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von
Thomas
Für
meinen aktuellen Buchtipp habe ich
(Thomas) wieder einmal einen Titel
ausgewählt, der in den Themenbereich
Globalisierung / Regionalität
passt.
Die
Macht der Geographie im 21.
Jahrhundert ist ein interessantes
Buch für politisch interessierte
Leser und bietet einen hervorragenden
Überblick über das Thema
Geopolitik, das als komplex zu bezeichnen
noch untertrieben wäre.
Die
großen internationalen Konflikte des
21. Jahrhunderts sind heute bereits
angelegt. Mit bestechender Klarsicht
identifiziert der Politikexperte Tim
Marshall, welche zehn Regionen die
größten Krisenherde der
nächsten Zukunft darstellen. Er
erklärt, welche Rolle geographische
Faktoren spielen, wer in die Konflikte
verwickelt ist und welche Lösungen es
geben könnte. So wird Australien im
Pazifik mit der Supermacht China
konfrontiert sein, Griechenland mit der
Türkei um Gebiete im Mittelmeer
kämpfen, die Sahelzone eine neue
Flüchtlingskrise in Europa
hervorrufen und der Weltraum
unterschiedlichste Besitzansprüche
wecken ein äußerst
spannendes Buch, das uns die Augen
für die großen
Herausforderungen der kommenden Jahre
öffnet.
10
Karten, 10 verschiedene geographische
Zonen und die hieraus resultierenden
Konsequenzen politischen Handelns nimmt
Tim Marshall unter die Lupe, rund um den
Erdball. Aber damit begnügt er sich
im vorliegenden Werk nicht. Die
möglichen Konsequenzen des Wettlaufs
um die Vorherrschaft im Weltraum, finden
ebenfalls Beachtung.
Mögen
Staaten wie der Iran, Saudi-Arabien, die
Türkei (in Folge auch Griechenland),
Äthiopien und zumindest Teile der
Sahelzone rasch in Zusammenhang mit
aktuellen Krisenherden zu bringen sein, so
mag dies bei anderen Nationen wie
Australien, Großbritannien und
Spanien zunächst
verwundern.
Der
Autor erklärt es. Er beschreibt dabei
nicht nur die geographischen
Gegebenheiten, er schildert auch, welche
bereits spürbaren Konsequenzen dies
für die Historie der jeweiligen
Länder hatte. Ausrichtungen eigener
wirtschaftlicher und politischer
Strategien werden dabei eindrucksvoll in
Zusammenhang mit eben diesen Gegebenheiten
gebracht - ganz im Zeichen der Geopolitik.
Nicht zuletzt werden Betrachtungen
über die Konsequenzen des Handelns
für Klima und Umwelt mit
einbezogen.
Marshall
bietet in jedem Kapitel einen guten
Überblick, in dem er regionale
Geschichte, Politik und Kultur sowie
zeitgenössische Ereignisse
fließend miteinander verwebt.
Dazwischen finden sich einige
prägnante Beobachtungen des Autors,
die den erfahrenen Journalisten
widerspiegeln. In Bezug auf Australien
stellt der Autor beispielsweise fest, dass
es erst vor 35 Millionen Jahren zu einer
Insel wurde, und kommt auf das
gegenwärtige Dilemma zu sprechen, in
dem sich Canberra im Zusammenhang mit dem
Gegenschlag Pekings wegen Covid und
anderen Themen befindet.
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Marshall fügt in seiner Schlussfolgerung
hinzu: Die Beziehungen (zu China) zu managen,
wird schwierig sein: Wenn man es falsch anpackt,
riskiert man, Teil eines indopazifischen Kalten
Krieges zu werden, wenn man zu schwach ist,
riskiert man, eine Basis der Volksbefreiungsarmee
in seinem Hinterhof zuzulassen. Die Covid-19-Krise
hat bestehende Trends verstärkt und
beschleunigt.
Nach
einer Einführung in die Komplexität
Saudi-Arabiens und seine jüngste Entwicklung
als Nation meint Marshall augenzwinkernd, dass,
wenn der junge Kronprinz nicht in der Lage ist,
Saudi-Arabien erfolgreich von einer
ölabhängigen Wirtschaft wegzuführen
und die Welt sich in Richtung Solarenergie bewegt,
wir uns einer Zeit nähern, in der die
Amerikaner auf keinen Fall für die
Verteidigung der saudi-arabischen Solarpaneele
kämpfen werden.
