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G E R D ' s

E L E V E N T Y

D U R I G . B E R G A B

Intelligentexkrementator

Johannes Wort der Ausgabe

© Ich selbst (Dr. Johannes Klietmann)

Wie an obigem Titel unschwer zu erkennen ist, geht es heute eindeutig und unmissverständlich um die schöne Tugend der Bescheidenheit. Obige Wortneuschöpfung entsprang ganz zwanglos einem kleinen Denk-Hobby von mir, nämlich Pseudofachtermini (oder zu gut Deutsch: frei erfundene Fachausdrücke) zu erfinden. Im konkreten Fall geht es um den sogenannten "Klugscheißer", den ich hier "übersetzt" habe.

 

Und damit sind wir schon beim Punkt:

Wie an dieser Stelle schon einmal ausgeführt, tendieren wir dank langjähriger Erziehungsmaßnahmen, seien diese freiwillig oder unfreiwillig erfolgt, zur Überschätzung von Fachbegriffen. Wenn wir diese nämlich nicht verstehen, nehmen wir automatisch an, dass der / die / das Sprechende klüger ist als wir selbst. Dem muss durchaus nicht so sein, es ist ganz leicht, solche Wörter zu erfinden.

Als kurze Erklärung: Worum geht es bei Fachbegriffen? Schlicht und ergreifend darum, einem bestimmten Konzept einen einzigen, nicht anderweitig belegten Begriff zuzuordnen. Daher werden diese Begriffe gerne toten Sprachen entnommen und entwickelt, um möglichst exakt das widerzuspiegeln, um das es geht. Und idealerweise gibt es den Begriff nicht schon.

 

Ein paar kurze Beispiele: "Idiopathisch" bedeutet so viel wie "Krankheit mit unbekannter Herkunft", "zerebral" bezieht sich immer auf das Gehirn und so weiter und so fort.
Allerdings werden Fachausdrücke auch gerne dazu verwendet, um so zu tun, als ob man mehr wüsste als das jeweilige Gegenüber. Auch wenn dem nicht so ist, funktioniert es oft als Trick.

 

Daher mal eine wichtige Durchsage:

Es gibt durchaus auch Menschen, die Dinge können und wissen, die nicht unbedingt mit Fachbegriffen einhergehen.
Ich bewundere auch praktisch-intelligente oder emotional-intelligente Leute; auch wenn sie nicht befähigt oder bereit sind, verschwurbelte Worte zu drechseln.

 

Ein sehr beliebter Trick ist es leider auch, das exakte Gegenteil zu tun:

Einen bereits existierenden Begriff mit einem frei erfundenen Konzept neu zu belegen. Gerade hermetisch abgeschlossene Gruppierungen mit mehr oder weniger krudem Weltbild tendieren gar wonniglich dazu, bekannte Begriffe so lange und gründlich mit eigenen Konzepten zu belegen, bis die Mitglieder der Gruppe sich mit Außenstehenden gar nicht mehr unterhalten können, da sie nicht mehr dieselbe Sprache sprechen, sondern nur dieselben Phoneme (Klangfolgen, Worte) von sich geben.

Damit bedeutet das, was Außenstehende mit handelsüblichem Wortverständnis sagen, für die Betroffenen etwas vollkommen Anderes. Und umgekehrt, natürlich.

 

Und dergleichen nimmt dank der momentan sichtbaren Vereinzelungstendenzen in unserer Gesellschaft herrlich zu.

Jede Sub-kultur / -gruppe hat eigene Begriffe, eigene Wendungen und Sprichworte. Versuchen Sie mal, sich mit einem passionierten MMORPG-Gamer über sein Hobby zu unterhalten (wenn Sie wissen, was das überhaupt ist, ist der erste Schritt schon getan, gratuliere). Oder mit Meerschweinchenzüchtern. Oder Jägern. Oder Rhetorikern. Oder Politikern. Oder anderen Obergescheiten, wie mir zum Beispiel.

 

Daher die heutige Hausaufgabe:

Erstens Fachbegriffe als das anerkennen, was sie sind: Sehr präzise Bezeichnungen. Nicht mehr und nicht weniger; ich kann auch dann das richtigere Konzept haben, wenn ich kein schönes Wort dafür kenne.

Zweitens, selbst wenn wir uns wirklich viel besser auskennen, das nicht verwenden, um auf andere Menschen herabzuschauen. Die haben sicher auch etwas, was sie über uns erhebt.

Drittens: Bereit sein, dazuzulernen und sich für andere Weltsichten zu interessieren.

Viertens: Bereit sein, die eigene Fehlerhaftigkeit und Irrtümer anzuerkennen - und zwar im Konkreten, nicht im Allgemeinen.
Wir alle wissen, dass wir nicht unfehlbar sind, wir sind bloß nicht bereit, diesen einen konkreten Fehler als solchen einzusehen. Wenn wir das nur konsequent genug durchhalten, sind wir ja doch wieder unfehlbar. Sollte die Wirklichkeit also sich erdreisten, unseren Meinungen zu widersprechen, so könnten wir ja zumindest rein hypothetisch als experimentelle Option erwägen, eine nicht exkludierbare Possibilität zu reflektieren, ob wohl unsere präjudizielle Perspektive nicht omniinklusiver (allumfassender, gerade frei erfunden) Korrektheit sich zu erfreuen befähigt ist.

 

Kurz: Vielleicht irren wir uns ja. Meistens hat die Wirklichkeit Recht; und es geht ja im Endeffekt bei allen Worten darum, sie zu beschreiben. Vergessen wir das mal nicht.

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