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Für
meinen aktuellen Buchtipp habe ich ein
Thema ausgewählt, das uns der "Zahn
der Zeit" aufdrängt.
"Du
bist nicht der Kunde der Internetkonzerne.
Du bist ihr Produkt."
Diese aufrüttelnde Behauptung stellt
Jaron Lanier in seinem Buch "Wem
gehört die Zukunft?" auf. Auf die
Frage im Titel antwortet er kurz gesagt:
Uns nicht! "Uns" heißt in diesem
Fall: Alle Internetnutzer weltweit, die
keinen digitalen Konzern besitzen und
keinen Geheimdienst, also keine jener
Institutionen, die das Leben aller digital
vernetzten Menschen in Datensätze
verpacken, um daraus - also aus uns -
Profit zu schlagen, uns zu beobachten, zu
kontrollieren, auszubeuten.
Und wenn mit "uns" das
mittelständische Bürgertum
gemeint ist, dann langfristig auch noch,
um uns zu ruinieren. Dem Autor zufolge
gibt es zwei Arten der Innovation. Die
eine schafft neue Arbeitsplätze und
steigert den Lebensstandard aller. Die
andere vernichtet Arbeitsplätze und
schafft Reichtum für
wenige...
Lanier
muss es wissen, er lehrt an University of
California in Berkeley und hat den Begriff
der virtuellen Realität
entwickelt.
Bei
Lanier ist die Rechnung einfach: Die
Größe macht es. Jenen mit dem
größten Rechner gehört die
Zukunft. Firmen wie Facebook und Google,
die wir mit Daten füttern.
Freiwillig, ohne Entlohnung. Die
Internetriesen stellen eine kostenlose
Plattform - und saugen uns dafür aus.
Riesige Datenbanken entstehen, werden
verknüpft, analysiert.
Ein
Beispiel der Folgen in der
Versicherungsbranche. Früher wurde
ein Versicherer reich, wenn er
möglichst viele Kunden versicherte.
Heute vor allem dann, wenn er nur die
versichert, die laut Computer-Vorhersage
die Versicherung möglichst wenig
belasten. Undemokratisch.
Unsozial.
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Wir
liefern nämlich unsere Daten freiwillig und
umsonst. Die Firmen werden reich.
Laniers Lieblingsbeispiel: Kodak. Die Fotofirma war
einst 28 Milliarden Dollar wert und
beschäftigte 140.000 Menschen. Facebook kaufte
2012 den Fotodienst Instagram. Für eine
Milliarde Dollar, mit gerade mal 13 Mitarbeitern.
Den Wert machen weder Mitarbeiter noch Technik aus,
sondern die Daten, die Fotos, die wir da
hochgeladen haben. Ohne Entlohnung.
Firmen
wie Google sind für Lanier so etwas wie die
kommunistische Partei. Er beklagt dies als
Digitalen Maoismus. Alle, die die Online-Pyramide
hochklettern, werden wieder brutal herunter
geschubst. Wir sind quasi die Bauern, sollen unsere
Informationen kostenlos bereitstellen, Musiker
sollen ihre Musik am besten verschenken,
Filmemacher ihre Filme, Autoren ihre Bücher.
Hauptsache: Alles ist kostenlos verfügbar.
So
wird die jüngste industrielle Revolution vor
allem ein Jobvernichter. Software, die in Zukunft
unsere Taxis und Busse steuert.
Software, mit deren Hilfe 3-D-Drucker uns alles
drucken, was früher Menschen herstellten:
unsere Kleidung, selbst das neue
Smartphone.
Lanier
warnt vor einem Zeitalter der
Hyperarbeitslosigkeit. Wir brauchen bald keine
Berufskraftfahrer mehr, keinen Einzelhandel, immer
weniger Dienstleistung.
Die Software macht das. Besonders die Mittelschicht
wird es erwischen.
Also
was tun? Laniers Antwort darauf lautet: Schluss mit
der Umsonst-Mentalität, die nur den Konzernen
nutzt.
Jeder Nutzer soll für seine Daten auch Geld
bekommen. Durch ein Internet ohne
Einbahnstraßen, durch sogenannte
Zweiwege-Links. Links, die zurück auf den
Urheber verweisen. Wenn Facebook mit den Fotos und
Nachrichten seiner Nutzer Profit macht, müssen
eben diese Nutzer dafür auch entlohnt werden.
Die Antwort, wie dies erreicht werden soll bleibt
der Autor weitgehend schuldig, doch allein der
Hinweis, sich der Eigenverantwortung im Umgang mit
den eigenen Daten bewusst zu werden, könnte
ein erster Schritt sein.
Jaron
Lanier (geb. 03.05.1960, New York) ist
Informatiker, Künstler, Autor und
Unternehmer.
Er betrieb von 1984 bis 1990 mit VPL Research ein
Unternehmen zur Entwicklung und Vermarktung von
Virtual-Reality-Anwendungen. Lanier machte als
scharfer Kritiker von Wikipedia und der
Open-Source-Bewegung von sich reden. Im Jahr 2010
war Jaron Lanier unter den Nominierten der
TIME
100 list of most influential people.
Jaliers
Buch "Wem gehört die Zukunft ist" am 8.2.2014
im Verlag Hoffmann & Campe unter der ISBN
978-3-445-50318-0 erschienen, umfasst 480 Seiten
und ist um EUR 25,70 im Buchhandel
erhältlich.
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