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G E R D ' s

E L E V E N T Y

M I T T E L G R Ü N

Illusionen

Dies ist (m)ein Tanz zwischen Traum und Wirklichkeit …

... worin stets die Wirklichkeit Traum und der Traum Wirklichkeit wird.

Generell sind im Berufsleben Zertifizierungen eine Modeerscheinung geworden. Offensichtlich, weil sich die Menschen nicht (mehr) kennen - oder weil sie keine Zeit dazu haben. Letzteres ist eine Realität, welche uns bereits durch die „Scheinwelt“ von Michael Endes „Momo“ vermittelt worden ist.

In meiner Umgebung hat diese Modeerscheinung bereits vor ein paar Jahren für das Projektmanagement begonnen. Ich habe mich mit dieser Materie befasst, verstanden, worum es dabei geht, und bin dabei darauf gekommen, dass für Projektorganisation und -arbeit in meiner Umgebung einfach die strukturellen Voraussetzungen fehlen. Dies war also die Illusion Nr. 1 ...

Das war für mich noch nicht so schlimm, weil meine „Projektleitung“ eine Notwendigkeit war, um dies zu machen, was mir eher entspricht: nämlich Systemanalyse und das Herausfinden, was meine Kollegen aus den Fachabteilungen für ihre Arbeit an EDV-Unterstützung brauchen. Mittlerweile nennt dies die konventionelle Umgebung „Business-Analyse“, „-Architekt“ oder „Requirements Engineering“ (R.E.) oder so ähnlich. Sich im Dschungel der „Kundenwünsche“, welche jetzt verfälschenderweise auch „Anforderungen“ genannt werden, zu jenem was gebraucht wird, zu gelangen, ist freilich eine anstrengende Aufgabe für sich - und hat man diesen Tanz einmal geschafft, sollte es zu weniger Kalamitäten in der Umsetzung kommen.

Weil das Konzipieren von Anforderungs-Dokumenten (als Basis von technischen Lösungen) schon eher meine Kernkompetenz entspricht, habe ich mich als einer der ersten mit „Business-Analyse“ R.E. u.ä. beschäftigt. Ich denke, ich habe auch verstanden worum es dabei geht und Phantasien entwickelt, wie ich so etwas angehen könnte. Aber auf was ich da gekommen bin, hat mich selbst überrascht:

 

Das ist wie eine andere Welt ..., eine schöne Welt ... aber so weit und ferne von dessen Anwendbarkeit in meiner Umgebung, dass sich im Vergleich dazu die Unmöglichkeit des praktischen Projektmanagements ganz schön realistisch zeigt. Gelange einmal mit drei Hardcore Programmierern, wovon jeder nur seinen eigenen Bereich kennt, zu einem Kosten/Nutzen-Gedanken oder zu jener Ebene, wo die Leute wissen was sie warum tun und was das für ihr Geschäft bringt. Dazu hast du ein „Management“ von lauter Juristen und völlig ohne - na, was wohl: Manager oder gar Ökonomen in praktischer Anwendung von Taschenrechnern, return of investments und so ... Na, ja ! So kann's wohl nicht funktionieren ...!

Schon während unserer Kurse ist mir die Wirklichkeit einer praktischen Anwendung von Business-Analyse wie sie gelehrt wird in die Domäne der Illusionen weg gekippt, noch dazu, wenn ich den Hintergrund kennen gelernt habe: Nämlich Rechtsstreitigkeiten zwischen Softwarehäusern und Auftraggebern bei gescheiterten IT-Projekten bei sich ständig ändernden „Anforderungen“. Dazu existiert im R.E. sogar eine Satzschablone (von den Sophisten entworfen), welche zwar interessant ist, aber mit der ich mich in meiner Umgebung schön browsen gehen kann ... das würde eh' keiner verstehen.

