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In
Anlehnung an das Thema des EHG-Clubabends,
den ich am 14. November geleitet habe,
präsentiere ich heute einen Titel,
der ein ähnliches Thema behandelt,
nämlich Phantasiewelten.
Barbie
trifft He-man ist die leicht
veränderte Fassung von Claudia
Fuchs Dissertation im Fachbereich
Neue Philologien an der Johann Wolfgang
Goethe-Universität Frankfurt am Main
aus dem Jahr 1995, aktualisiert durch
verschiedene Anmerkungen im Hinblick auf
relevante Literatur, die nach 1995
erschien.
Claudia
Fuchs behandelt in diesem Buch die Spiele
und Gespräche von Buben und
Mädchen in der Grundschule und wie
deutlich sich diese voneinander
unterscheiden.
Als
Beispiel von zwei Spielen derselben Art,
jedoch geschlechtergetrennt, verwendet sie
die klassische
Mädchen-Phantasiewelt der
Barbie und stellt sie dem von
Mattel entworfenen
Gegenstück für Buben, den
Masters of the Universe
gegenüber.
Anhand
unterschiedlicher Beispiele beschreibt
sie, wie Geschlechtersozialisation,
Spielwelten und Gesprächsverhalten
zusammenhängen, welche Bedeutung
Grundschulkinder selbst ihren
Phantasiewelten geben und wie sie
über ihre fiktiven Erlebnisse dort
erzählen.
Sie
gibt Anregungen, wie die von ihr
behandelten Spielwelten auch in der Schule
Anwendung finden können und
analysiert verschiedene Situationen, in
die sich Kinder dabei versetzen. Zur etwas
besseren Anschaulichkeit habe ich hier
einige Leseproben
angeführt:
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Alexandra und
Jasmin hatten schon unmittelbar nach der
Zurückkommen von der Traumreise gesagt, woran
sie bei ihrer Reise gedacht hatten. In L9 fordert
die Lehrerin Alexandra auf, ihren Beitrag zu
wiederholen, und ohne weitere Verabredung setzt
eine offensichtlich routinisierte Beitragsrunde
ein, in der alle Mädchen sagen, woran sie auf
der Traumreise gedacht haben.
In den Antworten
werden das Barbie-Glanzbett (später
Glitzerbett genannt), die Barbie (auch in ihrer
Inkarnation als Glitzerbarbie) und das Pferd
genannt, also genau die entscheidenden Elemente der
Traumreise, die kurz gefasst lauten
könnte:
Du wachst als
Barbie in deren Glitzerbett auf und findest ein
Pferd vor dem Haus, mit dem Du wegreitest.
...
Wenn die Lehrerin
nun die Beschäftigung mit Barbie in die
schulische Arbeit integriert, könnte auch die
Frage nahe liegen, warum sie das tut (Jasmin:
warum redest Du immer) und welches
Verhältnis sie selbst zu Barbies hat. (Elena:
... du bist doch auch ein Mädchen denk
ich.) ...
Altersunterschiede
zwischen Kind und Erwachsener, Statusunterschiede
zwischen Lehrerin und Schülerin, die sich in
der Unterrichtskommunikation auswirken, fallen
nicht entscheidend ins Gewicht. Das Geschlecht
zählt hier mehr nach Elena. Auch ein
Mädchen bedeutet wohl in diesem
Zusammenhang auch weiblich. Denk
ich wirkt als deutliche Verstärkung
dieses Ausschlusses von Unzuständigkeit als
mögliche Antwort. ...
Elena qualifiziert
ihren Beitrag damit als Ergebnis rationaler
Überlegung, die Geschlechtszuschreibung und
damit Zuständigkeitserklärung der
Lehrerin als Tatsache, nicht etwa als Vermutung
oder als Scherz. ...
Elena möchte
also ein mögliches Ausweichen der Lehrerin,
das sie damit antizipiert, durch einen starken
Einwand verhindern. ...
