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G E R D ' s

E L E V E N T Y

T I E F L I C H T

Ein erster Schritt ...

Die Margit hat uns eine Geschichte von Andreas Berghöfer "Das gestohlene Jesus-Kind" mitgebracht.

Peter geht noch in den Kindergarten und ist schon furchtbar aufgeregt in diesen Tagen vor Weihnachten:
Ob er wirklich das neue Fahrrad bekommen wird ? Er hat es schon oft in der Auslage angeschaut, das rote mit den super Licht ...

Daheim hat niemand wirklich Zeit in diesen Tagen: Mutter ist total genervt, weil sie als Verkäuferin im Supermarkt noch mehr zu tun hat und noch später und müder heimkommt als sonst ...
Sein Vater wohnt woanders und hat den jüngsten Besuchstag einfach abgesagt, weil er auf eine Firmen-Weihnachtsfeier wollte und sich am nächsten Tag ausschlafen musste - nö, da konnte er Peter leider nicht brauchen.

 

Aber Peter hat eine Oma, die nicht weit weg wohnt, sodass er alleine hingehen kann. Und die Oma, die hat Zeit für Peter.
Sie ist seit zwei Jahren in Pension, und Opa ist voriges Jahr gestorben. So ist sie ganz allein und freut sich, wenn Peter kommt.
Peter darf auch manchmal bei der Oma übernachten. Da darf er dann auch manchmal länger fernsehen, aber das darf seine Mama nicht wissen ...

An diesem Nachmittag haben sie miteinander Kekse gebacken. Das ist immer wunderschön, weil die Oma oft nicht so hektisch ist wie die Mama.
Jetzt gehen sie noch ein wenig spazieren und schauen sich die Auslagen an.
"Ich möchte noch gerne in die Kirche gehen, die Krippe anschauen. Hast Du schon einmal die Krippe gesehen ?"
"Nein Oma. Die Mama geht mit mir nie in die Kirche.", sagt Peter. - "Na, dann komm, das gefällt dir sicher !"

Die Kirche ist gar nicht weit. Der große dunkle Raum ist her still, nur von außen dringt gedämpft der Lärm von der Straße herein.
Oma führt Peter zu einer kleinen Seitenkapelle, wo viele Kerzen brennen und eine alte Holzkrippe aufgestellt ist.
Da ist ein großer Berg mit einem Stern oben drauf, und in dem Berg ist eine Höhle, und in der Höhle sind manche Leute.

Die Oma muss Peter alles ganz genau erklären: Wo die Maria ist und der Josef, und dass sie zu Weihnachten das kleine Jesus-Baby bekommen haben, und dass sie kein Geld haben für ein Hotel und darum in der Höhle übernachten müssen, und wieso da über dem Berg Engel fliegen und wieso die Hirten herbeigelaufen kommen, und wie das war mit den drei Königen und ihren Dienern ...

Peter schaut sich alles ganz genau an: Den Hirten, der das Schaf auf seiner Schulter trägt, die Bauersfrau mit dem Obstkorb, den großen Ochsen und den Esel mit den langen Ohren. Aber am meisten schaut er das Baby an in dem Futtertrog. "Oma, ist dem Baby nicht kalt ? Es hat ja gar nichts an, und draußen liegt Schnee !"
"Sicher ist ihm kalt ! Aber es waren halt arme Leute ! Und jetzt gehen wir wieder, sonst versäum' ich die Nachrichten !"

Peter hätte noch länger vor der Krippe stehen können. Da gibt es so viel zu sehen ... aber was soll er denn machen ? Oma ist schon beim Ausgang.
Nachdenklich geht Peter neben seiner Oma her. Das kleine Baby mit so gar nichts an geht ihm nicht aus dem Kopf. Wenn es sich verkühlt ? Wenn es krank wird ? Wenn es erfriert ? Wieso hilft ihm denn niemand ? Merkt denn keiner, wie kalt ihm ist ? ... und dann macht Peter einem Plan: Ich helfe ihm. Aber niemand darf es wissen ...

 

Er verabchiedet sich von seiner Oma - es ist ohnedies schon spät ! - aber er geht nicht gleich nach Hause. Er läuft noch einmal zur Kirche.
Es ist schon ein wenig unheimlich: der dunkle, fremnde Raum, das Kerzenlicht, der Duft nach Wachs und Weihrauch ... Es ist niemand da. Peter flitzt zur Krippe. Er schaut ich noch einmal um. Niemand. Mit einem schnellen Griff nimmt er das kleine Baby aus der Krippe und steckt es tief in seine Jackentasche. "Bei mir sollst du es besser haben !" flüstert er. Als er dann schlafen geht, drückt er die kleine Figur fest an sich und schläft zufrieden ein.

Ein paar Tage später ist er wieder bei seiner Oma. Es ist der Tag vor dem Heiligen Abend.
"Weißt du, was passiert ist, Peter ? Stell die vor, jemand hat das Jesus-Kind aus der Krippe gestohlen! So eine Frechheit!"

Peter braucht ein paar Sekunden, bis er kapiert. Dann wird ein Kopf rot und heiß, und ihm ist ganz schlecht. Er kann nicht sagen, am liebsten würde er gleich losweinen.
"Aber ich bin kein Dieb, Oma! Ich bin kein Dieb! Ich wollt' ihm doch nur helfen!" platzt er heraus.

Jetzt braucht Oma ein paar Sekunden.
"Du?! Du warst das ? Das gibt's doch nicht !"
"Aber ich wollte ihm doch nur helfen, weil es so arm ist !" - Jetzt heult Peter wirklich los. "Und niemand hat es bemerkt, wie kalt ihm ist !"

Oma setzt Peter auf ihren Schoß und schaukelt ihn sanft.
Meine Oma! Bei Mama hätte es Schläge gegeben, da ist Peter sicher.

"Aber wir müssen es wieder zurückgeben, am besten noch heute! Wir müssen zum Pfarrer gehen und es wieder zurückgeben !"
"Sag nichts zur Mama, bitte !!!"
"Du brauchst keine Angst haben. Und außerdem hast du es ja nur gut gemeint. Lauf rasch nach Hause und bring es gleich her.
Sag der Mama, du bringst die Kekse, aber du musst noch einmal zu mir kommen, weil wir mit den anderen noch nicht ganz fertig sind. Und jetzt lauf !"

 

Bald ist Peter wieder da, die kleine Figur fest in der Hand. "Wird der Pfarrer schimpfen ? Wird er böse sein ?"
"Ich glaube nicht. Wir können ja alles erklären."

Der Pfarrer ist ein alter, freundlicher Herr. Peter ist sehr aufgeregt und stottert herum, sodass schließlich doch die Oma alles erzählen muss.

Da sagt der Pfarrer ernst: "Du hast uns, glaube ich, heuer die beste Weihnachtspredigt gehalten.
Das ist es, worauf es ankommt: Wenn jemand in Not ist, dass wir nicht nur hinschauen, sondern dass wir helfen, so gut wir es halt können.
Und das ist es ja auch, was dieser Jesus gesagt hat und getan hat."

"Und jetzt werden wir ihn wieder in die Krippe legen. Aber wir decken ihn zu, damit ihm nicht mehr kalt ist !" - und in den Augen des alten Mannes schimmern Tränen.

...

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