Eleventy.at - Verein - Produkte - Völker - Zeitung: Ausgaben - Themen - Titel - zurückblättern - weiterblättern

G E R D ' s

E L E V E N T Y

T A Ì . 1 2 / 13

Buchtipp

Nicht nur aus aktuellem Anlass, sondern auch weil Ausstiegsszenarien aus bestehenden Finanzmärkten eines unserer Hauptthemen im Verein waren (und auch bleiben werden) , habe ich diesen Buchtipp ausgewählt.
Von weisen Lehren und Vorschlägen zu entsprechenden Themen werden wir ja seit Monaten per verschiedensten Medien überhäuft. Dies halte ich (Thomas) für einen durchaus seriösen Beitrag.

Warum ausgerechnet Griechenland ?
Es handelt sich um einen Peripheriestaat, der lediglich zwei Prozent zur Wirtschaftsleistung der Eurozone beiträgt, von strukturellen Problemen wie hoher Korruption und fehlender Infrastruktur geplagt wird, und darum eigentlich keine tragende Säule der europäischen Wirtschaft ist.
Warum also wird das Mittelmeerland zur Schicksalsfrage für ganz Europa hochstilisiert und soll mit aller Macht gerettet werden?

Die Antwort auf die Griechenland-Krise ist für Otte einfach: Lasst die Griechen pleite gehen.
Denn eigentlich gehe es bei den Rettungsschirmen der Eurostaaten weder um die Rettung von Hellas, um die gemeinsame Währung, noch um die "Rettung Europas" als Union.

Der Autor bezeichnet das vielmehr als die "drei politischen Lügen" der maßgeblichen EU-Politiker in Paris, Berlin und Brüssel. Nutznießer der sogenannten Rettungspakete seien vielmehr die Investmentbanken und Superreiche, die sich mit griechischen Staatsanleihen verspekuliert hätten. Das vergessen leider auch alle, die nun von den bösen Griechen reden. Natürlich, es wurde stets Misswirtschaft auch dort betrieben, doch dies allein hätte bei weitem nicht die Ausmaße angenommen, die sich uns nun darstellen.

Wie auch für die Gesamtheit der Wirtschaftskrise (und damit beziehe ich mich nicht allein auf Europa) gilt auch für das griechische Problem in erster Linie dies als Hauptursache:

Der perverse Trieb aus nichts Geld zu machen und dies immer weiter aufzuschaukeln.

Eine geordnete Insolvenz für Griechenland würde erstmals eine massive Beteiligung privater Spekulanten und Banken erzwingen, schreibt Otte. Statt die Athener Regierung weiter den Schuldenberg hinaufzutreiben, solle ein Teil der griechischen Schulden gestrichen werden. Das Land müsse dann aus dem Euro aussteigen und könne mit einer wesentlich schwächeren Währung und ohne Schulden eine Sanierung seiner Wirtschaft versuchen. Einen ähnlichen Kurs schlugen in der Vergangenheit bereits etliche Staaten Lateinamerikas ein, zuletzt Argentinien 2001.

 

Den Euro als Gemeinschaftswährung sieht der Ökonom zudem als von Grund auf problematisch an: "Der Euro hat Europa nicht zusammengebracht, sondern gespalten", schreibt er. Die von Deutschland und anderen Nordländern garantierten billigen Kredite hätten in den PIGS-Staaten (Portugal, Irland, Griechenland und Spanien) zu einer fantastischen Spekulationsblase von fehlgeleiteten Immobilieninvestitionen und ungedeckten Konsumschulden geführt.

Als Ursache für die skizzierte Fehlentwicklung sieht der Autor die "Finanzoligarchie" aus Investmentbanken, Hedgefonds und Ratingagenturen. Diese "dominierende zivile Weltmacht" hätte Verbindungen in die höchsten Kreise der Politik und in den vergangenen Jahrzehnten Bedingungen für die persönliche Bereicherung ihrer Führungsfiguren auf Kosten der Allgemeinheit geschaffen. Otte, der unter anderem an der Universität Graz lehrt, nennt in seinem Buch einige Indizien dafür.

Der Weg aus der aktuellen Krise führe nur über Reformen, wie sie teils bereits nach der Weltwirtschaftskrise 1929 gesetzt worden seien. Dazu zähle die neuerliche Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken, die Erhöhung der Eigenkapitaldecke von Banken, sowie die Schaffung staatlicher Rating-Agenturen und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, wie sie auch von Österreich gefordert wird.

Denn, so der Tenor des Buches, immer neue Rettungspakete, die unter "Alarmsirenengeheul" als "Notfall" und ohne Zustimmung der nationalen Parlamente durchgedrückt werden, und die Steuerzahler Billionen Euro kosteten, seien nicht weniger als eine Aushöhlung der Demokratie.

Ob er vielleicht deshalb so umstritten ist, der Autor dieser vorliegenden kurzen Streitschrift, weil er den Regierenden und Mächtigen so unverblümt den Spiegel vor hält? Max Otte meldet sich oft zu Wort. Schon 1998 hatte er die Anfälligkeit des Euro kritisiert und sein Buch "Der Crash kommt" wurde besonders nach dem Crash, den er schon 2006 punktgenau vorausgesagt hatte, zu einem wahren Bestseller.