Tanja: Ich
find die Jungs haben viel spannendere Sachen wollen
die immer haben.
Zwei Lesarten sind
denkbar: der Satzteil wollen die immer
haben funktioniert hier entweder als
Reparatur des Prädikats haben, das
sie zuvor verwendet hatte, oder die Konjunktion
und ist ausgelassen worden, sodass eine
zweigeteilte Behauptung gemacht wurde.
Nun ist
spannender eine keineswegs negative
Bewertung von Spielsachen, in der Generalisierung
könnte sie sogar von Neid diktiert sein.
Gleichzeitig kann diese Bezeichnung im Rahmen eines
Vergleichs zwischen Barbie-Puppen und
Masters-Puppen auch als Abwertung in bezug auf das
Spielzeug Barbie aufgefasst werden: die
Himänner sind viel spannender.
Dies ist, ex negativo, der einzige explizite
Hinweis auf etwas, das für mich in dem
Gespräch spürbar war:
Das Spiel mit
Barbie wird als langweilig empfunden, wenn auch die
Puppe selbst höchst faszinierend für ein
Mädchen ist.
*
Die Lehrerin stellt
an die Jungen die Frage, was sie als Master erlebt
hätten. ...
Insgesamt
lässt sich feststellen, dass zwei wichtige
Aspekte mit dem Geschichtenerzählen über
Phantasieerlebnisse als Masters of the Universe
verbunden sind: Da die Jungen selbsterlebte
Geschichten in einer präformierten Welt
erzählen, und da diese Geschichten, wie die in
zum Konsum Feilgebotenen in Magazinen, Kassetten
und Filmen, von Kämpfen handeln, kommen die
Erzähler wegen des Detaillierungszwangs in
gesichtsbedrohende Situationen. Diese
Gesichtsbedrohung der Sprecher hängt eng mit
ihrer Sozialisation zum Männlichsein zusammen.
Die Komplettierung der narrativen Struktur kann
deshalb den einzelnen Jungen in einen Konflikt
zwischen Geschichtenerzählen und
Gesichtswahrung bringen. In einem solchen Konflikt
haben sich Richard, Mathias und Martin
entschlossen, auf Ausdrücke der
Erlebnisqualität zu verzichten. ...
Zweitens haben die
Jungen weit weniger die Gelegenheit zum
Geschichtenerzählen genutzt, als angesichts
der Beliebtheit des Spiels zu erwarten gewesen
wäre. ...
Gewinnen und
Verlieren spielen eine große Rolle im Spiel
mit den Masters-Puppen, ebenso wie das
stärker sein, zu dem aber in einer
Nullsummenrechnung, die Kriegsspiele ja darstellen,
auch ein schwächer sein
gehört. ...
Im Gespräch
über die Traumreise zum Planeten Eternia
machen die Jungen auf entsprechende Fragen der
Lehrerin, wo immer möglich, Beschreibungen der
Figur und nicht ihre eigenen Gefühle zum
Mittelpunkt. Die Jungen zeigten ein
konkurrenz-orientiertes Redeverhalten, besonders in
bezug auf des Rederecht und in bezug auf die
Etablierung von Expertenstatus durch Belehrungen.
Auf der Ebene der Gesprächsorganisation wie
auf der Ebene der Handlungskonstitution entspricht
dieses Gesprächsverhalten einer gemeinsamen
interaktiven Strategie zur Vermeidung von
Gesichtsbedrohung. ...
Außerdem
können die Jungen durch Belehrungen der
Lehrerin ihren Status gegenüber der
erwachsenen Frau in der Institution erhöhen.
...
*
In Bezug auf Jungen
stellt die Autorin somit fest, dass das Erleben und
Spielen zugunsten eines Experten-Wissens, das den
eigenen Status erhöht, in den Hintergrund
tritt.
Barbie
trifft He-man ist 2001 im Fillibach Verlag
erschienen und ist unter der ISBN 3-931240-20-7 um
23,70 Euro im Buchhandel
erhältlich.
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