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(soweit mir bekannt) Prof. Dr. Haller
Ich
habe dieses wunderbare Wort in einem
psychologischen Buch kennengelernt, wo es den
Narzissten beschreibt.
Ganz
kurz umschrieben ist ein Narzisst jemand, der sein
übertrieben schwaches Selbstwertgefühl
dadurch zu stützen versucht, dass er sich
einen noch übertriebeneren
Großartigkeitskomplex zulegt.
Kurz und leicht übertrieben (außer in
schweren Fällen): Ein Narzisst stellt sich
immer in den Mittelpunkt und erwartet, von allen
anderen verehrt zu werden, ist bei der kleinsten
Beleidigung (was schon zu geringe Verehrung
auslösen kann) sofort extrem gekränkt,
aber seinerseits zu keinerlei Rücksicht
gegenüber anderen Menschen fähig, da sich
alle seine Gefühle um ihn selbst
drehen.
Ich
habe mich oft gefragt, was -ling eigentlich
bedeutet.
Das
Suffix (Endung, Gegenteil zu Präfix: Vorsilbe)
-ling bedeutet in unserer Sprache, dass jemand oder
etwas mit dem vorangestellten Wort definiert wird.
Beispiele wären etwa der Frischling, der
Neuling, der Stichling (das ist ein Fisch), der
Schädling, der Nützling, der
Schwächling, der Schreiberling, der
Feigling
kurz und gut: wird es an ein
Adjektiv gehängt, wird dieses Adjektiv zum das
ganze Wesen definierenden Begriff aufgebaut
(weswegen die meisten -linge nicht eben
schmeichelhaft sind - wer wird schon gerne auf eine
einzelne Eigenschaft reduziert? Ich nicht, ich bin
eindeutig ein Nichtreduktionsling).
Nun
zum Ichling: Trotz sprachlicher Nähe zum
Stichling ist er zwar vergleichbar kalt und
vergleichbar verletzend, aber häufiger
anzutreffen, und seltener unter Wasser.
Wir finden dieses seltsame Wesen sehr oft im
sogenannten Scheinwerferlicht, wo es sich
allerdings auf Grund von Konkurrenz unter
seinesgleichen nicht immer voll entfalten kann. Am
besten geht es einem Ichling, wenn er - oder sie -
als einziges halbwegs prominentes Wesen an einem
Ort ist, wo es bevorzugt noch einen Scheinwerfer
gibt. Auch ohne Scheinwerfer können sie jedoch
leben, dann erfinden sie sich üblicherweise
ihren eigenen, psychologischen Scheinwerfer: Sind
sie Chefs oder wichtigere (oder auch nur
ranghöhere) Personen, werden sie sowieso
besonders beachtet; richtige Ichlinge jedoch
vermögen eine besondere Atmosphäre des
"Verehre mich - und wehe, du tust das nicht !"
verbreiten (ja, ich sehe schon, wie hier Namen und
Gesichter assoziiert werden
).
Selbst
im kleinsten Kreis, also einer
Zwei-Personen-Massenansammlung von Leuten
können sie dieses Spiel spielen, allerdings
ist dann eben das Publikum kleiner.
Dennoch ist es möglich, dass sich jemand in
den Mittelpunkt stellt und erwartet, dass sich
beider Aufmerksamkeit um ihn dreht (oder sie, wie
gesagt). Nur allein ist das schwierig - aber das
wird schon gehen.
Wir
alle kennen solche Leute, nicht wahr ?
Bis zu einem gewissen Grad tragen wir es alle auch
selbst in uns - wer möchte nicht bewundert,
geachtet, geliebt werden? Hand hoch und ab zum
Psychotherapeuten!
Ernsthaft, es ist nichts Schlechtes dabei - solange
man nicht anderen damit Schaden zufügt, was
wahre Ichlinge grundsätzlich, ohne
Rücksicht, ja, ohne Sensorium für den
angerichteten Schaden tun.
Daher:
Der
Ichling (Homo non sapiens sed
egoisticus):
Raubtier.
Aufmerksamkeits-, Bewunderungs- und
Energiesäugetier, das zur Balzzeit (immer,
wenn es mögliches Publikum wittert) seine
Besonderheit aggressiv demonstriert,
unabhängig von deren realer Existenz. Vermag
selbst mit Unterlegenheit oder Verletzungen zu
prahlen und zu erpressen. Besonderes Nervgift in
der Zunge, das überall in Hörweite
verspritzt werden kann, dessen Kontakt
zunächst völlig unnötige Bewunderung
für den Vergifter sowie
Minderwertigkeitskomplexe, später große
Aversion verursacht.
Der
Ichling lauert besonders gerne nahe Fernsehkameras,
in Chefetagen und Feierlichkeiten, wo er nach
Beutetieren (sogenannten "Bewunderern") Ausschau
hält.
Wird bei Nichtbeachtung aggressiv. Warnung an den
Tierfreund: Höflich bleiben, Kontakt aber nach
Möglichkeit vermeiden. Tatsachen sind nett,
aber unerwünscht, Kritik (auch
konstruktiv-freundliche) wird als Angriff
fehlinterpretiert. Gegenangriffe des Ichlings sind
immer übertrieben.
Ichlinge
sind strikte Einzelgänger, leben
grundsätzlich parasitisch und vermeiden darum
Kontakt mit Ihresgleichen. Höchste Vorsicht
ist geboten, wenn zwei (oder mehr) Ichlinge
aneinander geraten, da "Kollateralschaden" in ihrem
Wortschatz komplett fehlt. Der Kampf wird (zumeist)
dadurch ausgetragen, dass um Bewunderung gebalzt
wird. Wer besser balzen kann, ist der
größere Ichling und behält das
Revier (den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit).
Vorsicht: Gerade vertriebene Ichlinge sind oft
besonders aggressiv und nehmen ihre Opfer, wenn sie
denn eines finden können, besonders
gründlich in Beschlag.
Kann
leicht mit dem Schein-Ichling verwechselt werden,
der tatsächlich auf Grund von realer
Besonderheit im Mittelpunkt steht.
Typisches Unterscheidungsmerkmal: Der echte Ichling
sucht das Scheinwerferlicht und gönnt es sonst
niemandem, während der Schein-Ichling es eher
meidet und zumeist auch anderen gegenüber
freundlich bis bewundernd auftritt, was ein Ichling
nie tun würde.
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