Gleich
mal vorweg: Die Redaktion beglückwünscht
Thomas Fritzenwallner, ehemals Buchhandelskaufmann,
zum bislang bestem Buchtipp unseres
Organes.
Schon
als ich (Gerd) mich ein wenig eingelesen habe, so
während ich die Überschriften für
die Webfassung hier markierte, bekam ich eine
Gänsehaut - ein Gefühl, als ob mir
Ameisen über meine Haut liefen.
Mal gewisse Teile meines Umkreises so auf den Punkt
gebracht, hätte wahrscheinlich nicht mal mein
(mittlerweile leider verstorbener) seinerzeit
erster Entwickler geschafft. Jener Autor hat
einfach so recht, sodass ich mich länger mit
Thomas Beitrag befasste, als ich zunächst
geplant habe. Da könnte ich, gemeinsam mit den
mir vertrauten Tanzenden und Künstlern (aus
jener Domäne, von der hier gesprochen wird),
glatt eine Sonderausgabe erstellen und herausgeben
...
Aber
lest selbst! Es lohnt sich.
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Für
meinen aktuellen Buchtipp habe ich
(Thomas) mich wieder einmal dem Bereich
Wirtschaft, insbesondere dem Bereich
Wirtschaft als Raum sozialer Interaktion
bzw. sozialer Koexistenz
zugewandt.
Schwarmintelligenz
scheint das Zauberwort der modernen
Ökonomie zu sein. Was einzelne nicht
können oder nur schwer zustande
bringen, das gelingt im Team oft
mühelos, so die These.
Doch
wir sind nicht nur dumm - wir sind
kompliziert
dumm. Leider.
Dabei sollten wir eigentlich genial
einfach sein, wenn wir Probleme lösen
und Erfolg haben wollen.
Im
neuen Buch von Gunter Dueck, "Schwarmdumm.
So blöd sind wir nur gemeinsam", geht
es der Schwarmintelligenz an den Kragen.
Die "Schwarmintelligenz" treibt uns
geradewegs ins Verderben. Denn statt einer
Konzentration an Intelligenz regiert im
Schwarm oft das Prinzip: Viele Köche
verderben den Brei.
Sinnlose Meetings, schmerzhafte
Kompromisse, unausgereifte Ergebnisse
trotz Teamarbeit sind in Unternehmen und
Institutionen keine Ausnahme, sondern die
Regel. Gunter Dueck gibt dem Phänomen
in seinem Buch einen Namen:
"Schwarmdummheit".
Mit seinem Buch macht er klar, warum jeder
Einzelne im Team oft besser entscheidet
als das Team selbst.
Die
These des Buches ist, dass in einer
modernen Organisation niemand mehr das
Ganze im Blick hat. Jeder versteht nur
noch einen winzigen Ausschnitt, ist
Bestandteil eines zu schnell
beschleunigten Schwarms und dadurch
teilblind geworden. Und diese
Teilblinden können das
Gute oder Exzellente, das eine Firma zu
Erfolgen führt, nicht mehr verstehen.
Und deshalb scheitern viele Unternehmen
oder sie können sich den
Veränderungen nicht schnell genug
anpassen. Aus intelligenten Individuen
entsteht Schwarmdummheit.
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Als
Gründe für Schwarmdummheit
nennt Dueck:
1.
Zu hohe Ziele
Überlastungen
erzeugen Fehler, Terminverschiebungen und
Ärger.
Es wird mehr gearbeitet, ohne das mehr erreicht
wird.
Es
gibt immer nur Teilerfolge wie das nächste
Quartal, den nächsten Meilenstein.
Alles Nachhaltige wird
ausgeblendet.
Wir
sollten stattdessen über bessere Strategien
nachdenken.
Viele Firmen neigen zu einer wahnhaften
Auslastungsmaximierung
(Ressourcenmanagement). Das Tagesgeschäft ist
eifersüchtig auf das Innovative und
Kreative.
2.
Zu viel Druck
Druck
macht aus uns eine Herde opportunistischer Street
Smarts. Nur noch die eigene Haut wird gerettet, wir
verlieren das eigentliche Ziel der Arbeit aus den
Augen.
Die Mitarbeiter arbeiten nur noch für die
Kontrollen der Chefs. Nicht mehr für die
Kunden. Sie versuchen einfach nur im täglichen
Überlebenskampf zu bestehen und
vernachlässigen ihre Intelligenz und
Bildung.
3.
Tagesgeschäft verdrängt
Exzellenz
Durch
die Konzentration auf schnelle Ziele, verlieren wir
den Sinn für Exzellenz und herausragende
Qualität.
Der tägliche Scheiß muss
abgearbeitet werden - bis irgendwann
Aktionäre oder Kunden das Unternehmen
kritisieren, weil Qualität fehlt.
Wenn der Schwarm keine Sehnsucht nach Erstklassigem
hat, wird er zweiklassig, drittklassig - dumm.
