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G E R D ' s

E L E V E N T Y

E R G R E I F E N . 1 0 / 1 1

Vom Prozess der Wertschöpfung

In unserem Wiener Hauskreis haben wir gemeinsam einen mikroökonomischen Prozess an Hand eines Zusammenkommens zweier Ansichten über den gleichen Sachverhalt analysiert.
Während nach Adam Smith, der klassischen Volkswirtschaftslehre, Werte alleine aus der menschlichen Arbeit erwachsen, sind einige Anthroposophen der Meinung, dass erst in der Bezahlung, im Tauschakt, ein volkswirtschaftlicher Wert entsteht. Aus diesem Widerspruch haben wir uns den Prozess der Wertschöpfung einmal genauer angesehen.

 

Laut Adam Smith existieren drei Produktionsfaktoren, wonach sich auch der alljährliche Finanzbericht unserer Vereinigung orientiert.

Dies ist zum einen der Boden. Das ist alles, was eine bestimmte Form angenommen hat, also ein Grundstück, die Werkstatt, das Werkzeug, der PC und auch dessen Software, wo die Form „unsichtbar“ ist. Auch (automatische) Abläufe und deren Dokumentation sind „Boden“, weil sie eine ganz bestimmte Form aufweisen. Deren Anwendung ist etwas anderes, worauf wir noch kommen werden.

Zum anderen ist Kapital ein Produktionsfaktor. Damit meinen wir nicht die finanziellen Mittel, sondern Kapital im Wortsinn (caput = der Kopf, eben dort, wo, laut André Heller, die wahren Abenteuer sind). Das ist der geistig-ideelle Hintergrund eines produzierenden Unternehmens, sowie die Fähigkeiten und Skills der Mitarbeiter und -beteiligten (als „Humankapital“). Es liegt am Materialismus unserer Kultur, dass selbst unter Ökonomen der Begriff „Kapital“ falsch verstanden wird. „Kapital“ als Geist statt als Geld vermag das Einfließen des dritten Produktionsfaktors anzufachen, eben zum Handeln zu motivieren. (Soziales) Kapital ist motivierend und begeisternd, und daraus schöpfen auch wir in unserem Freundeskreis und in unserer Vereinigung.

Jener dritte Faktor ist die menschliche Arbeit als Anwendung der anderen zwei Faktoren im Prozess der Produkt-Entwicklung und -Herstellung. „Arbeit“ als Faktor ist hier genauso vielfältig wie die anderen beiden. Es ist jedenfalls der Gestaltungs- und (Um-)Formungsprozess, woraus eine (potentielle) Ware entsteht. Wir denken, dass erst einmal etwas produziert sein muss, bevor es mit etwas anderem getauscht werden kann - gehen wir von der Realwirtschaft aus.

 

Die Produkt-Entwicklung und -Herstellung stellt für uns den ersten Schritt der Wertschöpfung dar.

Der zweite Schritt ist zum einen das in Erscheinung Treten des Produktes, dessen Wahrnehmung und dann zum anderen die Erwartungen und Hoffnungen des Betrachters auf jenes, was ihm da in Erscheinung getreten ist. Diese „Werte“ werden aus dem sich erwachsenden Verhältnis des Angesprochenen zum Wahrgenommenen verliehen.

Der dritte Schritt liegt im Kauf, bzw. im Tausch, des Produktes. Da wird es zur Ware und der volkswirtschaftliche Wert ist vollzogen worden.
Etwas schon vorhanden, aber noch nicht erlebtes, Wertvolles hat seine Entsprechung im wirtschaftlichen Handeln gefunden.

 

Der vierte Schritt liegt schließlich im Konsum des Produktes. Falls sich da der Nutzen einstellt, dann ist die „Wertschöpfung“ in der Seele des Käufers von der an das Produkt gebundenen Form zu etwas, wodurch es ihm „lieb und wert“ wird aufgestiegen. Der Wert wird erlebt und erfahren.