Dass ich nun - nicht mehr als Projektleiter - sondern als Systemanalytiker, im Team (mit den drei Programmierern) meine eigene Praxis zum Arbeiten (er-)finde (und wir im Team unsere gemeinsame Arbeitsweise erringen) wird die beste Referenz gewesen sein (die zweitbeste sind meine bisherigen Konzepte, welche bislang von unserer Entwicklung gelobt worden sind); und just in diesem Augenblick bekomme ich eine Werbung für teure Kursen zum „advanced level“ der Business-Analyse, R.E., Anforderungs-Management, usw.

 

Da bin ich darauf gekommen, dass ich zum ersten mal frei zwischen den Träumen wählen kann:

Der eine Traum sind die idealen Welten der Systemanalyse, welche in den Wolken, wie es doch so schön sein könnte, schweben.

Mein anderer Traum sind die Welten um die „Cinque Terre“ unserer Vereinigung, worin die mir vertrauten Tanzenden in und mit den Wolken schweben.

Beide Träume sind - rein stofflich gesehen - in gleicher Weise irreal. Bei der Cinque Terre ist es offensichtlich, beim „advanced level“ von R.E. kann sich meine Aufgabe gar nicht stellen, weil dazu so gar nichts an Voraussetzungen gegeben ist. Ich kann es mir also aussuchen, welchen Traum ich nun weiter verfolge.

Dies war bisher noch nie der Fall, weil sich mir bislang Traum und Wirklichkeit immer kontrastreich gezeigt haben.
Nun drehen sich mir die zwei Domänen um, und wie, das will ich gerne erläutern.

 

Aus der (dazu noch beruflichen) „Realität“ kommen nun die Angebote aus den idealen Welten der Anforderungs-Analyse und -Management.
Aus dessen Realitätsanspruch wird mir die Illusion für die Praxis offenbar. Diese berufliche „Wirklichkeit“ ist zur Illusion geworden.

Unsere Welten aus der „Cinque Terre“ unserer Vereinigung haben diesen stofflichen Realitätsanspruch nicht. Sie erzählen Geschichten, und jeder von uns weiß das. Diese Geschichten ermöglichen jeden, sich dazu frei in Beziehung zu bringen (oder auch nicht). Hier stellt sich die „Welt“ dar, als was sie ist. Sie ist eine Scheinwelt und als solches darf sie verstanden werden. Dadurch hat jeder die Chance etwas für sich auf der Erzählebene der Methapher zu gewinnen.
Mir ist es möglich, aus dieser Metaebene die erzählten Charaktere in meine Lebenslage zu übertragen, und im Anwenden verwandle ich die „Illusion“ in (m)eine praktische Wirklichkeit.

Auch kann ich mit mehr Menschen über „meine Völker“ der „Cinque Terre“ unseres Vereines als über R.E. und dergleichen sprechen.
Ersteres
gefällt mir besser und vermag ich auch leichter zu verwirklichen als die idealen Welten einer schönen Systemanalyse.
(M)einen Tanz zwischen den Welten auf der Welle des weißen Windes kann ich im übertragenen Sinne leichter umsetzen, weil darin die Ebenen meiner Anwendung offen sind, während sich das R.E. nur auf eine ganz bestimmte Ebene bezieht, für dessen Umsetzung das Bewusstsein meiner Umgebung fehlt.

 

Da finden wir uns auch im Film „Avatar“ wieder, worin für Jake Sully die „Wirklichkeit“ zur Illusionen und die geglaubte Illusion real wird, und er dazu auch noch die Seiten wechselt.

Wahrlich, in der/n Mär(chen) von Wahrgeschichten wohnt mehr Realität als in den Geschichten von jenem, was sich so real und notwendig gibt (und sich bloß verkaufen will).

So stimme ich mit Johannes überein, dass wir uns im Film „Avatar“ nicht als die Na'vi, sondern als den Menschen Jake Sully, identifizieren dürfen.
Er ist ein einfacher Charakter, dem die Chance des Dazulernens gegeben wird.

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