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G E R D ' s

E L E V E N T Y

B E R G H I M M E L

Thomas Buchtipp

Für meinen aktuellen Buchtipp habe ich ein Thema ausgewählt, das uns der "Zahn der Zeit" aufdrängt.

"Du bist nicht der Kunde der Internetkonzerne. Du bist ihr Produkt."
Diese aufrüttelnde Behauptung stellt Jaron Lanier in seinem Buch "Wem gehört die Zukunft?" auf. Auf die Frage im Titel antwortet er kurz gesagt: Uns nicht! "Uns" heißt in diesem Fall: Alle Internetnutzer weltweit, die keinen digitalen Konzern besitzen und keinen Geheimdienst, also keine jener Institutionen, die das Leben aller digital vernetzten Menschen in Datensätze verpacken, um daraus - also aus uns - Profit zu schlagen, uns zu beobachten, zu kontrollieren, auszubeuten.
Und wenn mit "uns" das mittelständische Bürgertum gemeint ist, dann langfristig auch noch, um uns zu ruinieren. Dem Autor zufolge gibt es zwei Arten der Innovation. Die eine schafft neue Arbeitsplätze und steigert den Lebensstandard aller. Die andere vernichtet Arbeitsplätze und schafft Reichtum für wenige...

Lanier muss es wissen, er lehrt an University of California in Berkeley und hat den Begriff der virtuellen Realität entwickelt.

Bei Lanier ist die Rechnung einfach: Die Größe macht es. Jenen mit dem größten Rechner gehört die Zukunft. Firmen wie Facebook und Google, die wir mit Daten füttern. Freiwillig, ohne Entlohnung. Die Internetriesen stellen eine kostenlose Plattform - und saugen uns dafür aus. Riesige Datenbanken entstehen, werden verknüpft, analysiert.

Ein Beispiel der Folgen in der Versicherungsbranche. Früher wurde ein Versicherer reich, wenn er möglichst viele Kunden versicherte. Heute vor allem dann, wenn er nur die versichert, die laut Computer-Vorhersage die Versicherung möglichst wenig belasten. Undemokratisch. Unsozial.

Wir liefern nämlich unsere Daten freiwillig und umsonst. Die Firmen werden reich.
Laniers Lieblingsbeispiel: Kodak. Die Fotofirma war einst 28 Milliarden Dollar wert und beschäftigte 140.000 Menschen. Facebook kaufte 2012 den Fotodienst Instagram. Für eine Milliarde Dollar, mit gerade mal 13 Mitarbeitern. Den Wert machen weder Mitarbeiter noch Technik aus, sondern die Daten, die Fotos, die wir da hochgeladen haben. Ohne Entlohnung.

Firmen wie Google sind für Lanier so etwas wie die kommunistische Partei. Er beklagt dies als Digitalen Maoismus. Alle, die die Online-Pyramide hochklettern, werden wieder brutal herunter geschubst. Wir sind quasi die Bauern, sollen unsere Informationen kostenlos bereitstellen, Musiker sollen ihre Musik am besten verschenken, Filmemacher ihre Filme, Autoren ihre Bücher. Hauptsache: Alles ist kostenlos verfügbar.

So wird die jüngste industrielle Revolution vor allem ein Jobvernichter. Software, die in Zukunft unsere Taxis und Busse steuert.
Software, mit deren Hilfe 3-D-Drucker uns alles drucken, was früher Menschen herstellten: unsere Kleidung, selbst das neue Smartphone.

Lanier warnt vor einem Zeitalter der Hyperarbeitslosigkeit. Wir brauchen bald keine Berufskraftfahrer mehr, keinen Einzelhandel, immer weniger Dienstleistung.
Die Software macht das. Besonders die Mittelschicht wird es erwischen.

Also was tun? Laniers Antwort darauf lautet: Schluss mit der Umsonst-Mentalität, die nur den Konzernen nutzt.
Jeder Nutzer soll für seine Daten auch Geld bekommen. Durch ein Internet ohne Einbahnstraßen, durch sogenannte Zweiwege-Links. Links, die zurück auf den Urheber verweisen. Wenn Facebook mit den Fotos und Nachrichten seiner Nutzer Profit macht, müssen eben diese Nutzer dafür auch entlohnt werden. Die Antwort, wie dies erreicht werden soll bleibt der Autor weitgehend schuldig, doch allein der Hinweis, sich der Eigenverantwortung im Umgang mit den eigenen Daten bewusst zu werden, könnte ein erster Schritt sein.

 

Jaron Lanier (geb. 03.05.1960, New York) ist Informatiker, Künstler, Autor und Unternehmer.
Er betrieb von 1984 bis 1990 mit VPL Research ein Unternehmen zur Entwicklung und Vermarktung von Virtual-Reality-Anwendungen. Lanier machte als scharfer Kritiker von Wikipedia und der Open-Source-Bewegung von sich reden. Im Jahr 2010 war Jaron Lanier unter den Nominierten der
TIME 100 list of most influential people.

Jaliers Buch "Wem gehört die Zukunft ist" am 8.2.2014 im Verlag Hoffmann & Campe unter der ISBN 978-3-445-50318-0 erschienen, umfasst 480 Seiten und ist um EUR 25,70 im Buchhandel erhältlich.

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