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G E R D ' s

E L E V E N T Y

E ' G U T

Wenn ich einer wäre ...

Als Buchtipp könnte ich (Gerd) mal unsere Textbände anpreisen, da diese ausschließlich aus eigenen Werken unserer Autoren des Kreativkreises bestehen. Jene Texte sind also einmalig.
Auch unsere Textbände sind erhältlich, doch der Vertriebsweg läuft da am besten über unsere Veranstaltungen und Treffen, oder über persönlichem Kontakt mit einem unserer Autoren ...

Als Beispiel wähle ich einen Text aus den "WeltenErzählungen", aus welchem vor ein paar Jahren gelesen worden ist, zumal ich bereits mit ein paar Kollegen darüber gesprochen habe.
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© Johannes Klietmann

Wenn ich einer wäre, der Bilder malen kann,

ich würde Landschaften malen.

Bäume und Wiesen und Berge, ein Meer grüner Weite und Stille.

Und Wasser dazwischen, hier ein stiller Fluss,

ein ruhiger Bach, aber auch reißende Stromschnellen,

einen Wasserfall, tosend und mächtig.

Oder einen Teich, angefangen bei der kleinsten Lacke am Wegesrand,

einen Weiher, an dessen Ufer man verweilen möchte,

einen See, der einlädt, sich zu erträumen, was darunter liegt,

und schließlich, ewig und gewaltig und großartig: Das Meer.

Der Ozean käme nach hinten, dort, wo er in die Ferne lockt,

wo er Ewigkeit verheißt. In die Mitte kämen die Flüsse und Berge,

von Wäldern bedeckt, nach vorne eine Wiese mit Weiher darin,

sanft umschlossen von der restlichen Landschaft.

Rechts hinten, den Horizont verdeckend, ein höherer Berg,

der sich schroffer erhebt und oben grau ist, ja schließlich schneebedeckt.

Vielleicht blühen ein paar Bäume, es ist Frühling.

Das Grün wird daher hell, aber kräftig, in tausenderlei Farben und Formen,

alles lebt und drängt nach Leben. Zur besseren Beleuchtung lasse ich die Sonne scheinen,

aber auch Wolken kommen vor, und alles ist reich von Wasser genährt.

Dazwischen natürlich - die Tiere! Große Tiere, im Wald erspäht,

kleinere, aber doch bemerkenswerte in der Nähe.

Auch andere Landschaften würde ich malen;

Wüsten, kahl und offen, voller Licht und Raum;

Steppen voller Leben, dunkle Taiga bis hin zum ewigen Eis.

Und natürlich - den Ozean, dunkel, still, geheimnisvoll und weit,

der uns immer noch von Ferne und von Möglichkeiten erzählt.

Alles wunderschön, alles so berührend und wertvoll,

dass alle, die es betrachten, sehen müssten, wie schön unsere Welt doch ist.

 

Wäre ich einer, der Musik schreiben kann, so schriebe ich ein Konzert.

Eines, in dem langsam und vorsichtig, gleich dem Kennenlernen schüchterner Menschen,

die einzelnen Stimmen zusammenfinden. Vorsichtig, vielleicht mit Flöten,

kämen sie in das leise Rauschen der anderen Instrumente.

Wenn es dann schon besser geht, kämen die anderen Instrumente auch mal dran.

Sie könnten uns von Liebe singen, besonders die Geigen,

von Klarheit, wie etwa das Klavier,

oder von Kraft, wie all die Blechbläser und die Trommeln.

Das ganze Leben würde ich schreiben, mit Glück und Leid,

ja, sogar mit Stille, beispielsweise mit ein paar sanften Holzbläsern und einem Kontrabass.

Verschiedene Themen kämen wieder, um Kontinuität zu schaffen,

doch jedes Mal abgeändert und anders instrumentiert.

Da wäre von Liebe die Rede, von Freude - eine laute, schnelle Abwandlung in Dur,

von Hoffnung, Neugier, Überraschung, Heiterkeit -

aber natürlich auch von Trauer, von Nachdenklichkeit, von Schmerz und Dunkelheit.

Am Ende kommt das erste Thema wieder,

zögernd und nach und nach nur aufgegriffen,

danach nimmt es alle ein, erobert im Sturm das ganze Orchester;

dann endet das Stück mit einem einzigen wundervollen Brausen.

Alles wunderschön, alles so berührend und wertvoll,

dass alle, die es hören, spüren müssten, wie wertvoll das Leben ist.

 

Wäre ich einer, der kunstvoll schreiben kann, so schriebe ich ein Gedicht.

Wäre ich einer, der mit Worten malen kann, so würde ich die Welt in Worten malen,

ich würde das ganze Wunder in sprachgewandte Sätze packen,

Rhetorik und Lyrik versammeln an die Tafelrunde mit Thalia,

der Muse der Dichtkunst, und würde Sterne zum Leuchten bringen in allen, die lauschen;

mit den Farben der tiefsten Gefühle Schönheit unsichtbar zum Leuchten bringen;

mit den Bewegungen brillanter Wortwahl die ewige Dynamik der Welt zeichnen;

festhalten all dies mit der Ebenmäßigkeit und Schönheit der Sprache.

Wäre ich einer, der mit Worten komponieren kann, so würde ich die Welt singen lassen,

ich würde Leben, Gefühle, Bewegung erzählen,

sodass sie in die kleinste Faser dringen, die Seele ganz erfüllen;

ich würde sie jubeln lassen in den wundervollen Kompositionen glanzreicher Expressionen,

ich würde sie weinen lassen in den dunkelsten Tiefen der unergründlichen Konnotationen,

ich würde sie alles durchdringend dem unbewussten, staunenden Kind in uns erzählen.

Alles wunderschön, alles so berührend und wertvoll,

dass alle, die es hören oder lesen, wissen, was sie haben.

 

Aber ich bin keiner, der malen oder komponieren oder dichten kann.

Ich kann die Menschen nicht verwandeln, nicht mit Farben, Noten oder Worten.

Ich kann ihnen das Offensichtliche nicht sichtbar machen.

Alles, was ich kann, ist, mich vorn an die Spitze zu denjenigen zu gesellen,

die "Eisberg voraus!" rufen, und hoffen, gehört zu werden.

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