Buchtipp
von Ulrike,
anlässlich
des Volksbegehrens
für das Bedingungslose Grundeinkommen in
Österreich.
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Prof.
Dr. Hartmut Rosa ist Soziologe und
Politikwissenschaftler.
Er
lehrt an der
Friedrich-Schiller-Universität Jena
und am Max-Weber-Kolleg Erfurt. Mit seinem
Buch Beschleunigung wurde er einem breiten
Publikum bekannt. Darin beschäftigt
er sich mit der Frage, wieso wir
gefühlt immer weniger Zeit haben,
obwohl wir sie ständig sparen. Als
eine Hauptursache macht er das Hamsterrad
der Beschleunigung aus.
In
seinem darauffolgenden Buch
Resonanz stellt er sich den Fragen,
wie ein Leben außerhalb dieses
Hamsterrads aussieht, was ein gutes Leben
auszeichnet und wie wir als Gesellschaft
dahin gelangen können. Als einen
konkreten Lösungsvorschlag nennt er
das Bedingungslose
Grundeinkommen.
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Es ist Jänner. Die Neuanmeldungen im
Fitnessstudio schießen in die Höhe,
Menschen tauschen sich fleißig über
gesunde Ernährung aus und nehmen sich vor mal
wieder ins Theater zu gehen.
Was diese Neujahrsvorsätze und viele weitere
eint, ist der Wunsch nach einem guten und
erfüllten Leben. Doch was ist das
überhaupt: ein gutes Leben ? Und
wie bekommt man das ?
Einer
der bekanntesten Soziologen Deutschlands, Prof. Dr.
Hartmut Rosa, hat sich dazu in seinem Buch Resonanz
einige Gedanken gemacht. Und Achtung Spoiler: Das
Bedingungslose Grundeinkommen spielt darin eine
besondere Rolle. Frau Maheba ihn auf einer
Veranstaltung des Kolleg Postwachstumsgesellschaften
getroffen, um mit ihm über den Zusammenhang
von Grundeinkommen und gutem Leben zu
sprechen.
Maheba:
In deinem Werk Resonanz
- Eine Soziologie der
Weltbeziehung
schreibst du über das gute Leben. Kann man
denn überhaupt einheitlich definieren, was
genau das gute Leben ist?
Hartmut
Rosa: Ja, aber es ist eine schwierige Frage.
Ich habe fast 900 Seiten dafür gebraucht
(lacht). Ich versuche es mal zusammenzufassen. Ich
glaube, dass man die Qualität von Leben an der
Art und Weise wie wir auf die Welt bezogen sind
messen kann. Es ist eine Beziehungsfrage:
Wie treten wir zueinander in Beziehung ? Aber auch:
Wie treten wir zu uns selbst in Beziehung ? Und was
für ein Verhältnis haben wir zur Welt und
den Dingen in ihr ? Deshalb lautet der Untertitel
des Buches auch Soziologie der Weltbeziehung. Es
gibt also ganz unterschiedliche Formen des
In-Beziehung-Tretens.
Unter
den gegenwärtigen Bedingungen leben wir
allerdings in einem Aggressionsverhältnis. Wir
müssen dauernd alles mögliche erledigen
und erreichen - Weltreiche vergrößern,
so nenn ich das.
Ein
gutes Leben hingegen ermöglicht es in Resonanz
zueinander zu treten. Resonanz ist eine bestimmte
Art des Bezogen-Seins, das ich als Hören
und Antworten beschreibe.
Ich lasse mich von etwas berühren. Es ergreift
mich. Im zweiten Moment erfahre ich mich dabei aber
auch als wirksam verbunden. Das ist ganz wichtig.
Menschen wollen, dass das, was sie tun, auch eine
Spur hinterlässt und eine Wirkung in der Welt
erzielt. Wenn wir so etwas erleben, transformieren
wir uns auch immer wieder selbst. Nur da
fühlen wir uns lebendig. Deshalb glaube ich,
ein gutes Leben ist eins, das sich auf diese Art
von Wechselspiel einlässt: ein Leben, in dem
wir die Möglichkeit haben, im Sozialkontakt,
im Gegenkontakt und im Verhältnis zum Leben
überhaupt in Resonanz zu treten.
Anm.d.Red.:
Ch
- fortsetzend spreizend in die Weite gehend - dann
wieder einsammelnd und
F
- da kommt etwas als Feedback zurück und wird
mir zum ChaL,
ein Wind unserer Werdung - hin ins
M
... vielleicht ins oberton Meinen.
Maheba:
Und was genau hat ein Bedingungsloses
Grundeinkommen mit dem guten Leben zu
tun?
