Eleventy.at - Verein - Produkte - Völker - Zeitung: Ausgaben - Themen - Titel - zurückblättern - weiterblättern

G E R D ' s

E L E V E N T Y

P di M . 4 5

Evamaria's Gedanken zur Weltwirtschaftskrise

Aus aktuellem Anlass eine kleine Betrachtung der aktuellen wirtschaftlichen Situation
(mit in grün angeführten Anmerkungen der Redaktion).

Die erste große Frage, die alle stellen, ist wohl: Warum? Wie entstand die Krise und wieso trifft sie ausgerechnet mich? Egal ob jemand Geld investiert hat und jetzt zum Teil verliert oder ob jemand gerade versucht einen Kredit zu bekommen und sich über hohe Zinsen ärgert und über die um sich greifende Paranoia im Bankensektor - vollständig verschont bleibt niemand.

Zu der Frage, wie es zur aktuellen Krise kam, gibt es mehrere Theorien.
Eine ist, dass es eine Auswirkung der in den USA entstandenen Kreditkrise wäre. Die entstand (sehr stark vereinfacht gesagt) in etwa so: Die Banken gaben Leuten, die ein Haus kaufen wollten, einen Kredit, sagen wir als Beispiel in Höhe von 80.000,-. Als Sicherheit diente - und das ist absolut üblich - das mit dem Kredit finanzierte Haus. Nunmehr verpackte die Bank den Schuldschein (natürlich mit Zinsen, sagen wir, im Endeffekt wären 100.000,- zu zahlen) samt Pfandrecht auf das Haus in einen Pfandbrief und verkaufte den an eine andere Bank, die viele solcher Schuldscheine sammelte und mit anderen in Fonds zu verpackte.
Und - aus welchem Grund auch immer - stiegen die Kurse für derartige Schuldverschreibungen. Also wurden die Schuldscheine weiterverkauft, zu immer höheren Preisen. Jeder sah nur auf den Preis, den er gezahlt hatte und auf den, den er für den Weiterverkauf bekam, aber niemand interessierte sich schließlich dafür, was eigentlich auf dem Schuldschein draufstand. Irgendwann erreichten Schuldscheine (100.000,-) einen Preis von 200.000,- bis 250.000,-. Wenn alles gut ging und der Schuldschein eingelöst werden konnte, zahlte der zahlungsfähige und zahlungswillige Schuldner seine 100.000,- und keinen Cent mehr.
Dass das im Endeffekt nur ein Verlust werden kann, braucht wohl nicht mehr extra erklärt werden. Aber was, wenn der Schuldner nicht zahlungsfähig und -willig ist? Nun, dann wird eben das Haus versteigert. Aber das Haus war von Anfang an keine 100.000,- wert sondern vielleicht nur 60.000,- und dummerweise sind gerade jetzt viele ähnliche Häuser zu kaufen, aber es gibt nur wenige Leute, die ein Haus kaufen können, also wird das Haus vielleicht nur um 40.000,- verkauft. (Die genannten Zahlen sind nur ein Beispiel und haben nichts mit tatsächlichen Geschäften zu tun.)

Irgendwie spielten die Banken mit den „faulen Krediten“ das alte Spiel „Schwarzer Peter“ - jeder versuchte die „Schwarzer Peter“ Karte einem anderen Spieler anzudrehen, im Wissen, dass derjenige, der bei Ende des Spiels die Karte in der Hand hatte, verlieren würde. Dieses Prinzip mag ein lustiges Spiel für Kinder sein, aber hat in der Wirtschaft nichts verloren.

Zunächst hieß es ja, nur amerikanische Banken seien betroffen. Abgesehen von zum Teil unverantwortlichem Verhalten der Politiker kam dann plötzlich heraus, dass auch europäische Banken betroffen waren, denn sie hatten - verpackt in Fonds, über Garantien, Anleihen etc. die sie amerikanischen Banken gegeben hatten - alle hatten auch an dem „Schwarzer Peter“ Spiel mitgespielt.

 

Der Erfolg ist, dass keine Bank der anderen mehr traut und deshalb wesentlich weniger Geld vorhanden ist.

 

Wieso? Wo ist das Geld hin - Geld kann doch nicht einfach weniger werden? Nun ja, einerseits gibt es das „virtuelle“ Geld, das nur auf dem Papier oder in der Datenbank existiert und nie einen tatsächlichen Wert hatte, das kann plötzlich weg sein. Und sonst? Das echte Geld haben jetzt einfach andere Leute, nämlich jene, die auf fallende Kurse gewettet hatten und damit ein Vermögen gewinnen konnten.

Das ist nur eine von vielen Theorien, aber bestimmt nicht die schlechteste.

