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Gerd Steiner
Dieses
schöne Wort entstand, wie so viele, durch ein
Missverständnis: Unser aller Gerd hatte dieses
Wort verstanden bzw. sich so daran erinnert, jedoch
hieß das eigentliche Wort Rechtswohltat.
Eine Rechtswohltat ist, verkürzt und
sachunkundig ausgedrückt, eine Gruppe
besonderer Rechte, die einer bestimmten Gruppe
(Eltern/Arbeitnehmer/Obstbauern/Rechtsanwälten/anderweitig
Gruppierbaren) zugesprochen werden.
"Rechtswohlstand" hingegen gibt es nicht (was ich
sehr interessant finde
).
Was
könnte, da wir uns diesem Wort nun schon
einmal zugewendet haben, ein "Rechtswohlstand" sein
?
Zunächst
könnte es, wie das Wort zu bezeichnen scheint,
ein Wohlstand an Rechten sein. Dieser Deutung nach
geht es uns hierzulande tatsächlich
ausgesprochen gut, denn wir haben an Rechten
eigentlich keinen Mangel - sicher, es gibt noch
Diskussionen um Minderheitenrechte sowie um, sagen
wir es möglichst umfassend, Rechte von Leuten
mit alternativen Lebensführungsplänen.
Aber im Großen und Ganzen sind das
Kleinigkeiten, da wir bereits Dinge wie Rechte auf
freie Wahlen oder das Recht auf Leben zugebilligt
bekommen - was in anderen Ländern weitaus
weniger der Fall ist.
Aber
diese Deutung macht weit weniger Spaß als die
nächste: Rechtswohlstand könnte ja auch
ein Wohlstand an Recht sein, mithin ein
großer Reichtum an Gesetzen.
Und
wieder können wir uns in Österreich nicht
beklagen, Rechtswohlstand in diesem Sinne nicht zu
genießen: Es gibt bei uns Gesetze für
oder gegen alles, mit einer Ausnahme: Es gibt
(noch) kein Gesetz gegen unnötige Gesetze.
Ansonsten gibt es so viel mehr Vorschriften, an die
wir uns halten sollten, als uns tatsächlich
klar ist. Klar ist es hingegen denen, die sich
damit beschäftigen (müssen), als da sind
Juristen und Beamte. Da
(Anm.d.Red.
... viele Wähler meinen, nur ...
)
letztere den Staat Geld kosten, wird ja (mal
wieder) erwägt, die Verwaltung zu
reformieren.
Hierzu
ein kleiner Gedanke: Es gibt auch so etwas wie
Wohlstandsverwahrlosung - Leuten geht es materiell
so gut, dass sie an dem ungleich wichtigeren
Immateriellen Mangel leiden. Ähnlich leiden
wir anscheinend an
Rechtswohlstandsverwahrlosungserscheinungen, die
sich darin äußern, dass unsere Gesetze
ähnlich ausufern wie das Wort. Es brauchte (an
alle, die jetzt zusammengezuckt sind: Begebt euch
zur nächsten Tafel und schreibt
zweihundertmal: Brauchte ist richtig, bräuchte
ist falsch!) eine Reform, die Arbeit für die
Beamten in gleichem Maße einspart wie
arbeitende Beamte
Aber wer wird denn schon
auf so einfache Gedanken kommen?
Eine
dritte mögliche Lesart wer übrigens genau
verkehrt herum: Dass nämlich das Recht selbst
einen gewissen Wohlstand besitzt.
Natürlich wäre das kein Wohlstand an
Geld, denn das Recht an sich kann ja wohl kaum Geld
besitzen. Aber es könnte einen Wohlstand an
Recht besitzen.
Oooh,
an dieser Stelle wird es herrlich schwierig, da wir
es mit fast gleichbedeutenden Homonymen zu tun
haben (Homonym = ein Wort für zwei Dinge,
Gegensatz zu Synonym = zwei Worte für dasselbe
Ding. Beispiele: Synonym: PKW - Auto, Homonym:
Rolle (sowohl für einen etwa zylindrischen
Gegenstand als auch für einen Part in einem
Film oder Theaterstück)), nämlich das
Recht = Summe der Gesetze als auch das Recht im
Sinne von Anrecht, Recht haben, wie es etwa in dem
Begriff Menschenrechte verwendet wird.
Hoffen
wir mal, dass diese Lesart auch zutrifft, denn
diese Art Wohlstand ist es, was die Qualität
eines Rechtssystems eigentlich ausmacht. Allerdings
sind wir hier so tief in philosophischen
Gewässern, dass diese Diskussion schwerlich
geführt werden wird, da erst mal das Thema
erklärt werden müsste. Vor allem in
Juristenkreisen ist die philosophische Abhandlung
derartiger Ideen nicht so beliebt. Aber keine
Sorge: In all den Diskussionen, ob ein Gesetz "gut"
oder "schlecht" ist, geht es ganz genau darum, als
werden wir es ja wohl halbwegs hinkriegen. Oder
zumindest weiterhin anstreben, was genauso wichtig
ist.
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