Das Konzept
des Nationalismus und dessen Staaten ist
überholt und nicht mehr
zeitgemäß.
Anstelle des Nationalstaates tritt das Paar der
konkreten Heimat und der Wertegemeinschaft auf die
Bühne des 21. Jahrhunderts.
Zum Beispiel ein
zu entwickelndes Europa der
Regionen.
Was ist eigentlich
Heimat ?
Es gibt viele
Facetten von Heimat: Es kann der Wohnort oder eine
soziale Gemeinschaft, in der ich mich
wohlfühle, sein. Möglich ist auch ein
Heimischwerden in seelischen Dramaturgien, deren
Charaktere und handelnden Wesen Teile von mir
selbst widerspigeln. Eine andere Art von Heimat
stellt die geistige Heimat, dessen
Ausformung kontextuell immer wieder neu zu schaffen
ist, dar ...
Ich spreche hier
zunächst von meiner weltlichen Heimat. Meine
weltliche Heimat ist die Region,
in der ich aufgewachsen bin und in meiner Kindheit
geprägt wurde. Es ist die
weltlich-äußere Landschaft meiner
kindlichen und jugendlichen Erfahrungsräume,
welche eine Grundlage für mein Erwachsenwerden
darstellten und auf die ich immer wieder gerne
zurückkomme. Meine weltliche Heimatregion ist
einfach der Ort meiner Wurzeln und meiner
Herkunft.
Für mich ist
auch dessen Abstrahierbarkeit wesentlich, denn mit
der Abstraktion der Essenz, dem Wesen, meiner
Heimat, kann ich diese auch in andere Regionen
einbringen und zum überregionalen Dialog
beitragen. Die Abstraktion der voll erfahrenen und
intensiv erlebten Heimat ist auch ein Tor in das
Über-Weltliche und in eine zweite
Art von Heimat, von der ich später noch
schreiben werde.
Vom Räumlichen
her betrachtet besteht jede Heimat aus einem
Zentrum und der um ihn liegenden Landschaft. Alles
hat eine Mitte und eine Umgebung. Die
Mitte einer Heimat ist wie ein Knoten eines jeden
Netzwerkes und ist in der Regel eine (Klein-)Stadt.
Bekannte Beispiele sind die Kantone oder die
Bezirkshauptstädte. Darin finden sich die zwei
Grundcharaktere Stadt und
Land von Heimat wieder. Denn jedes Land
blickt zur Stadt, in der es sich selbst begegnet,
und jede Stadt blickt auf das Land, in der es seine
Impulse sendet und ein Feedback bekommt. So gibt
die Stadt sich hin und ihr Land gibt ihr
Raum.
Ich habe
Glück, denn ich komme aus einer Region, in der
sich Kärnten und seine Nachbarn treffen.
Eigentlich ist meine Region ja Villach (dargestellt
durch die Bezirke Villach-Stadt und
Villach-Land, dessen Trennung
voneinander ich für einen Unsinn halte, weil
gerade in meiner Region der Kontrast zwischen Stadt
und Land fließend ist), aber mir fällt
es leichter mich auch als Kärntner zu
verstehen, weil einerseits sich in Villach ganz
Kärnten trifft (dargestellt durch den
Villacher Kirchtag und dessen Kärntner
Brauchtumswoche) und weil andererseits Villach ein
kleines Kärnten ist - ähnlich
wie einst Bosnien-Herzegowina in
Jugoslawien.
Österreich
ist für mich, wie ich in der vorigen Ausgabe
schon berichtet habe, keine Region, sondern eine
oft historisch bedingte und unfreiwillige
Gemeinschaft von Regionen. Denn ich weise auf den
herrschaftlichen Hintergrund von Nationen, denen in
der Regel Monarchien oder andere autoritäre
Systeme vorangegangen sind, hin.
Ich glaube, dass
der Nationalismus und die Nation so gut wie nie die
eigentliche weltliche Heimat der Menschen ernst
genommen hat. Beispiele, wo ein Staat mit der
Region zusammenfällt, sind die antiken
griechischen Stadt-Staaten oder die
mittelalterlichen oberitalienischen Stadtgebiete.
Ich denke, dass die Herrschaftlichkeit im Laufe der
Zeit überregional wurde, weil es eine
Konzentration der Machtgebiete gab. Am deutlichsten
tritt das im Zentralismus, worin in Frankreich am
Beispiel des Asterix-Comics der Kontrast von Heimat
(das gallische Dorf entspricht der bretonischen
Heimatregion, und die Römer stellen die
Pariser Zentralgewalt dar) und der einem
herrschaftlich aufgezwungenen Nation bebildert
wird, hervor.
Im Nationalismus
und in anderen Instrumentarien autoritärer
Regimes (egal, ob links- oder rechtsextrem) ist
meine Heimat besetzt und wird mein
Heimatgefühl gerne für die Zwecke reicher
Machthungrigen missbraucht. So haben zum Beispiel
im heutigen Isreal Muslime und Juden meist
friedlich zusammen gelebt. Im sozialen Gefüge
einfacher und machtloser Menschen respektieren sich
die Nachbarn einander, außer es gibt
persönliche Gründe für Streit, worin
das Andere gerne als Vorwand für
den Streit herhaltet.
