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G E R D ' s

E L E V E N T Y

E R G R E I F E N . 1 0 / 1 1

Formularzombie

ein von Johannes aufgegriffenes Wort

© Tom DeMarco, Peter Hruschka und weitere.

Ein herrliches Wort - mal ausnahmsweise nicht von mir er- oder gefunden, sondern von anderen Leuten, die es als Buchtitel verwendeten.
Ich habe das Buch nicht gelesen, aber mit dem Wort konnte ich sofort etwas anfangen.

Vor meinem geistigen Auge ersteht ein Formularzombie - eine tote, vertrocknete Gestalt, die mechanisch und geistlos Formulare trägt, ausfüllt oder kontrolliert, ob sie korrekt ausgefüllt wurden, ohne eigenen Willen oder eigene Gedanken oder gar Gefühle. Vermutlich werden sie nachts wieder zu normalen Karteileichen.

Scherz beiseite, diese Art von Mensch ist wohl allen ziemlich gut bekannt; es gibt den Witz über einen Beamten, der den i-Punkt nicht ergänzen wollte, da alles "in der gleichen Handschrift" ausgefüllt sein müsse. Das ist übertrieben, aber die Unflexibilität mancher Leute ist wohlbekannt und wohl auch oft genug von (mehr als) genug Leuten selbst erlebt worden.

Woher stammt diese seltsame Spezies aber tatsächlich?
Meiner Meinung nach ist es das Ergebnis einer widernatürlichen Kombination aus Jurist und Buchhalter. Der Jurist-Anteil sorgt dafür, dass alles gesetzeskonform und somit unverständlich, aber exakt ist, und der Buchhalter-Anteil sorgt dafür, dass es korrekt und ganz genau so, wie es da steht, ausgefüllt werden muss.
Beide gemeinsam verhindern auch das kleinste Abweichen, denn sonst könnte es ja a) nicht mit dem Gesetz übereinstimmen, damit b) zu erhöhtem Denkaufwand oder schrecklichstenfalls c) zu Verantwortung führen. Bei dem Gedanken werden Formularzombies vermutlich leichenblass und verlieren einzelne Körperteile, beispielsweise verabschiedet sich das Gehirn und das Herz rutscht in die Hose.

Da ihnen jedoch als Meister der Formulare große Macht in die Hände gegeben ist, nämlich die Macht, andere Leute in Form eben jener Formulare zu zwängen, trifft der Schaden nicht sie, sondern diejenigen, die eben nicht in die Formulare passen. Die müssen dann solange herumdoktern, bis sie ihr Leben so darstellen können, wie es in das Formular passt - und wanken nachher halbtot wieder aus der Ausfüllstelle heraus, selber schon halbe Zombies …

Eine andere Interpretation des Wortes wäre das, was dann aus diesen Formularen entsteht. Wenn nämlich etwas so Vielfältiges wie menschliches Leben in etwas so Einfältiges wie ein Formular gezwängt wird, ist alles, was aus diesem Formular erhoben werden kann ein Zombie, also etwas Totes, Irreales, das zwar an Leben erinnert, aber nicht wirklich lebt.

Zum Glück jedoch gibt es so viele Formulare, dass sich aus den vielen Leichenteilen vielleicht irgendwann tatsächlich ein Bild des realen Menschen ergibt, da dieser nach erfolgtem Ausfüllen genau so irre ist, wie die Formularauswertung ergibt …

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