Im
Rahmen unseres Zyklus "Dir geschehe, wie Du
glaubst" nehmen wir folgendes Juwel aus der
religiösen Weltliteratur zu Hand und behandeln
daraus einige Auszüge in unserem Wiener
Hauskreis.
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Maulana
Dschelaladdin Rumi, der
größte Mystiker der islamischen
Welt, bietet an Hand dieser
Gesprächssammlung aufschlussreiche
Einblick in seine Denk- und Arbeitsweise.
In seinem einzigen Prosawerk lässt
sich Rumi in einem völlig neuen Licht
betrachten.
Die
maßgebliche Übersetzung von
Annemarie
Schimmel
trägt dazu bei, in Rumi den geistigen
Lehrer,
die Autorität in der Auslegung des
Koran sowie den Kenner menschlicher
Lebensprobleme zu erkennen.
Rumis
Mystik findet hier den Weg zurück in
die Endlichkeit.
Die Notwendigkeit Gott, den Einen, in
Allem zu sehen, bildet den Kern seiner
Ausführungen.
"Rumi
lebte durchaus nicht immer auf den
höchsten Wolken mystischer
Kontemplation.
Im Gegenteil, kein anderer persisch
schreibender Dichter hat dem Volk so aufs
Maul geschaut wie er." (Annemarie
Schimmel)
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Den Anfang machten wir mit dem Thema der Korruption
als seelische Haltung, von der die konkrete
Religion beeinflusst wird. Dazu haben wir uns
Folgendes (hier auszugsweise) angesehen:
...
Der Mensch muss sein
Unterscheidungsvermögenvon allen Zwecken
leeren und einen Glaubensfreund suchen.
Glaube
ist, den wahren Freund zu erkennen.
Wenn
jemand sein Leben in der Gesellschaft von Leuten
verbracht hat, die kein
Unterscheidungsvermögen haben, wird auch sein
eigenes Unterscheidungsvermögen schwach, und
er ist nicht fähig, jenen Glaubensfreund zu
erkennen. Du hast diesen Körper genährt,
in dem es kein Unterscheidungsvermögen gibt.
Unterscheidungsvermögen ist diese eine
Eigenschaft, die im Menschen verborgen ist. ...
Unterscheidungsvermögen ist eine subtile
innere
Qualität, die in euch
liegt.
...
Wie kommt es, dass ihr alles daran wendet, die eine
Substanz zu pflegen, und die andere Essenz
völlig vernachlässigt ?
Es ist vielmehr so, dass der Körper durch die
andere besteht, während die andere keineswegs
vom Körper abhängig ist. ... Es ist so,
als hättest Du eine Lampe vor die Sonne
gestellt und meintest "Ich sehe die Sonne
vermittels dieser Lampe !" Gott bewahre ! Wenn Du
die Lampe nicht bringst, zeigt sich die Sonne noch
immer - was braucht's die Lampe ?
...
Wenn Du gerade (aufrichtig) wirst, verschwindet all
diese Krummheit. So hüte Dich, lass nicht die
Hoffnung fahren !
Die Gefahr, mit Königen zusammen zu sitzen,
besteht nicht darin, dass ihr am Schluss den Kopf
verlieren könntet - der Kopf muss ja sowi(e)so
einmal weg, heute oder morgen.
Die Gefahr kommt vielmehr daher, dass, wenn
Könige die Szene betreten und ihre Triebseele
kräftiger wird, also sozusagen zum Drachen
(bzw.
Begierde)
wird, dann wird derjenige, der mit ihnen verkehrt
und behauptet, mit ihnen befreundet zu sein, und
Geld (und
Zuwendungen anderer
Art)
von ihnen annimmt, bestimmt genau ihren
Wünschen gemäß sprechen. Er wird
ihre üblen Absichten liebevoll beachten und
annehmen und wird Gott ärgern, um ein
Geschöpf zufrieden zu stellen, und ist dann
nicht mehr im Stande, ihnen zu
widersprechen.
Darin
liegt die Gefahr: dass es zum Verderb des Glaubens
führt. ...
Wenn
Du ihre Interessen pflegst, schadet das
Deiner
Religion, und die Seite, die die eigentliche
Wurzel, wird dir fremd. ...
Je mehr Du Frieden mit Weltmenschen machst, desto
ärgerlicher wird der Geliebte über Dich.
Wenn jemand einem Unterdrücker beisteht, dann
gibt Gott ihm Macht über ihn.
Allzu oft werden
Vorhaben von eitlen Eigeninteressen seelisch
niederer Regionen dominiert. Heute treten sie kaum
offen zu Tage, denn wer gibt schon offen zu, dass
er jener oder jenem gefallen möchte, um daraus
diesen oder jenen persönlichen Vorteil zu
erlangen ? Jeder weiß von der
"Freunderlwirtschaft", welche jedoch am Wesen eines
Freundes
vorbeigeht. Hier hilft mitunter durchaus die innere
Disziplin einer Askese, welche das
Vordergründige relativiert, den Blick reinigt
und damit auf das Wesentliche freimacht.
Beispielsweise dient der Zakat einem "mit Gott ins
Reine Kommen", wenn zuviel Besitz und Vermögen
die Beziehung trübt und die Nähe zu Ihm
verstellt. Fasten kann hierzu auch interessant
sein.
In unserem
Hauskreis ist uns angenehm aufgefallen, dass dem
Angesprochenem gleich der "gerade Weg" angeboten
wird, anstatt ihm bloß ein schlechtes
Gewissen mit seiner Schuld zu machen, und ihm
dadurch am Handeln und an seiner Veränderung
zu hindern. Wenn quasi das Fundament für den
Neuanfang - ohne langatmig zu erwähnen, wie
nötig man es hat - gleich in den Umfang
miteinfließt wirkt dies viel ansprechender.
Wenn nämlich der Angesprochene schon darauf
gekommen ist, wie es um ihn steht, weiß er
ohnedies und von innen her vom Bedarf des "geraden
Weges", dessen Beschreitung die Krummheit zum
Verschwinden bringt. Dies nämlich ist eine
Gesetzmäßigkeit, gleich wie jene, wenn
einer den "geraden Weg" verlässt, um seinen
Vorgesetzten oder Mäzenen zu
gefallen.
Es ist nicht, wie
oft fälschlicherweise behauptet wird, die
Rache eines Beleidigten, wenn Gott einem
Unterdrücker Macht verleiht. Wer sich mental
in Abhängigkeit begibt, der wird
abhängig. Das ist eine
Gesetzmäßigkeit. Zwar stellen
natürliche Gesetzmäßigkeiten
"Gewohnheiten Gottes" zur Ordnung in der Welt dar,
und sie können auch erforscht werden - aber
ich halte jene Gesetzmäßigkeiten besser
als eine chaotische Welt, in welcher es keine
Hoffnung mehr gibt. Gottes Gewohnheiten
nämlich bergen die Ordnung in der Welt, woraus
unser Leben und Dasein überhaupt
möglich ist, und als Christen ist uns von Ihm
die Gewissheit gegeben, dass wir uns aus der
Abhängigkeit Mächtiger befreien
können.
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Ich denke, wir
werden uns im Wiener Hauskreis noch weiter mit der
Korruption beschäftigen. So bietet sich die
Schlacht von Kerbala um den rechtgeleiteten
Gemeindevorstand an, als Mahnmal für die
Gefahr des Missbrauches und Vereinnahmung von
Religion, von Terroristen - oder auch von
Populisten ("Abendland in Christenhand"), welche ja
auch andere terrorisieren - zum
Beispiel.
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