So meine ich, dass
der Nationalismus vor allem gemischt-sprachige und
-kulturelle Regionen schadet. Da wird
herrschaftlich in funktionierende Gemeinschaften
eingegriffen, weil denen überregionale
Interessen zu Gunsten der nationalen
Machthaber entgegenstehen. So sieht ein einfacher
Arbeiter den Konflikt zwischen Quebec
und Kanada, oder ein Mensch vor Ort die Sache
zwischen Türken und
Griechen auf Zypern komplett anders,
und wem dient letztlich der Streit zwischen
Kärntner Slowenen und
deutschsprachigen Kärntnern ? Auch
Populisten denken zuallererst an sich selber - und
ist es so überraschend, dass es sich dabei
bloß um Millionäre und
Geschäftsleute handelt ?
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Der
Nationalismus teilt Heimaten, und als
Kärntner, der am 10. Oktober seinen
Landesfeiertag begeht, kann mir das nicht
recht sein;
zumal ich einen österreichischen
Nationalismus (im Vergleich etwa zum
ungarischen) bislang noch gar nicht
wahrgenommen habe.
Während
sich einige Ungarn in St. Gotthard an das
vor hundert Jahren große
Ungarn,
und welche Gebiete sie verloren haben,
erinnern,
erinnert sich bei uns so gut wie keiner an
das große
Österreich
vor hundert Jahren, sondern bloß an
jene Zeiten, wo Österreich ein Teil
Deutschlands gewesen ist.
Im
Vergleich zu den Ungarn verraten sogar
unsere Nationalisten unseren Heimatstaat
... Wieder mal so eine absurde
Skurrilität Österreichs
...
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So wird mir eine Heimat vorgegaukelt,
welche mich wohl meiner soziale Rechte als
Arbeitnehmer und die Errungenschaften des
Gemeinwesens vergessen lassen machen soll. In
Wirklichkeit passiert nämlich genau das
Gegenteil von Heimatpflege: Deutschnationalismus,
oder Globalisierung und Liberalisierung zu Gunsten
von global players und dem
Spekulantentum.
Viele Streitereien
sind nur Ablenkung, und es gilt mein
Ohnmachtsgefühl und mein Ärger über
die Resgination nicht auf dem Rücken meiner
Nachbarn auszutragen.
*
Ein zweiter
wichtiger Aspekt ist für mich die
Wertegemeinschaft, welche durch das Leben meiner
Heimat eine stimmige Form und Anwendung
erfährt.
Unsere
Wertegemeinschaft wurde noch nicht frei entwickelt,
zumindest dies nicht in der Breitenwirkung. Durch
den Materialismus ist unser Kulturkreis zwar meist
einförmig im Gegenständlichen und
beliebig in den Werten, aber nicht flexibel in der
Form und nicht beheimatet in der Großen
Ökumene der unsichtbaren Einen
Kirche des Menschentums.
Das
abendländische Christentum würde aus
meiner Sicht zwar wertegemeinschaftsfähig
sein, aber von vielen noch aus
kleinbürgerliche oder andersautoritäre
Vorgabe gesehen werden. Dennoch ist es
eine zu diskutierende Möglichkeit. Denn eine
Brücke von der Gegenwart zum Bewußtsein
einer Wertegemeinschaft könnte ein
Verständnis, dass wir Teil vom Volke Gottes
aus Seinem neuen Bund sind. Da brauche ich keine
Nation mehr, denn aus diesem Verständnis
wären Heimaten Glieder am Leib Christi, worin
sich diese nicht mehr gegeneinander auszuspielen
brauchen, sondern sich besser ihres Gemeinsamen in
Christus besinnen.
Außerdem habe
ich noch kaum erlebt, dass Weltanschauungen direkt
vermittelt werden. Ein Wesentliches tritt immer
vermengt mit dem aktuellen Kontext auf und muss
daraus erst exformiert werden, denn wäre das
nicht der Fall, würden dem
Wesentlichen seine Praktiken fehlen. So
spielt bei Werten also der Kulturkreis und die
Gegend oft eine Rolle, und dessen Lebensformen sind
selten intellektuell.
Eine globale
Wertegemeinschaft liegt mir praktisch noch zu
ferne. Also bietet sich als Zwischenschritt mein
überregionaler Kulturkreis, in der das
Christentum und dessen Beziehungen zu anderen
Religionen seit langem eine Rolle gespielt hat, an.
Das wäre Europa - das Abendland mit seinen
Beziehungen zum Morgenland und über die
Brücke der russischen Volksseele zum Fernen
Osten.
Zudem gibt es
weltweit eine europäische
Identität, welche etwa historisch mit
der Kolonialisierung in Verbindung gebracht wird.
Seit dem zweiten Weltkrieg läuft Europa Gefahr
weltanschaulisches Anhängsel seines Westens,
von Amerika, oder seines Ostens autoritärer
Nationen zu werden. Ein Weltbewusstsein
gibt es (noch ?) nicht. Oft wird dies gerne mit dem
verwaschenen amerikanischen und materialistischen
Lebensstil verwechselt. Ein globales Menschentum
scheint mir momentan einfach zu
theoretsich.
Obwohl vielleicht
wünschenswert, ist mir das jetzt einfach zu
weit weg. Denn ich glaube nicht, dass wir durch den
Verlust von Ausprägungen und Charaktere, und
durch ein verwaschenens Alles und
Nichts zu einem Menschentum kommen
werden.
Ein zu
entwickelndes Europa, das als Wertegemeinschaft
eigenständig von Amerika und vom Kommunismus
ist, scheint mir der beste Zwischenschritt für
das 21. Jahrhundert zu sein. Es wird ein neues
Europa, das an das vergangene abendländische
Erbe anknüpft, und seine globalen Beziehungen
neu und frei von den Vorgaben der
Welthandelsorganisation gestaltet, notwendig
sein.
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