Denn in der anfänglichen Bewertung wohnt „nur“ eine Erwartung, ein Versprechen, und wenn der erwartete Nutzen größer oder gleich dem Preis des Produktes, oder dem Wert des Tauschgegenstandes, ist, dann kommt es zum Kauf, bzw. Tausch.

Ob sich nun der erhoffte Nutzen einstellt oder nicht, könnte schließlich (auch) als Kriterium, ob hier ein Wert entstanden ist, oder nicht, herangezogen werden. Je nach Standpunkt und Anschauung kann der Wert bereits in der Produktion des „Trägers“, in der Erwartung als Ausdruck des Verhältnis des Betrachters zum Wahrgenommenen, im Kauf- und Tauschakt, oder erst im Sich Einstellen des Nutzens „entstehen“

Das gefällt mir als Volkswirtschaftler: Dass „die Wahrheit“ in der Form vielfältig ist und sich nicht in nur eine Lehre, oder in einen Glauben, pressen lässt. Da ist für mich als weltenüberbrückender Tanzender auf der Welle des weißen Windes der Gleitflug in die Vielfalt der Religionen sehr nahe … Auch da wird es immer mehrere geben, wie es bereits schon Rumi gewusst hat.

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In unserer Differenzierung der einzelnen Prozess-Schritte und -Phasen, ist es uns möglich unseren Blick auf weitere Fragen zu richten.
In jedem Schritt des Prozesses kann es nämlich zum Abbruch der Wertschöpfung kommen, die Mühen aus den vorherigen Schritten scheinen umsonst, und es kommt zu keiner Anerkennung.

Das Produkt wird entwickelt und schließlich hergestellt. Das haben wir in unseren Workshops bei unseren Vereinstreffen gemacht, und die Texte hat jeder von uns noch vorher geschrieben und für die Lesung gesammelt. Zum Abbruch käme es dann, wenn die Lesung nie stattgefunden hätte und der Textband außerhalb unseres Kreises nie in Erscheinung getreten wäre. Bei Selbstversorgern und einigen Subsistenzwirtschaften kann dies durchaus der Fall und sogar wünschenswert sein. Der „Konsum“ der Produkte erfolgt in eigenem Kreis, und es kommt zu keinem Handel mit Außenstehenden; und trotzdem kann sich ein Nutzen beim Einzelnen einstellen, denn hier erfolgt der „Handel“ im Innenverhältnis. Der andere Fall wäre das Schmoren im eigenen Saft, was sich bei vielen Vereinigungen beobachten lässt und für ein harmonisches Auftreten im Außen schon auch mal notwendig sein kann.

Als nächstes tritt das Produkt in Erscheinung und es wird auch wahrgenommen. Hier setzt meist die Werbung ein, welche für unsere Lesungen ja auch stattgefunden hat. Hätten sich die Leute nichts davon erwartet, wären sie auch nicht gekommen; und hätte es ihnen nicht gefallen, dann hätten sie sich nicht für unseren Textband interessiert und erhofft, dass dieser für etwas gut sei. Es wird schon dann und wann mal zum Abbruch gekommen sein, nämlich dann, wenn er nicht gekauft worden ist.

Zum Glück ist es über dreißigmal zum nächsten Schritt gekommen, nämlich zum Tausch - meist in Geld, manchmal auch zur Pflege von Kontakten Nahestehender ohne monetärer Komponente darin.

Der vierte Schritt lässt sich nur durch ehrliches Feedback ermitteln. Erfahrungsgemäß kaufen sich Leute immer wieder Produkte und sind davon enttäuscht. Wenn Produkte nicht halten was sie versprechen, scheint für viele Ökonomen dennoch ein „Wert“ entstanden zu sein, obwohl er nicht nachvollzogen werden kann und nicht erlebt wird. Ich darf für unser Produkt „Licht und Schatten“ hoffen, dass sich die Erwartungen (wenn sie nicht überzogen gewesen sind) erfüllt haben und sich darin eine Wertschöpfung eingestellt hat.

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