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G E R D ' s

E L E V E N T Y

M I T T E L G R Ü N

Einsichtsverweigerung

Wort des Monats

© Vereinstreffen in Kobersdorf

Ein herrlich schönes Wort, nicht wahr ?
Es beschreibt treffend eine der größten und leider auch der üblichsten Schwierigkeiten der Menschheit; ich wage zu behaupten, das war früher auch nicht besser.
Bei Fürsten wahrscheinlich sogar schlimmer, so wie heute bei Diktatoren.

Das interessante ist ja, dass es nicht darum geht, dass Erkenntnis nicht gelingen würde oder Einsicht momentan unmöglich wäre - was oft genug der Fall sein mag -, nein, sowohl Erkenntnis als auch die Möglichkeit zur Einsicht sind vorhanden. Aber es wird verweigert, einzusehen. Ein amerikanischer Präsident (ich müsste nachsehen, welcher), sagte so schön, er habe seine Meinung schon gebildet und fügte hinzu: "Verwirren Sie mich nicht mit Tatsachen!"

Und siehe da, in der Politik und der Wirtschaft, mit anderen Worten in den beiden Bereichen, von denen wir beherrscht werden, ist Einsichtsverweigerung üblich, ja oft genug sogar eine Voraussetzung für den Erfolg. Vor jeder Krise erschien pünktlich eine Abhandlung zum Thema "Die Krise kommt !". Siehe da - sie kam wirklich, aber niemand wollte das vorher schon einsehen. Heute geht alles wieder seinen gewohnten Gang, sämtliche gewonnenen Einsichten über Fehlentwicklungen im System sind längst vergessen. Die nächste Krise wird schlimmer werden.

Wie sieht es in der überaus geliebten Politik aus ?

Sogar noch schlimmer, denn hier gilt vor allem: Behalte deinen Standpunkt - und zwar den der Partei. Unter gar keinen Umständen, erfahren wir von Mediencoaches, dürfe ein Politiker nachgeben, das demonstriere Schwäche und schade ihm. Mit anderen Worten - seine Position zu überdenken ist Schwäche ?
Kein Wunder, dass es so selten passiert. Das Grundprinzip der Parteichefs gemahnt immer an Rudyard Kipling, wo es in Moglis Wolfsrudel dazu kommt, dass der alte Rudelführer Akela entthront wird, weil er den Bock verfehlt. Es ist bei Politikern vergleichbar: Er hat die Wahl verfehlt. Und weg ist er (oder sie).

In beiden Systemen geht es um Erfolg. Eine bekannte und wichtige Voraussetzung für den Erfolg ist es aber, Bescheid zu wissen; in Dingen, die uns persönlich angehen, mag das schwer fallen - aber Einsicht ist eine Grundvoraussetzung, um erfolgreich handeln zu können. Langfristig graben Einsichtsverweigerer daher ihr eigenes Grab. Außer sie sind Oppositionspolitiker. In diesem Fall können sie von der vergleichbaren Einsichtsverweigerung der Wählerschaft profitieren.

 

Das Grundkonzept ist übrigens die sogenannte kognitive Dissonanz: Sobald Handeln und Denken komplett auseinanderklaffen, muss eines davon - fast immer das Denken - geändert werden. Wenn also die Möglichkeiten bestehen, dass ich im Unrecht bin oder der andere, dann wird überhaupt gar nicht darüber nachgedacht. Es ist völlig klar, dass ich Recht habe, denn sonst müsste ich mich ja selbst als allzu fehlerhaft betrachten. Das fällt schwer, also beharren fast alle selbst dann noch auf ihrer Meinung, wenn die Gegenbeweise offensichtlich sind. In Strafprozessen kann das leicht kritisch werden.

Und wie oft gibt es das bei uns nicht auch ?
Im Alltag verfahren wir wohl ständig so. Sehr viele Systeme, die uns Halt geben, beruhen leider auch auf diesem Prinzip - angefangen beim Horoskop. So oft kann gar nicht bewiesen werden, dass es nicht stimmt. Einsichtsverweigerer sind durch nichts, schon gar nicht durch Tatsachen, überzeugbar. Gegen Einsichtsverweigerung kämpfen selbst Götter des Holzhammers vergebens …

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