Hartmut
Rosa: Da braucht man einen Zwischenschritt.
Eine Voraussetzung für Resonanzfähigkeit
ist eine gewisse Form von Angstfreiheit.
Denn wenn ich Angst habe - übrigens auch, wenn
ich unter Zeitdruck stehe - darf ich mich nicht in
Resonanzverhältnisse begeben, beziehungsweise
mich nicht darauf einlassen. Unter Zeitdruck sieht
man das ganz klar: Wenn ich in zehn Minuten am
Bahnhof sein muss, weil dann mein Zug geht, dann
darf ich nicht mehr mit dir in Resonanz treten, zum
Beispiel in Form eines interessanten
Gesprächs. Aber bei Angst ist es auch klar:
Wenn ich Angst habe, verschließe ich mich
gegenüber der Welt und kann mich zum Beispiel
nicht mehr an der schönen Musik erfreuen, die
von irgendwoher erklingt.
Ich
glaube, dass die gegenwärtige Gesellschaft
geprägt ist durch einen permanenten Zwang zur
Steigerung. Das ist systemisch verankert, denn
Wirtschaftswachstum, Beschleunigung und Innovation
müssen jedes Jahr von uns erbracht werden und
das übersetzt sich in unser Leben in Form von
Konkurrenzdruck und Existenzzwang.
Wir
kommen uns vor, als ob wir an einer Bergwand
hängen, an der wir ständig abrutschen,
und wenn wir es nicht schaffen wieder nach oben zu
klettern,
dann fallen wir in einen Abgrund und dieser Abgrund
ist bodenlos. Das ist sowas wie der soziale
Tod.
Die
gegenwärtige Grundsicherung ermöglicht
uns zwar, dass wir nicht verhungern, aber sie nimmt
uns den Platz in der Welt. Sie nimmt uns das
Gefühl eines legitimen Zugehörig-Seins
zur Welt und zur Gesellschaft. Mit der Angst vor
dem sozialen Tod haben nicht nur die zu
kämpfen, die wirklich von Hartz IV leben,
sondern alle anderen auch, denn sie könnten ja
ebenfalls dort hinabrutschen.
Deshalb glaube ich, ein Bedingungsloses
Grundeinkommen schafft eine existenzielle
Sicherheit für die gesamte Gesellschaft. Sie
pazifiziert die Existenz, sie befriedet unser
in-der-Welt-Sein, sodass es uns überhaupt
wieder möglich ist, in Resonanz zu kommen -
mit uns selbst, mit der Welt, mit der
Natur.
Maheba:
Eine Gesellschaft, die frei von Existenzangst ist,
wie stellst du sie dir vor ? Was könnte da
alles passieren ?
Hartmut
Rosa: Es ist ja nicht so, dass wir dann
komplett frei von Existenzängsten wären.
Wir könnten immer noch krank werden. Wir
würden in Liebesdingen schreckliche
Ängste ausstehen und in vielen anderen Dingen
auch. Wir müssten allerdings nicht mehr um
unsere ökonomische Existenzsicherung besorgt
sein. Und jetzt ist die spannende Frage, die ja
auch immer diskutiert wird: Werden die Leute dann
einfach faul ? Sitzen sie dann womöglich alle
mit der Bierflasche vor dem Fernseher ? Und da
lautet meine Antwort: Dieses Phänomen, dass
Menschen so frustriert werden, dass sie mit der
Bierflasche vor dem Fernseher sitzen, das hat Hartz
IV erzeugt. Weil es diese Menschen und ihre Zeit
entwertet hat.
Wenn
man den Menschen vermittelt, eigentlich seid ihr
überflüssige
Wesen, dann entzieht man ihnen die Möglichkeit
aktiv, kreativ und innovativ mit Welt und
Gesellschaft verbunden zu sein.
Menschen strengen sich gerne an. Sie sind auch
gerne kreativ. Das gehört zu unserem Wesen
dazu.
Und
deshalb denke ich, dass so eine Gesellschaft, in
der die Existenz erstmal befriedet ist, nicht
träge oder gar faul sein wird,
sondern sich alle möglichen Formen von
Resonanzquellen und Resonanzbeziehungen
erschließen wird.
Wir
werden aber nicht mehr gezwungen - weder in der
Produktion noch in der Konsumtion - uns panisch auf
Steigerung zu konzentrieren.
Maheba:
Vielen Dank für das Gespräch,
Hartmut.
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Verlag: Suhrkamp Verlag, 2. Auflage 10. März
2019 / ISBN-10: 3518298720, ISBN-13:
978-3518298725, um ca. 20 Euro im Buchhandel
erhältlich.
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