Erstklassige sehen das große Ganze und sind
dadurch in der Lage, etwas genial einfaches
Exzellentes zu erschaffen. Zweitklassige schauen
nach links und rechts und prüfen, ob ihre
Arbeit im Vergleich mit anderen in
Ordnung ist. Sie sehen nicht das gemeinsame
Ziel, sondern achten nur noch darauf, gut zu
arbeiten. Kleinteilige Zieltyrannei führt zum
Abschied von Erstklassigem. Unternehmen brauchen
eine kritische Masse an Mitarbeitern, die auf
Erstklassigkeit gepolt sind.
4.
Fokus auf das Nächstliegende
Unternehmen
konzentrieren sich oft nur auf das
nächstliegende, größte Problem. Zum
Beispiel Kostensenkung.
Alles andere wird vernachlässigt.
Schritt für Schritt und irgendetwas wird
schon klappen ist keine Strategie. Es geht
nicht um den Tagessieg. Das Management einer Firma
reagiert oft wie Eltern, die nach Ratgebern suchen,
um ihre Kinder in den Griff zu bekommen. Die
müssen das aber nur tun, weil sie in Sachen
Erziehung Amateure oder einfach nur Volltrottel
sind. Und wenn die Allheilmethode nicht wirkt, dann
geht es blitzschnell zur nächsten.
5.
Faulheit ist nicht das Problem
Manager
sehen überall nur Faulheit. So wie Putzfrauen
nur Schmutz sehen oder Besserwisser überall
nur Fehler.
Dabei müssen sich viele Leute in der Firma
einfach tief auf ihre Arbeit konzentrieren.
Geistige Arbeit ist mit Ablenkung durch
Telefonanrufe, Mails, schlechte Laune oder
Ärger mit dem Chef nicht leistbar. Manager
empfinden das oft als autistisch, unsozial oder
einfach nur faul. Sie können gar nicht
einschätzen, ob hier jemand große
Fortschritte macht. Sie wollen einfach nur mehr
Leistung und erzeugen nur noch mehr
Stress.
6.
Fokus auf die Kennzahlen
Am
Ende müssen gute Zahlen vorgewiesen werden.
Das fordert einen kreativen Umgang mit
Zahlen geradezu heraus. Im Volksmund
heißt das: frisieren.
Je mehr Leistungskennzahlen es gibt, desto mehr
Energie wird darauf verwendet, zu tricksen und zu
täuschen.
Das Motto wird heißen: Du bekommst die
Zahlen, nach denen du gefragt hast, aber das
Gesamtresultat leider nicht. Tricksen,
täuschen und tarnen werden zu
Hauptbeschäftigungen im
Unternehmen.
7.
Konzentration auf Effizienz
Abspecken,
sparen, Synergien schaffen, Kosten senken - bis das
Unternehmen seine Innovationskraft
einbüßt und stirbt.
Etwas Neues kann unter hohen, nächstliegenden
Zielen gar nicht mehr entstehen. Die
überlebenswichtige Fähigkeit zum Wandel
wird weggemanagt.
Das Unternehmen verharrt im täglichen
Prozessdenken. Bei jeder Aktion wird sofort nach
Kosten und Nutzen gefragt. Doch gerade bei
Innovationen und dem Ausprobieren neuer
Geschäftsfelder kann genau das nicht
vorhergesagt werden. Prozessdenken tötet
Zukunft. Schwarmdumme Unternehmen, die ihren Blick
vor lauter Effektivitätsdenken nur nach innen
richten, werden nicht überleben.
8.
Zu viel Kontrolle macht dumm
Unter
Überwachung und Kontrolle werden aus
intelligenten Mitarbeitern hyperaggressive Street
Smarts. In der permanenten Öffentlichkeit des
Unternehmens gehorchen die Mitarbeitern einfach nur
noch den Erwartungen des Chefs. Wir
vernachlässigen dadurch Innovation,
Verantwortung, Kreativität und Nachhaltigkeit.
Mitarbeiter werden neurotisch, wuseln herum und
wirken energielos und inaktiv. Andere werden
zaghaft und depressiv. Sie fangen an, das
Unternehmen zu hassen.
Aber
wie werden wir und Organisationen wieder
klüger? Dueck liefert Ansätze, aber keine
Lösung.
Schwarmintelligenz ist nur in kleinen Teams
möglich. Niemand sollte sich leise und
ohnmächtig dem Druck fügen, sondern an
das Intelligente und Gute in sich glauben. Dueck
träumt von Managern, die ihre Mitarbeiter wie
Freiwillige führen - und dass diese Manager in
der Lage sind, ihre Freiwilligen für
First-Class-Qualität zu motivieren.
Mitarbeiter sollten so arbeiten, als ob sie es
für eine freiwillige Sache täten. Das
wären vorsichtige Schritte heraus - heraus aus
der Schwarmdummheit.
Dazu
muss
ich - so mal aus der Sicht eines einzelnen
"Mitarbeiters" - den Ausgleich
zum Guten
anführen.
