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G E R D ' s

E L E V E N T Y

H A U S B E R G

Thomas Buchtipp

August 1895:

Ein Schiff mit jüdischen Siedlern erreicht den Hafen von Jaffa, unter ihnen der junge Agrarwissenschaftler Isaac Luminsky mit seiner schönen Frau Esther - frisch verheiratet und voller Zukunftserwartungen. Doch bereits der erste Kontakt mit den palästinensischen Arabern verläuft unglücklich: Esthers Koffer landen im Wasser. In Jaffa angekommen, reist Isaac durch Israel, das gelobte Land, um sich ein Bild zu machen. Doch all die Verheißungen scheinen nur Lug und Trug gewesen zu sein. Unter agronomischen Gesichtspunkten ist das Land derart schlecht, dass in tausend Jahren nichts wachsen wird, und ebenso korrupte wie faule Kolonialisten leben vom Geld des jüdischen Komitees.
Die Araber hingegen, die hier immer schon ansässig waren, leben auf bester Erde, die sie erfolgreich bestellen. Auf dem Markt der Geldwechsler schaut Isaac, an eine Mauer gelehnt, dem quirrligen, lärmenden Treiben zu. Dabei schweifen seine Augen zu einem kleinen schwarzhaarigen Jungen, leicht ungelenk, nicht recht bei Verstand, in Begleitung einer jungen Araberin. Er grüßt, sie kichert leicht verführerisch zurück. Dann entschwinden sie hinter einer Karawane, die durch die Gassen getrieben wird.

Einige Tage später erhält er von eben dieser Dame, Afifa Rajani, eine Einladung auf ihr Landgut, die sie auf Wunsch ihres Sohnes Salach ausspricht. Gern leistet Isaac Folge, denn ebenso wie die ungestillte Begierde lockt ihn das Anwesen mit Obstplantagen. Jedoch haben die Pachtbauern mehr schlecht als recht gewirtschaftet, und Isaac erkennt, dass er hingegen hier ein Paradies erschaffen könnte.

Isaac freundet sich mit dem zwölfjährigen Salach an. Isaac kann Salach aus seinem Seelentief herausziehen; er spielt mit ihm Ball, klettert auf Bäume, schwimmt mit ihm, gibt ihm Freude daran, sich körperlich zu ertüchtigen. Von nun an wird Isaac zum "Guten Engel". Auch Mutter Afifa hat ihr Vergnügen mit ihm (Der Hausherr ist auf Reisen). Mit großem Engagement treibt Isaac die Pachtbauern zur Arbeit an, und bald hat er das Anwesen der Rajanis in ein florierendes, ertragreiches Gut verwandelt. Immer mehr interessiert sich Isaac allerdings für die attraktive Afifa und das fruchtbare Land der Rajanis. Die Ereignisse überschlagen sich, als der Vater des Jungen nach langer Geschäftsreise zurückkehrt, Salach seine Mutter und Isaac in flagranti erwischt und die arabischen Arbeiter vom Land der Familie vertrieben werden.

Freundschaft schlägt in Hass um, Salachs geistige Verwirrung nimmt zu, die Grenzen zwischen Realität und Phantasie verschwimmen. Er verflucht Isaac, gibt ihm Visionen auf den Weg, seine Frau werde ein Mädchen gebären, das schon nach zwei Jahren sterben werde. Sogar auf dem Marktplatz verkündet Salach seine Zukunftsvisionen: "Wenn die Völker Europas die Juden abschlachten, wird eine Welle von Juden kommen, um uns abzuschlachten und zu vertreiben. Mit List, Betrug und Hintergehung werden sie ihre Klauen in unsere guten Böden hineingraben, ihre kotenden Hintern darauf setzen." Aber die Menge ist aufgebracht und vertreibt ihn mit Steinen.

 

Vermeintlich basierend auf Aufzeichnungen des wirklichen Isaac Luminsky entwickelt der Autor Alon Hilu ein Sitten- und Gesellschaftsbild der ersten jüdischen Siedler in Palästina. Im Wechsel zu den Aufzeichnungen Isaacs liest man die Aufzeichnungen des jungen Salachs. Er ist der einzige Erbe des elterlichen Gutes der Familie Rajani. Da er geistig behindert und psychisch krank ist, haften seinen Aufzeichnungen phantastische und surreale Eindrücke an.

Im seinem Elternhaus herrschen die strengen aber auch berauschenden Sitten des Orients, die in den Farben, den Früchten und Düften des Hauses ihren Ausdruck finden. Aififa hingegen verführt den "blonden Engel" (Luminksy), der erst zum Freund und dann zum Feind von Salach wird. Als letzterer bemerkt, dass seine Mutter und Isaac mehr als platonische Liebe verbindet, geht es ihm immer schlechter.

Isaac hat es auf das Land der Familie abgesehen, das er erwerben und nach eigenen Vorstellungen bewirtschaften will.

Früh zeigt sich hier die Begehrlichkeit nach Landnahme durch eingewanderte Juden, die Palästinenser auf vielfache Weise um Grund und Boden bringen.

Mit zuweilen langatmigen Beobachtungen aus der Sicht von Luminksy und Salach schlängelt sich die Erzählung durch abenteuerliche und wechselvolle Erlebnisse zu einem offenen Ende hin. Die fremdartige und poetisch-malerische Ausdrucksform führt jedoch gelegentlich zu Ermüdungserscheinungen.

Die Gesamtheit der Geschichte regt jedoch stets zum Weiterlesen an.

Man findet auf eine sonderbare und mystifizierende Art Eindrücke über den Konflikt zwischen Juden und Palästinensern wiedergegeben, der bis in die heutige Zeit reicht. Einmal mehr zeigt sich, dass Orient und Okzident unvereinbar sind.

 

Alon Hilu wurde 1972 in Jaffa geboren. Zunächst verfasste er Hörspiele, in den 1990er Jahren veröffentlichte er Kurzgeschichten in diversen Literaturmagazinen. Neben Jura studierte Hilu an der Universität in Tel Aviv Dramatic Writing, u. a. bei Israels führenden Dramatikern Jehoschua Sobol und Schmuel Hasfari. 2004 erschien in Israel sein Roman "Death of a Monk", für den ihm der Presidential Prize verliehen wurde, und 2008 "House of Rajani". Beide Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, u. a. ins Englische, Französische, Niederländische und Italienische. Heute lebt der Autor in Herzeliya.

"Das Haus der Rajanis" ist am 23. Februar 2011 im C. H. Beck Verlag erschienen, umfasst 354 Seiten und ist unter der ISBN 978-3-406-61287-3 um 20,60 EUR im österreichischen Buchhandel erhältlich.

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