In
unserem Wiener Hauskreis haben wir gemeinsam einen
mikroökonomischen Prozess an Hand eines
Zusammenkommens zweier Ansichten über den
gleichen Sachverhalt analysiert.
Während nach Adam Smith, der klassischen
Volkswirtschaftslehre, Werte alleine aus der
menschlichen Arbeit erwachsen, sind einige
Anthroposophen der Meinung, dass erst in der
Bezahlung, im Tauschakt, ein volkswirtschaftlicher
Wert entsteht. Aus diesem Widerspruch haben wir uns
den Prozess der Wertschöpfung einmal genauer
angesehen.
Laut
Adam Smith existieren drei Produktionsfaktoren,
wonach sich auch der alljährliche
Finanzbericht unserer Vereinigung
orientiert.
Dies
ist zum einen der Boden. Das ist alles, was
eine bestimmte Form angenommen hat, also ein
Grundstück, die Werkstatt, das Werkzeug, der
PC und auch dessen Software, wo die Form
unsichtbar ist. Auch (automatische)
Abläufe und deren Dokumentation sind
Boden, weil sie eine ganz bestimmte
Form aufweisen. Deren Anwendung
ist etwas anderes, worauf wir noch kommen
werden.
Zum
anderen ist Kapital ein Produktionsfaktor.
Damit meinen wir nicht die finanziellen Mittel,
sondern Kapital im Wortsinn (caput = der Kopf, eben
dort, wo, laut André Heller, die wahren
Abenteuer sind). Das ist der geistig-ideelle
Hintergrund eines produzierenden Unternehmens,
sowie die Fähigkeiten und Skills der
Mitarbeiter und -beteiligten (als
Humankapital). Es liegt am
Materialismus unserer Kultur, dass selbst unter
Ökonomen der Begriff Kapital
falsch verstanden wird. Kapital als
Geist statt als Geld vermag das Einfließen
des dritten Produktionsfaktors anzufachen, eben zum
Handeln zu motivieren. (Soziales) Kapital ist
motivierend und begeisternd, und daraus
schöpfen auch wir in unserem Freundeskreis und
in unserer Vereinigung.
Jener
dritte Faktor ist die menschliche Arbeit als
Anwendung der anderen zwei Faktoren im Prozess der
Produkt-Entwicklung und -Herstellung.
Arbeit als Faktor ist hier genauso
vielfältig wie die anderen beiden. Es ist
jedenfalls der Gestaltungs- und
(Um-)Formungsprozess, woraus eine (potentielle)
Ware entsteht. Wir denken, dass erst einmal etwas
produziert sein muss, bevor es mit etwas anderem
getauscht werden kann - gehen wir von der
Realwirtschaft aus.
Die
Produkt-Entwicklung und -Herstellung stellt
für uns den ersten Schritt der
Wertschöpfung dar.
Der
zweite Schritt ist zum einen das in Erscheinung
Treten des Produktes, dessen Wahrnehmung und dann
zum anderen die Erwartungen und Hoffnungen des
Betrachters auf jenes, was ihm da in Erscheinung
getreten ist. Diese Werte werden aus
dem sich erwachsenden Verhältnis des
Angesprochenen zum Wahrgenommenen
verliehen.
Der
dritte Schritt liegt im Kauf, bzw. im Tausch, des
Produktes. Da wird es zur Ware und der
volkswirtschaftliche Wert ist vollzogen worden.
Etwas schon vorhanden, aber noch nicht erlebtes,
Wertvolles hat seine Entsprechung im
wirtschaftlichen Handeln gefunden.
Der
vierte Schritt liegt schließlich im Konsum
des Produktes. Falls sich da der Nutzen einstellt,
dann ist die Wertschöpfung in der
Seele des Käufers von der an das Produkt
gebundenen Form zu etwas, wodurch
es
ihm lieb und wert
wird
aufgestiegen. Der Wert wird erlebt
und erfahren.
