft dieser rollenden Eigenheime ist, dass sie Benzin nicht verbrauchen, sondern vernichten.

[Reverend] Denny [Pattyn] sprach über die Kraft Gottes, aber er sprach noch mehr von Geschlechtskrankheiten und neuen Viren und zitierte aus dem Fachwerk „Epidemic – how teen sex is killing our kids“: „Wer mit sechs Personen Sex hat, ist statistisch betrachtet einer 63mal höheren Infektionsgefahr ausgesetzt.
Sex macht krank, das war nun allen klar. Und wie. Zumindest macht Sex vor der Ehe krank. Dann kam es zum Schwur auf die Keuschheit. Aber erst durften die Kids einen Silberring für 15 Dollar kaufen, den sie von diesem Tag an tragen mussten und erst ablegen für den Ehering.
...
Mir war übel, als ich die Kirche verließ.

...

 „Creation Museum“
... Zum Erstaunen war ein Dinosaurier, ein Triceratops, wie die ältere Tochter sofort erkannte, gesattelt wie ein Pferd und eine freundliche Dame gesetzten Alters erklärte den europäischen Besuchern, dass Mensch und Dinosaurier früher vor 6000 Jahren, als Gott die Erde schuf, friedlich koexistierten und sich der Mensch den Dinosaurier Untertan machte wie eben auch Hund und Pferd.
...
Die ältere Tochter, gestählt durch heidnischen Erdkund-Unterricht, fragte die freundliche Dame, wie es möglich sei, dass Menschen auf Reptilien reiten konnten, die doch vor 65 Millionen Jahren nach einem Meteoriteneinschlag ausgestorben seien. Und die Dame sagte: „Siehst du, das ist der Fehler. Vor 65 Millionen Jahren gab es die Erde noch nicht.
...
Viele Menschen waren in diesem Museum und fotografierten ihre Kinder vor dem gesattelten Saurier, aber man kann nicht behaupten, dass der Ausflug nach Kentucky die jüngere Tochter auf ihrem Weg zur christlichen Reifeentscheidend nach vorn gebracht hätte. Es war eher ein Schritt zurück in die Steinzeit.

„Spinnen die?“ fragte sie im Auto, und die Frau des Hauses sagte zögerlich: „Nun ja: Ja“.

 *

Stars & Stripes und Streifenhörnchen ist am 11. 9. 2008 im Malik Verlag (=Verlagshaus Piper) unter der ISBN: 3890293506 erschienen, umfasst 320 Seiten und ist um € 20,50 im Buchhandel erhältlich.
Viel Vergnügen !

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