Das
Kapitel über das Vereinigte Königreich
kommt zu einem einfühlsamen Schluss, der
vielleicht ein wenig ehrgeizig ist, aber auch die
Grenzen der Marshall-Formulierung aufzeigt, die die
Geografie überbetont. Der Autor stellt fest,
dass die Briten kommen ein Satz ist,
der in vielen Teilen der Welt über
mehrere Jahrhunderte hinweg, in denen sie ein
Imperium aufgebaut haben, geäußert
worden sein könnte, und erklärt,
dass zweieinhalb Jahrhunderte nach dem
amerikanischen Unabhängigkeitskrieg die Briten
wieder kommen - an so viele Orte wie
möglich.
Hier
versteht man als Leser aber nicht, ob das ernst
gemeint ist oder eine versteckte ironische
Feststellung darstellt.
Das
Kapitel Weltraum ist dasjenige, in dem Marshall
viel Stoff für Debatten liefert. Er weist
darauf hin, dass der Weltraum zu einem
politischen Schlachtfeld geworden ist, seit wir die
Erdatmosphäre durchstoßen haben und
einen Millimeter in die Unendlichkeit vorgedrungen
sind. Ohne einen wirklich einvernehmlichen
und ethischen Ansatz bei der Erforschung und
Nutzung des Weltraums zur Verbesserung des
Wohlergehens der Menschheit könnte der
Weltraum genauso militärisch umkämpft und
verschmutzt werden wie die Weltmeere.
Die
Erforschung des Weltraums ist nicht mehr das
Monopol der Großmächte, und der Eintritt
des Privatsektors (man denke hierbei an Elon Musk
und Jeff Bezos) hat diesen Bereich verändert.
Die Wahrscheinlichkeit, dass der Weltraum sowohl
für Abenteuer als auch für die Ausbeutung
von Ressourcen genutzt wird, ist nicht mehr nur
reine Science-Fiction, sondern steht unmittelbar
bevor. Marshall spricht von der Möglichkeit
eines International Musk Spacetel
ein Milliarden-Sterne-Hotel mit
zwanzig Zimmern, in dem die Gäste die
Sehenswürdigkeiten bewundern und die feinsten
gastronomischen gefriergetrockneten Speisen essen
können - zu einem astronomischen Preis -
10 Millionen Dollar pro Woche!
Was
die Bodenschätze betrifft, so informiert
Marshall den Leser, dass sich über uns
ein Asteroid namens 3554 Amun befindet. In ihm
befinden sich Nickel, Kobalt, Eisen und andere
Metalle mit einem geschätzten Wert von 20
Billionen Dollar, was in etwa dem BIP der USA
entspricht, und dass dies einer von
unzähligen weiteren ist.
Marshall
fordert die globalen Entscheidungsträger auf,
die Spaltung in wir und sie zu
überwinden und schließt mit einer
hoffnungsvollen Botschaft: Die Menschen haben
schon immer in den Nachthimmel geblickt und
geträumt ... der Himmel ist nicht die
Grenze. Menschliche Gier und Habsucht
könnten sich aber noch als Sisyphusarbeit
erweisen. Das wollen wir nicht hoffen.
Tim
Marshall wurde am 1. Mai 1959 in Leeds, England
geboren und ist ein britischer Journalist und
Buchautor. Als Experte für Außenpolitik
arbeitete er für Sky News und die BBC.
Marshall arbeitete für BBC als
Auslandskorrespondent. Im Rahmen dieser
Tätigkeit bereiste er 30 Länder und
berichtete von dort über politische Themen. Zu
diesen Ländern gehörten unter anderem die
Krisengebiete Israel, Kosovo, Syrien und
Afghanistan.
Tim
Marshall betreibt den Blog Foreign Matters, in dem
er über außenpolitische Themen
berichtet. Der Blog wurde für den Orwell Prize
2016 nominiert.
Marshall
schrieb auch für die Zeitungen The Times, The
Sunday Times, The Guardian, Independent und Daily
Telegraph.
Tim
Marshalls Die Macht der Geographie im 21.
Jahrhundert ist am 17.09.2021 im Deutschen
Taschenbuch Verlag (dtv) erschienen, umfasst 416
Seiten und ist unter der ISBN 978-3-423-28301-4 um
EUR 24,95 im Buchhandel erhältlich.
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