 

In der Hauptthese der vorliegenden Streitschrift "Stoppt das Euro-Desaster" sagt Otte, dass es nicht die Griechen, die Iren oder die Portugiesen seien, die den Euro an den Abgrund gefahren hätten, sondern die Banken und Finanzdienstleister, die nur an ihren Gewinn denken, der durch waghalsige Spekulationen natürlich steigt. Die Politiker spielen dieses Spiel mit, bieten keinen Einhalt. Im Gegenteil, sie retten ins Schleudern geratene Banken mit Steuergeldern. Die Gewinne der Banken und die Gehälter und Boni ihrer Manager und Broker sind nach der Krise höher als je zuvor. Schneller und erfolgreicher ist bisher kaum einmal in der Geschichte umverteilt worden.

Max Otte fordert ein sofortiges Umdenken, eine neue Finanzmarktordnung und Regeln, an die sich jeder halten muss:

o Feste Mindestkapitalanforderungen für alle Finanzakteure

o Größenbegrenzungen für Finanzdienstleister

o Trennung von Geschäfts- und Investmentbanking

o Einführung einer Finanztransaktionssteuer

o Gründung einer europäischen Ratingagentur im Rahmen der EZB

 

Dem privaten Anleger rät er, sein Geld zu einer genossenschaftlichen Bank zu schaffen und in Aktien solider deutscher und europäischer Unternehmen investieren. "Werden Sie ‚Volkskapitalist'".

Oder geben Sie ab einer Größenordnung von etwa 50.000 Euro Ihr Geld an Otte selbst, der, bei einer Provision von 1,5 %, einen eigenen, seit Jahren sehr erfolgreichen Fonds betreut.

 

Otte, Wissenschaftler und erfolgreicher Fondsmanager zugleich, kann dabei immerhin für sich den Anspruch erheben, früher als viele andere Ökonomen vor der Krise unseres Finanzsystems laut und deutlich gewarnt zu haben. Für Otte stehen angesichts der milliardenschweren Rettungspakete und Schutzschirme in Europa die Schuldigen fest: die Banken!

"Unser Geld geht nicht nach Griechenland, Irland oder Portugal - nein, es fließt wieder an die Banken, die sich ein weiteres Mal verzockt haben, diesmal mit griechischen Anleihen. Fakt ist: Es gibt überhaupt keine Euro-Krise. Wir stehen mitten in einer neuen Bankenkrise. Nutznießer sind wieder einmal Investmentbanken und Superreiche."

 

"Wir müssen die Herrschaft der Finanzoligarchie beenden. Warten wir nicht länger", lautet deshalb auch sein Fazit. Gemeint sind damit Goldman Sachs und Kollegen in England und Amerika und in Deutschland vor allem: die Deutsche Bank. Gemeint ist damit aber auch eine Politik, die es den Finanzmärkten in der Vergangenheit bis heute zu einfach gemacht habe, wie Max Otte kritisiert:

"Ein Schuldenschnitt für Griechenland und die defizitären Südländer und damit eine Beteiligung der Banken und großer Kapitalvermögen an der Behebung des selbstangerichteten Schadens sind unumgänglich, wenn unser Finanzsystem gesunden soll."

Und Otte fordert noch mehr: Griechenland, Irland, Portugal und Spanien sollten notfalls auch aus der Eurozone entlassen werden können.

 

"Noch heute verzichten viele Mitglieder der Europäischen Union auf den Euro, zum Beispiel Schweden, Dänemark, Polen und die Tschechische Republik. Und sie fahren gut damit."

Was Europa deshalb in Zukunft vielmehr brauche, seien rigide Finanzmarktreformen: Mehr Eigenkapital bei Banken, eine europäische Ratingagentur und eine Finanztransaktionssteuer. Das alles findet sich bei Norbert Walter nicht so klar ausgesprochen. Wie könnte es auch anders sein. Norbert Walter ist als ehemaliger Chefvolkswirt der Deutschen Bank ja geradezu Teil des Systems, dass Otte für die Ursache der Krise hält. Deshalb steht für Walter auch fest, dass wir es bei der Krise nicht allein mit einem Marktversagen zu tun haben, sondern auch mit einem Staatsversagen. Er schreibt:

"Es ist jedoch offenkundig, dass mangelnde Sorgfalt bei der makroökonomischen Steuerung, also bei der Geld- und Finanzpolitik, vorlag und dass es an Klugheit bei der staatlichen Regulierung der Finanzmärkte fehlte. Es gab sowohl Markt- als auch Staatsversagen zu beobachten."

 

Erstaunlicherweise treffen sich aber beide Ökonomen in einem Punkt:

"Wir müssen 'Die hohe Kunst der Umschuldung' wieder erlernen, aufbauend auch auf den Erfahrungen der lateinamerikanischen Schuldenkrise in den achtziger Jahren."

… meinen sowohl Walter als auch Otte, um jenseits eines Staatsbankrotts auch Gläubiger wieder an den Risiken zu beteiligen.

 

Das Buch "Stoppt das Euro-Desaster" ist 2011 im Ullstein Verlag erschienen, umfasst 48 Seiten und ist im Buchhandel unter der ISBN 978-3-550-08896-4 um EUR 4,20 erhältlich.

Eleventy.at - Verein - Produkte - Völker - Zeitung: Ausgaben - Themen - Titel - zurückblättern - weiterblättern