Wie wäre es mit anderen Theorien?
In letzter Zeit herrschte eine enorme Euphorie an den Börsen, so gut wie alles stieg in Höhen, die mit dem dahinterstehenden tatsächlichen Wert der Firma nichts mehr zu tun hatten - und weil alles stieg, kauften die Leute und weil die Leute kauften, stieg alles weiter ... Aber irgendwann ist bei solchen „Luftballons“ immer Schluss. Es ist ja so, dass die Kurse teilweise aus Gründen steigen, die weder mit der Auftragslage der Firma noch mit deren Vermögen zu tun haben. Es ist, als würde man heiße Luft in einen Luftballon blasen. Aber irgendwann platzt der Ballon und dann kommt genau das heraus, was drinnen war: heiße Luft.

Nun tritt aber ein interessantes Phänomen auf: Das Vertrauen der Anleger ist erschüttert, alle sind misstrauisch, alle erwarten eine Krise und verkaufen. Da alle verkaufen und niemand kauft, sinken die Kurse, auch jene von Firmen, welche eigentlich von der Auftragslage her gar nicht so schlecht dastehen und durchaus noch ausreichend Vermögen haben. Somit tritt der genau umgekehrte Effekt ein gegenüber jenem eben beschriebenen Luftballon, denn nun sinken auch die Aktien jener Firmen, die gut dastehen, auf einen Wert, der so gut wie gar nichts mit dem tatsächlichen Wert der Firma zu tun hat.

 

Eine Frage, die sich kaum jemand stellt, ist: Was könnte man in Zukunft besser machen?
Dabei wäre genau das jetzt wichtig.

 

Zunächst stellt sich die Frage, wieso die Wirtschaft einfach immer wachsen muss, um zu überleben. Heute esse ich eine Semmel am Tag, warum soll ich nächsten Monat zwei Semmeln essen, und im Monat darauf vielleicht drei, nur damit die Wirtschaft wächst? Ich habe ein Handy, wie viele andere Leute auch, aber das dürfte noch gute 4 bis 5 Jahre halten, bevor es kaputt geht und ich ein neues brauche. Wieso kann die Wirtschaft, wenn sie stets auf dem gleichen Niveau bleibt, nicht existieren?

Es ist ein Teufelskreis. Wir wollen mehr Lohn, weil immer alles teurer wird und der höhere Lohn liefert den Firmen wieder einen Grund, die Preise zu erhöhen. Was soll das? Stellen wir uns einmal vor, nichts, aber auch gar nichts kann teurer werden. Brauchen wir dann mehr Lohn, wenn wir weiterhin die gleiche Arbeit zu den gleichen Bedingungen machen? Wer jetzt sagt, ja, ich will mehr bekommen, der kann sich einerseits fragen ob er tatsächlich mehr bekommt oder ob ihm die Inflation nicht die Erhöhung sowieso wieder „wegfrisst“, und sollte sich andererseits fragen, warum er mehr bekommen soll, wenn er nicht im Gegenzug bereit ist, auch mehr zu leisten. Es geht einfach nicht, dass immer jeder nur mehr bekommt und dabei wenn möglich weniger geben/leisten will. Nicht alle können immer nur mehr bekommen - irgendwer muss auch dafür zahlen.

Diese Ansichten dürfen nicht missverstanden werden, es bedeutet nicht, dass Kommunismus als Gegensatz zum Kapitalismus das „bessere“ System wäre.

Das Problem liegt ganz wo anders. Alle Wirtschaftswissenschaften studieren nur die Wirtschaft, wie sie derzeit funktioniert, aber keiner überlegt sich, ob nicht ein neues, gänzlich anderes System stabiler wäre.

Worauf müsste dieses neue System basieren? Einerseits auf dem Prinzip, dass nicht Wachstum sondern gleichbleibende Verhältnisse, heute abfällig „Stagnation“ genannt, die Wirtschaft am leben halten. Nicht das „Mehr“ zählt, nicht das Höher/Besser/Schneller zählt, sondern das Prinzip „befriedigendes Überleben“. Ich brauche keinen supergroßen und superteuren Plasma-TV, ich kann genauso gut mit meinem Uralt-Bildschirm fernsehen und wenn der irgendwann kaputt geht, will ich keinen größeren sondern einen maximal gleichwertigen Ersatz haben.

Ein System, das von Stagnation am Leben erhalten wird, ist bei weitem nicht so anfällig für Krisen wie eines, das auf ständigem immer schnellerem Wachstum basiert.

Anm.d.Red.:
Das Wirtschaftswachstum entsteht nicht alleine durch Spekulation, sondern kann sich auch durch neue Erfindungen, durch sozialen oder technologischen Fortschritt einstellen. Die Umwelttechnologie ist mittlerweile eine eigene Branche geworden - und die wächst. Dennoch stellt sich die Frage einerseits nach dem, was wächst und andererseits nach der Zugänglichkeit und Verteilungsgerechtigkeit.