Wenn
man ein Problem mit Schwarmintelligenz lösen
möchte, sucht man zB. in Foren des Internets,
in Google+-Kreisen oder unter Followern bei Twitter
oder Facebook Leute zusammen, die begeistert gerne
zur Lösung des Problems beitragen wollen. Alle
bilden ein Team aus lauter Leuten, die wirklich
Lust dazu und Freude an der Zusammenarbeit haben.
Wem es nicht gefällt, der bleibt weg. Wer
zusätzlich mitmachen will, kommt dazu. So sind
die Gesetze des Internets. Ein wechselnder (!)
Schwarm von Begeisterten geht zur Sache.
Dabei entsteht aber niemals - in Worten: niemals -
die Weisheit einer großen Masse, sondern die
Weisheit dieses einen speziellen Teams, das sich
genau für diesen einen bestimmten Zweck
zusammengefunden hat. Niemand hat hier
Nebeninteressen, niemand will sich als Person
hervortun - es geht ausschließlich darum,
gemeinsam das Problem mit großer Freude dabei
zu knacken. Und als Nebenprodukt fällt
für jeden ab, weltweit
verstreute
Experten und Freunde zu finden, viel Neues gelernt
zu haben und wohlig die eigene Wirksamkeit
empfunden zu haben.
Das bekommt wirklich jeder im Team mit, sonst - so
sind die Gesetze im Netz - ist er schon lange nicht
mehr dabei. Und wenn das Problem gelöst ist -
das ist ein wichtiger Punkt -, gehen alle wieder
ihrer Wege.
Neues
Problem neuer Schwarm. Dann hat jeweils
dieser Schwarm oder dieses spezielle Team
Schwarmintelligenz. Solch ein Ad-hoc-Team kann
gemeinsam aufbrechen, etwas Smartes oder genial
Einfaches zu kreieren und zu gestalten. Das gelingt
oder kann gelingen, weil in einem solchen Team alle
Mitglieder diesen Sinn für das Ganze, Klare
und Vollendete mitbringen, weil sie allen den
gleichen Traum träumen. Sie sind in aller
Regel schon Experten und wollen es jetzt bringen
und am besten gleich weltweite Bewunderung erregen
(die man mit unausgereift Kompliziertem und
Hochkomplexem nicht bekommt). So entstehen im
Internet die großen neuen Ideen der
nächsten Zeit, die unser Leben derzeit so
stark verändern. Schwarmintelligenz ist gut
möglich, wenn alle »den Elefanten sehen
können«.
Im
realen Leben aber funktioniert das nicht. Denn in
der Unternehmenswirklichkeit treffen nicht für
jedes spezielle Problem die jeweils besten Experten
in immer neuen Teams zusammen, sondern wir haben
sehr gemischte Abteilungsmeetings mit immer
denselben Zusammensetzungen und eher Kreisklasse
als Weltklasseexperten. Im Internet schwärmen
vielleicht die intelligenten Weltmeister, aber auf
dem Flur stoppeln wir uns wieder einmal eine
mittelmäßige und nicht ganz ausgereifte
Lösung zusammen. Wir bleiben brav innerhalb
unseres Tellerrandes oder Gebäudeteils, wir
zanken uns untereinander, wir reden nicht einmal
mit einer anderen Abteilung im dritten Stock - ganz
zu Schweigen in den Mittelteil desselben
Stockwerkes.
In
anderen Worten: Im wirklichen Leben löst man
die verschiedensten Probleme in immer gleicher
Umgebung, nämlich im Unternehmen, in der
Familie, in der Partei, beim eigenen Kundenstamm
oder in Abteilungsmeetings. Neues Problem - alte
Abteilung. Da erlebt man nicht so oft die Weisheit
der Masse, wenn überhaupt je! Gemeinschaften
und Teams sehen sich unter vielen verschiedenen
Interessenlagen gelähmt und
änderungsunwillig. Meetings oder
Streitigkeiten, die um die immer gleichen
Streitpunkte kreisen, lassen uns verzweifeln. Keine
Spur von Schwarmintelligenz - hier herrscht die
Schwarmdummheit!
Gunter
Dueck war Mathematikprofessor und
Cheftechnologe bei IBM, genannt »Wild
Duck« - Querdenker. Seit er die 60-Jahre-Marke
erreicht hat, ist er in den Unruhestand
gezogen.
Er ist als Autor, Netzaktivist, Business Angel und
Speaker tätig und widmet sich unverdrossen der
Weltverbesserung. Der Schwarm seiner
unzähligen Follower und Fans wächst
täglich.
schwarmdumm
- So blöd sind wir nur gemeinsam von
Gunter Dueck ist im Februar 2015 im Campus Verlag
erschienen.
Dieses Buch umfasst 324 Seiten und ist unter der
ISBN 978-3-593-50217-5 um EUR 25,70 im Buchhandel
erhältlich.
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