|
|
August
1895:
Ein
Schiff mit jüdischen Siedlern
erreicht den Hafen von Jaffa, unter ihnen
der junge Agrarwissenschaftler Isaac
Luminsky mit seiner schönen Frau
Esther - frisch verheiratet und voller
Zukunftserwartungen. Doch bereits der
erste Kontakt mit den
palästinensischen Arabern
verläuft unglücklich: Esthers
Koffer landen im Wasser. In Jaffa
angekommen, reist Isaac durch Israel, das
gelobte Land, um sich ein Bild zu machen.
Doch all die Verheißungen scheinen
nur Lug und Trug gewesen zu sein. Unter
agronomischen Gesichtspunkten ist das Land
derart schlecht, dass in tausend Jahren
nichts wachsen wird, und ebenso korrupte
wie faule Kolonialisten leben vom Geld des
jüdischen Komitees.
Die Araber hingegen, die hier immer schon
ansässig waren, leben auf bester
Erde, die sie erfolgreich bestellen. Auf
dem Markt der Geldwechsler schaut Isaac,
an eine Mauer gelehnt, dem quirrligen,
lärmenden Treiben zu. Dabei schweifen
seine Augen zu einem kleinen
schwarzhaarigen Jungen, leicht ungelenk,
nicht recht bei Verstand, in Begleitung
einer jungen Araberin. Er
grüßt, sie kichert leicht
verführerisch zurück. Dann
entschwinden sie hinter einer Karawane,
die durch die Gassen getrieben
wird.
Einige
Tage später erhält er von eben
dieser Dame, Afifa Rajani, eine Einladung
auf ihr Landgut, die sie auf Wunsch ihres
Sohnes Salach ausspricht. Gern leistet
Isaac Folge, denn ebenso wie die
ungestillte Begierde lockt ihn das Anwesen
mit Obstplantagen. Jedoch haben die
Pachtbauern mehr schlecht als recht
gewirtschaftet, und Isaac erkennt, dass er
hingegen hier ein Paradies erschaffen
könnte.
|
Isaac
freundet sich mit dem zwölfjährigen
Salach an. Isaac kann Salach aus seinem Seelentief
herausziehen; er spielt mit ihm Ball, klettert auf
Bäume, schwimmt mit ihm, gibt ihm Freude
daran, sich körperlich zu ertüchtigen.
Von nun an wird Isaac zum "Guten Engel". Auch
Mutter Afifa hat ihr Vergnügen mit ihm (Der
Hausherr ist auf Reisen). Mit großem
Engagement treibt Isaac die Pachtbauern zur Arbeit
an, und bald hat er das Anwesen der Rajanis in ein
florierendes, ertragreiches Gut verwandelt. Immer
mehr interessiert sich Isaac allerdings für
die attraktive Afifa und das fruchtbare Land der
Rajanis. Die Ereignisse überschlagen sich, als
der Vater des Jungen nach langer
Geschäftsreise zurückkehrt, Salach seine
Mutter und Isaac in flagranti erwischt und die
arabischen Arbeiter vom Land der Familie vertrieben
werden.
Freundschaft
schlägt in Hass um, Salachs geistige
Verwirrung nimmt zu, die Grenzen zwischen
Realität und Phantasie verschwimmen. Er
verflucht Isaac, gibt ihm Visionen auf den Weg,
seine Frau werde ein Mädchen gebären, das
schon nach zwei Jahren sterben werde. Sogar auf dem
Marktplatz verkündet Salach seine
Zukunftsvisionen: "Wenn die Völker Europas die
Juden abschlachten, wird eine Welle von Juden
kommen, um uns abzuschlachten und zu vertreiben.
Mit List, Betrug und Hintergehung werden sie ihre
Klauen in unsere guten Böden hineingraben,
ihre kotenden Hintern darauf setzen." Aber die
Menge ist aufgebracht und vertreibt ihn mit
Steinen.
Vermeintlich
basierend auf Aufzeichnungen des wirklichen Isaac
Luminsky entwickelt der Autor Alon Hilu ein Sitten-
und Gesellschaftsbild der ersten jüdischen
Siedler in Palästina. Im Wechsel zu den
Aufzeichnungen Isaacs liest man die Aufzeichnungen
des jungen Salachs. Er ist der einzige Erbe des
elterlichen Gutes der Familie Rajani. Da er geistig
behindert und psychisch krank ist, haften seinen
Aufzeichnungen phantastische und surreale
Eindrücke an.
Im
seinem Elternhaus herrschen die strengen aber auch
berauschenden Sitten des Orients, die in den
Farben, den Früchten und Düften des
Hauses ihren Ausdruck finden. Aififa hingegen
verführt den "blonden Engel" (Luminksy), der
erst zum Freund und dann zum Feind von Salach wird.
Als letzterer bemerkt, dass seine Mutter und Isaac
mehr als platonische Liebe verbindet, geht es ihm
immer schlechter.
Isaac
hat es auf das Land der Familie abgesehen, das er
erwerben und nach eigenen Vorstellungen
bewirtschaften will.
Früh
zeigt sich hier die Begehrlichkeit nach Landnahme
durch eingewanderte Juden, die Palästinenser
auf vielfache Weise um Grund und Boden bringen.
Mit
zuweilen langatmigen Beobachtungen aus der Sicht
von Luminksy und Salach schlängelt sich die
Erzählung durch abenteuerliche und
wechselvolle Erlebnisse zu einem offenen Ende hin.
Die fremdartige und poetisch-malerische
Ausdrucksform führt jedoch gelegentlich zu
Ermüdungserscheinungen.
Die
Gesamtheit der Geschichte regt jedoch stets zum
Weiterlesen an.
Man
findet auf eine sonderbare und mystifizierende Art
Eindrücke über den Konflikt zwischen
Juden und Palästinensern wiedergegeben, der
bis in die heutige Zeit reicht. Einmal mehr zeigt
sich, dass Orient und Okzident unvereinbar
sind.
Alon
Hilu wurde 1972 in Jaffa geboren. Zunächst
verfasste er Hörspiele, in den 1990er Jahren
veröffentlichte er Kurzgeschichten in diversen
Literaturmagazinen. Neben Jura studierte Hilu an
der Universität in Tel Aviv Dramatic Writing,
u. a. bei Israels führenden Dramatikern
Jehoschua Sobol und Schmuel Hasfari. 2004 erschien
in Israel sein Roman "Death of a Monk", für
den ihm der Presidential Prize verliehen wurde, und
2008 "House of Rajani". Beide Romane wurden in
zahlreiche Sprachen übersetzt, u. a. ins
Englische, Französische, Niederländische
und Italienische. Heute lebt der Autor in
Herzeliya.
"Das
Haus der Rajanis" ist am 23. Februar 2011 im C. H.
Beck Verlag erschienen, umfasst 354 Seiten und ist
unter der ISBN 978-3-406-61287-3 um 20,60 EUR im
österreichischen Buchhandel
erhältlich.
|