Denken wir an die Telekommunikation und an die Erweiterung der Publikationsmöglichkeiten der letzten zwanzig Jahre, so kann zumindest unser Verein froh sein, dass es auf diesem Gebiet Wachstum gegeben hat. Die Zeitung vor 15 oder 20 Jahren wurde mit Schreibmaschine geschrieben, und die Bilder wurden danach aufgeklebt. (Der Raum für Bilder musste ausgemessen werden, Textkorrekturen oder -erweiterungen war schwer möglich, Reaktionszeiten auf Leserbriefe - sofern in Papierform überhaupt welche kamen - dauerten länger ...) Die Zeitung wurde in Schwarz-Weiß kopiert, weil es noch keine Farbkopierer gab, oder, falls doch, Farbkopien sehr teuer waren.

Kurz: Mit dem Vielfachen der heutigen Kosten wurden nur ein Bruchteil der Leser mit zudem einer viel schlechteren Qualität erreicht. Die Redaktion (und wahrscheinlich auch viele unserer Leser) ist (sind) sehr dankbar, dass es für die Werkzeuge zur Erstellung und Veröffentlichung unseres Vereinsorganes keine "Stagnation" gegeben hat. Sehr wahrscheinlich würde im Falle der "Stagnation" unser Verein gar nicht existieren. Dabei denke ich an unsere Lesungen mit unserem Büchertisch. Mit unseren finanziellen Mitteln hätten wir unsere Produkte gar nicht fertigen können. Ganz zu schweigen vom CD-Brennen aus unserer Gründungszeit, aus dem wir uns die Mittel für die Vorfinanzierung unserer Produkte verdient haben.

Die Redaktion meint jedoch, dass schon alleine unser Verein mit seinem Organ ein gutes Beispiel für ein Wachstum mit Verteilungsgerechtigkeit, bzw. für eine Zugänglichkeit zu jenem, was aus dem Wachstum hervorgeht, sein kann. Auf das Internet selbst, das vor zwanzig Jahren zwar existiert hat, aber kaum für jemanden zugänglich war, brauche ich - denke ich - nicht gesondert eingehen.

Wachstum kann auch eine Verbesserung von Ablauforganistionen und Geschäftsprozessen bedeuten. Bevorzugte unsere Gesellschaft "Stagnation", wäre ich wahrscheinlich arbeitslos, und die öffentlichen Ämter arbeiteten wie zu Nestroy's Zeiten - wofür wiederum die Wahlen ein gutes Beispiel sind: Da gibt es so gut wie nur Papier. Ich will mir z.B. den öffentlichen Dienst ohne EDV - zweifelsohne eine Frucht aus dem Wachstum - gar nicht erst vorstellen ...

Freilich sind jedoch Grenzen des Wachstums, verursacht und/oder verbunden durch ein einseitiges Wachstum, zu beachten ...

 

Andererseits müsste das Spekulieren - zumindest bis zu einem gewissen Grad - unterbunden werden.

Was passiert nun, wenn in dem Stagnations-System doch ein Wachstum passiert, etwa weil neue Produktionsmethoden die Herstellungskosten minimieren? Nun, dann wächst das System eben, alle freuen sich, weil sie für ihr (stagnierendes) Gehalt plötzlich mehr kaufen können.

Hier liegt die eigentliche Gefahr dieses Systems: Nämlich, dass alle sich wieder an das Wachstum gewöhnen und plötzlich nur noch Wachstum zählt. Stattdessen müsste in diesem System ein Zurückfallen auf das frühere, gewohnte Ausgangsniveau als etwas völlig Normales gesehen werden, anstatt wie heute als bedrohliche Rezession. Natürlich wäre dieses Zurückfallen eine Rezession, allerdings würde rasch eine Einpendelungsphase folgen und alles wäre wieder beim Alten. Wäre das wirklich so schlecht?

Nach dem derzeitigen System wäre das eine Katastrophe - nach diesem theoretischen neuen System völlig normal und niemand würde sich deswegen wundern oder aufregen. 

Dies ist nur eines von vielen möglichen Alternativen, wahrscheinlich nicht die beste und mit Sicherheit nicht die schlechteste. Es gibt kein perfektes System, in welchem niemals unerwünschte „Nebenwirkungen“ auftreten. Es gibt kein System, in dem es auf jede Frage sofort eine Antwort gibt, in dem auf jedes Problem eine passende Lösung folgt. Jedes System hat seine Vor- und Nachteile.

Was es in Zukunft allerdings irgendwann geben muss, ist ein neues System, das nicht auf alten, lang überholten und höchst riskanten Dogmen basiert sondern stattdessen auf neuen Prinzipien, die das Leben der Menschen erleichtern.

Der Mensch lebt nicht, um der Wirtschaft zu dienen sondern die Wirtschaft existiert, um dem Menschen zu dienen.

Eleventy.at - Verein - Produkte - Völker - Zeitung: Ausgaben - Themen - Titel - zurückblättern - weiterblättern