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G E R D ' s

E L E V E N T Y

I N N E N L I C H T . 2 0 0 9

Johannes Wort des Monats: chrlich

Eigentlich © Ein Irrtum.

Dass der Wahlkampf positive Seiten haben könnte, war für mich eine große Überraschung, aber nichtsdestoweniger ließ ich mich davon überzeugen, dass es so sein kann. Ich verdanke ihm schließlich das Wort des Monats. Und das kam so:

Das Plakat trägt eigentlich die Aufschrift „Kompromisslos ehrlich“ (ich gebe zu, dass ich nicht ganz sicher bin, ob es wirklich „kompromisslos“ hieß, aber es war zumindest ein Begriff mit der gleichen Bedeutung). Nun befand sich jedoch der Querstrich im kleinen e genau da, wo zwei Teile des Plakats aneinandergrenzten bzw. in diesem Fall einander überlappten, genau so, dass alle Buchstaben kaum verzerrt wirkten. Abgesehen davon, dass das „e“ zu einem „c“ geworden war.

Es sieht wie eine Art Freud’scher Fehlleistung aus, denn der Wahrheitsgehalt des Plakates hat sich sogar noch erhöht: „chrlich“ erinnert sofort an das lautmalerische „chr“, mit dem Schnarchen dargestellt wird. Genau so kamen mir die Plakate zur Wahl auch vor - langweilig und durchaus als Schlafmittel verwendbar.

Vermutlich ist das noch nicht mal beabsichtigt, aber es ist natürlich beabsichtigt, möglichst wenig Energie zu verbrauchen und die Bedeutung der Wahl nicht hochzuspielen, das könnte ja geradezu so aussehen, als ob die EU für wichtig erachtet würde, und das würde ja womöglich nicht gut ankommen.

Mal abgesehen davon, dass die EU wichtig ist, vollkommen egal, wie man ihr gegenüber eingestellt ist - mich überlief das kalte Grausen, als mir klar wurde, dass die Plakate als sinnvoll erachtet werden. Ich wüsste zu gerne, ob Plakate jemals auch nur einen einzigen Menschen in seiner Entscheidung, diese oder jene Partei oder Person zu wählen ernsthaft beeinflusst haben. Wenn das der Fall ist, so wäre es ein fataler Fall, gemessen an der Qualität vieler dieser Plakate, für die „chrlich“ noch ein ausgesprochener Euphemismus wäre.

Und dann auch noch kompromisslos chrlich. Das deckt sich vermutlich mit den Vorstellungen der meisten Wahlberechtigten, was das Gremium anbetrifft. Bis dies hier in einer Zeitung erscheint, wird die Wahl wohl bereits vorbei sein und wir damit leben müssen, wie auch immer sie ausgegangen sein mag.

Aber ich hoffe, dass wir sie trotz allem nicht verschlafen haben. Manchmal kann es ungesund sein, etwas zu verschlafen, und das scheint mir in diesem Fall so zu sein. So gering der tatsächliche Beitrag sein mag, es geht mir um das Grundsätzliche, nämlich darum, dass gewählt wird. Auch in mir kommt bei fast allen Figuren, um die es geht, nicht eben Freude hoch. Diesen Figuren daraufhin das Recht zuzubilligen, das unter sich auszumachen und sich komplett davon abzuwenden, ist jedoch noch bei weitem kurzsichtiger, denn dadurch billigt man ihnen auch noch größere Verfügungsgewalt zu. Wenn wir uns um unsere Angelegenheiten nicht kümmern, dann dürfen wir uns auch nicht beschweren, wenn es andere nicht so tun, wie wir gewollt hätten.

Der Preis dafür, von demokratisch gewählten Personen regiert zu werden, sind nun einmal eben jene Personen ... Aber das ist immer noch das weitaus geringste Übel.

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