Denn
in der anfänglichen Bewertung wohnt
nur eine Erwartung, ein Versprechen,
und wenn der erwartete Nutzen größer
oder gleich dem Preis des Produktes, oder dem Wert
des Tauschgegenstandes, ist, dann kommt es zum
Kauf, bzw. Tausch.
Ob
sich nun der erhoffte Nutzen einstellt oder nicht,
könnte schließlich (auch) als Kriterium,
ob hier ein Wert entstanden ist, oder nicht,
herangezogen werden. Je nach Standpunkt und
Anschauung kann der Wert bereits in der Produktion
des Trägers, in der Erwartung als
Ausdruck des Verhältnis des Betrachters zum
Wahrgenommenen, im Kauf- und Tauschakt, oder erst
im Sich Einstellen des Nutzens
entstehen
Das
gefällt mir als Volkswirtschaftler: Dass
die
Wahrheit
in der Form vielfältig ist und sich nicht in
nur eine Lehre, oder in einen Glauben, pressen
lässt. Da ist für mich als
weltenüberbrückender Tanzender auf der
Welle des weißen Windes der Gleitflug in die
Vielfalt der Religionen
sehr nahe
Auch da wird es immer mehrere
geben, wie es bereits schon Rumi gewusst
hat.
*
In
unserer Differenzierung der einzelnen
Prozess-Schritte und -Phasen, ist es uns
möglich unseren Blick auf weitere Fragen zu
richten.
In jedem Schritt des Prozesses kann es nämlich
zum Abbruch der Wertschöpfung kommen,
die Mühen aus den vorherigen Schritten
scheinen umsonst, und es kommt zu keiner
Anerkennung.
Das
Produkt wird entwickelt und schließlich
hergestellt. Das haben wir in unseren Workshops bei
unseren Vereinstreffen gemacht, und die Texte hat
jeder von uns noch vorher geschrieben und für
die Lesung gesammelt. Zum Abbruch käme es
dann, wenn die Lesung nie stattgefunden hätte
und der Textband außerhalb unseres Kreises
nie in Erscheinung getreten wäre. Bei
Selbstversorgern und einigen Subsistenzwirtschaften
kann dies durchaus der Fall und sogar
wünschenswert sein. Der Konsum der
Produkte erfolgt in eigenem Kreis, und es kommt zu
keinem Handel mit Außenstehenden; und
trotzdem kann sich ein Nutzen beim Einzelnen
einstellen, denn hier erfolgt der
Handel im Innenverhältnis. Der
andere Fall wäre das Schmoren im eigenen Saft,
was sich bei vielen Vereinigungen beobachten
lässt und für ein harmonisches Auftreten
im Außen schon auch mal notwendig sein
kann.
Als
nächstes tritt das Produkt in Erscheinung und
es wird auch wahrgenommen. Hier setzt meist die
Werbung ein, welche für unsere Lesungen ja
auch stattgefunden hat. Hätten sich die Leute
nichts davon erwartet, wären sie auch nicht
gekommen; und hätte es ihnen nicht gefallen,
dann hätten sie sich nicht für unseren
Textband interessiert und erhofft, dass dieser
für etwas gut sei. Es wird schon dann und wann
mal zum Abbruch gekommen sein, nämlich dann,
wenn er nicht gekauft worden ist.
Zum
Glück ist es über dreißigmal zum
nächsten Schritt gekommen, nämlich zum
Tausch - meist in Geld, manchmal auch zur Pflege
von Kontakten Nahestehender ohne monetärer
Komponente darin.
Der
vierte Schritt lässt sich nur durch ehrliches
Feedback ermitteln. Erfahrungsgemäß
kaufen sich Leute immer wieder Produkte und sind
davon enttäuscht. Wenn Produkte nicht halten
was sie versprechen, scheint für viele
Ökonomen dennoch ein Wert
entstanden zu sein, obwohl er nicht nachvollzogen
werden kann und nicht erlebt wird. Ich darf
für unser Produkt Licht und
Schatten hoffen, dass sich die Erwartungen
(wenn sie nicht überzogen gewesen sind)
erfüllt haben und sich darin eine
Wertschöpfung eingestellt hat.
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